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Hans-Christian Friedrichs über Feinstaub„Fahrverbot, ganz klar“

Mobilität Hans-Christian Friedrichs, in Niedersachsen Vorsitzender des alternativen Verkehrsclubs VCD, über Fahrverbote, Verbrennungsmotoren und rot-grüne Politik

Interview von Andreas Wyputta

taz: Herr Friedrichs, wegen hoher Feinstaubbelastung etwa in Hannover und Osnabrück wird auch in Niedersachsen über Fahrverbote gestritten, wie sie ab 2018 für alte Diesel-Fahrzeuge in Stuttgart gelten werden. Wie steht der ökologische Verkehrsclub VCD dazu?

Hans-Christian Friedrichs: Wenn die Gesundheit von Menschen gefährdet ist, sollte an besonders belasteten Tagen ein Fahrverbot gelten, ganz klar.

So klar ist das nicht allen: Bei den Grünen fordert der umweltpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Volker Bajus, Diesel bei Überschreitung der Grenzwerte aus den Städten herauszuhalten. Der grüne Umweltminister Stefan Wenzel will dagegen keine Fahrverbote.

Wenzels Vorschlag, stattdessen umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel zu fördern, finden wir natürlich ebenfalls gut. Aber: Grundsätzlich sollte man bei der Verteufelung des Diesels vielleicht etwas zurückhaltender sein.

Im Interview: Hans-Christian Friedrichs

52, ist Landesvorsitzender des Verkehrsclubs VCD in Niedersachsen. Dort engagiert sich der EDV-Berater seit mehr als zehn Jahren für Alternativen zum Auto.

Warum das?

Weil das neue Negativ-Image des Diesels leider nicht hauptsächlich dazu führen wird, dass alle plötzlich Bus und Bahn fahren oder Fahrräder nutzen. Gekauft werden stattdessen mehr Autos mit Benzinmotor, fürchte ich. Die aber sind ebenfalls ziemlich gesundheitsschädlich: Moderne Benziner produzieren besonders viele ultrakleine Feinstaubpartikel, die noch tiefer in die Lunge eindringen. Ziel muss deshalb der schnelle Umstieg auf den umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr sein – auch wenn der gerade in Großstädten wie Hannover schon sehr gut ausgebaut ist.

Und warum setzen dann noch immer so viele Leute aufs Auto?

Das frage ich mich manchmal auch. Viele halten das Auto noch immer für die bequemste Wahl, ignorieren Staus und Stress. Oft kennen sie die sehr guten Alternativen gar nicht. In der Bahn kann ich arbeiten, lesen, schlafen oder interessante Menschen kennen lernen – im Auto geht das alles nicht.

In den Großstädten funktioniert das. Aber auf dem Land?

Auch da müssen wir besonders den Bahnverkehr ausbauen. Leider spielt das Image Niedersachsens als Autoland mit seinen vielen VW-Standorten selbst unter Rot-Grün noch immer eine viel zu große Rolle. Nicht umsonst setzt gerade SPD-Verkehrsminister Olaf Lies weiter massiv auf einen Neubau der A39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg und auf die Küstenautobahn A20 inklusive milliardenteurem Elbtunnel. Dass Niedersachsen Bahnland ist, hören wir im Landtag dagegen leider viel zu selten.

SPD und Grüne planen doch die Wiederinbetriebnahme einiger Bahnstrecken?

Das Bahn-Reaktivierungsprogramm der Landesregierung ist bescheiden. Wieder in Betrieb geht die Strecke von Bad Bentheim und Neuenhaus nach Nordhorn an der Grenze zu den Niederlanden – Deutschlands einziger Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern ohne Anschluss an den Schienenpersonenverkehr. Ansonsten wird in Salzgitter eine Regionalbahnlinie um zwei Kilometer verlängert und die Strecke von Einbeck-Mitte nach Einbeck-Salzderhelden reaktiviert – die ist aber auch nur gut vier Kilometer lang. Das ist alles viel zu wenig.

Und was ist mit dem neuen Schnellbus-Netz, das Minister Lies einführen will?

Das halten nicht nur viele Landräte für politisch motivierten Aktionismus: Es besteht die Gefahr, dass das Angebot auf bestehenden Buslinien zwar theoretisch verbessert werden könnte. Für den Großteil der Kosten müssten aber die Landkreise aufkommen – und die können sich das oft gar nicht leisten. Dort wird es also bei einem wenig attraktiven Angebot bleiben. Busse sind im Vergleich zur Schiene nicht umsonst unbeliebt.

Warum?

Weil sie fast immer langsamer sind als die Bahn. Besonders bei noch vorhandenen Schienenstrecken fordern wir deshalb deren Reaktivierung.

Trotzdem bleibt der Eindruck, dass auch ökologisch engagierte Leute die Bahn ausbremsen, etwa beim Ausbau der Verbindung Hamburg – Hannover.

Ja, das ist ein Riesenproblem. Beim Dialogforum Schiene Nord, das nach dem Ende der gescheiterten Y-Trasse zwischen Hamburg, Bremen und Hannover alternative Strecken erarbeiten sollte, schossen immer neue Bürgerinitiativen wie Pilze aus der Erde – besonders solche gegen die Reaktivierung alter Bahnlinien für den Güterverkehr. Dabei müssen wir dringend mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Sonst drohen noch mehr LKW-Staus.

Was schlägt der VCD vor?

Die von der Bahn und den Verkehrsministerien in Bund und Land vorgeschlagenen sogenannten Ortsumfahrungen um Lüneburg, Deutsch Evern, Bad Bevensen und Uelzen sind wegen der dort geplanten ICE-Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern und den dazu nötigen Kurvenradien faktisch eine Neubaustrecke mitten durch die Lüneburger Heide. Wir fordern den Bau einer Bahnstrecke entlang der A7 ernsthaft zu prüfen. Die Bündelung von Verkehrswegen ist ressourcenschonend und hat sich bewährt.

Insgesamt scheint Ihre Enttäuschung über die Verkehrspolitik der rot-grünen Landesregierung unüberhörbar.

Manches ist besser geworden – die FDP-Verkehrsminister Jörg Bode und Philipp Rösler haben überhaupt nicht mit uns geredet. Aber es stimmt: SPD und Grüne haben einige unserer Erwartungen enttäuscht. Die Verkehrswende muss auch in Niedersachsen wichtig werden, gerade durch Ausbau und Erhalt der Bahn. Wir dürfen unsere Infrastruktur nicht verrotten lassen.

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2 Kommentare

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  • Frage: " Und warum setzen dann noch immer so viele Leute aufs Auto?

     

    Antwort: Das frage ich mich manchmal auch."

     

    Der VCD hängt einer antiquierten Verkehrsideologie an.

    Seine einzige Option: Den motorisierten Individualverkehr durch Massenverkehrsmittel zu ersetzen.

     

    Das wird besonders in den Städten, die für den Großteil der Feinstaub- und Schadgasemissionen stehen, nicht funktionieren.

    Ausbau der Öffis: Gut!

    Doch Städte - und die Städter - brauchen flexiblen Individualverkehr.

    Der Radverkehr kann und sollte hier die erste Säule des Verkehrs sein.

    Eine geschützte Radinfra vorausgesetzt, die nicht die Welt kostet, sondern kostengünstiger ist als Fahrbahnen für Kfz oder Infra für Bahnen ist Radfahren attraktiv, schnell, platzsparend und gesund.

  • Was für eine Vorschriftenhuberei. Ja klar, man kauft sich eben einfach ein (meist sehr teures) Elektroauto. Da sieht man eben kein Abgas hinten rauskommen und man sieht auch nicht, daß das Abgas, welches zur Herstellung des Stromes emittiert wird, eben aus dem Schornstein des Stromwerkes kommt, das sehr weit weg vor sich hinstinkt. Wenn man dann noch die Gesamtenergiebilanz zieht, also die Energie, die zur Herstellung des Autos, der Batterien usw. verbraucht wurde, sieht das alles schon ganz anders aus. Der gutbetuchte Grüne kauft sich trotzdem das E-Mobil, weil er damit in seiner Region gesehen wird. Oho, der tolle Umweltaktivist. Applaus, Applaus. Die kleine Krankenschwester aber mit dem miesen Gehalt, die nachts von der Schicht mit ihrem kleinen Uraltdiesel nachhause tuckert, soll bestraft werden. Na, das ist ja mal wieder prima ausgedacht.