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„Jihad, Baby!“ im Schnürschuh-TheaterHormone und Sprengstoff

Eine Jugendgeschichte zwischen Liebe und islamistischer Radikalisierung

Jugend als Sinnsuche zwischen erstem Sex und islamistischem Heilsversprechen: „Jihad, Baby!“ Foto: Schnürschuh Theater

Was so cool an fusselbärtigen Männern und verschleierten Frauen ist? Für Jona sind sie einfach anders. Anders als seine Welt, in der sich alle so bequem eingerichtet haben in Liberalität und Toleranz; von Religion wenig bis gar nichts wissen und den Glauben allenfalls als diskret behandelte Privatsache ansehen.

Der Junge ist genervt vom sozialpädagogischen Getue der Lehrer, vom vorgefertigten „Mainstreamscheiß“ seiner politisch korrekten Eltern – von all den lauen Vertretern der aufgeklärten Moderne. Unter ihnen sieht er nirgendwo einen Platz für sich. Ist auch noch schlecht in der Schule. Fühlt sich minderwertig. Und allein. Beginnt Konsum abzulehnen. Frust zu schieben. Rumzuhängen. Nimmt Drogen. Und macht einen radikalen Schnitt.

Trotz „Religionsphobie“ und seines einfach nicht sprießen wollenden Barthaares, will er in der Religion das erfüllte Leben suchen und fusselbärtiger Mohammed-Anbeter werden. „Die direkte und schöne Sprache des durchaus humorvollen, völlig durchschnittlichen deutschen Jugendlichen fasziniert mich“, sagt Regisseur Pascal Makowka über „Jihad Baby!“.

Der von Daniel Ratthei verfasste Monolog hat bereits den Kinder- und Jugendtheaterpreis „Kaas & Kappes“ sowie den ersten Preis des Coburger Forums für junge Autoren gewonnen. Ab kommender Woche ist er in Bremen nun auch live zu erleben. Nach der Uraufführung am Landestheater Coburg mit sieben Schauspielern sowie der Zweitaufführung als Solo-Performance am Staatstheater Wiesbaden verantwortet Makowka die Drittproduktion am Bremer Schnürschuh-Theater – ab dem 26. Februar.

Konversion als Befreiung

„Es gibt so viele tolle Figuren und Dialoge in dem von Jona erzählten Text, deswegen inszenieren wir ihn mit zwei Darstellern.“ Und zwar irgendwo zwischen Islamisierungslehrstück, Salafisten-Thriller und Liebeskomödie. Es geht um die Frage: Wie kommen Menschen dazu, ihre Religion zu wechseln oder überhaupt erst eine anzunehmen? Der Auslöser für Jonas Konversion ist seine Sinnsucherkrise – und der persönliche Kontakt zu Musa. Der erzählt ihm von Allah, von seinem Glauben und der solidarischen Gemeinde. Jonas fühlt sich davon magisch angezogen, lauscht auch ergeben Videoposts mit moralischen Botschaften zum aufrichtigen muslimischen Leben.

Beim ersten Moscheebesuch findet Jona dort zwar alles noch recht schäbig, ist aber beeindruckt von der Ruhe, auch von der Freundlichkeit der Menschen. Er spürt Aufmerksamkeit und Vertrauen. Wird Moslem. „Wer dreimal die Glaubensformel spricht, gehört dazu, ganz ohne Brimborium“, erklärt der Regisseur. „So ist unser Hauptdarsteller eigentlich auch längst Moslem, da er die Sätze bei den Proben schon so oft so überzeugend gesagt hat.“

Mit seiner Punk-Freundin will Jona elf Kinder zeugen: die Fußball-Nationalmannschaft des IS

Für Jona ist die Konversion eine Befreiung. Endlich Teil einer Gemeinschaft. Einer Ersatzfamilie. Er erlebt das, was er bisher vermisste: Respekt. Fühlt sich ernst genommen. Als Bruder unter Geschwistern. „Und kriegt die Kurve“, so Makowka. Macht Sport, wird besser in der Schule, verzichtet auf Drogen. Fühlt sich bald aber auch fremd in inmitten der schwarzhaarigen, meist arabischstämmigen Gläubigen: erneut minderwertig.

Schon zerren zwei Möglichkeiten an den zwei Seelen in seiner Brust. Einerseits erlebt er seine Entjungferung mit einem echt wilden Punk-Mädchen als Kick der Liebe. Diese Jenny passt nur gar nicht zu seinem Islamisierungswahn. Er will mit ihr elf Kinder zeugen, „die Fußball-Nationalmannschaft des IS“, sie macht sich über seine Heiligengefühle lustig. Andererseits wird Jona von Kreshnik angebaggert, von dem es heißt, er habe schon im Kosovokrieg gekämpft und sei in Syrien gewesen. Nun organisiert er konspirative Radikalisierungstreffen und vergibt einen geheimnisvollen Auftrag: Kick des Untergrunddaseins. Schließlich stürmt eine Antiterroreinheit die Szenerie, Jona flüchtet und wird erschossen, als er eine Rhabarberstange aus seinem Rucksack zieht – was ungefähr so ausgesehen habe, als ob er eine Bombe zünden wollte, so die Polizei. Actionkino als Theater.

Jona ist voll auf MDMC, dem psychoaktiven Wirkstoff von Ecstasy, als er seine Jenny kennenlernt – und schwärmt sofort von ihr, plötzlich erleuchtet und wie in Trance. Ebenso schwärmt er nach seiner Konversion vom Islam: plötzlich erleuchtet. Ein Trip? „Kann man so sagen“, meint Makowka. Die Faszination dieser streng reglementierenden Religion? „Dieses Teenieding, nach Werten zu suchen.“ Ja, es ist nicht die Zeit des Nachdenkens, es geht um Glauben, endlich zu wissen, was gut und was Haram, Sünde, ist.

Die Hinwendung zum Salafismus sei eine Protesthaltung. Sein Herumpatroullieren mit der Scharia-Polizei entspringe „seinem Stolz, endlich irgendwo dazuzugehören“. Und der Jihad? „Ein Abenteuerspielplatz zum Austoben.“ Ist er hoffnungslos den Verführern wie einem Drogentrip ausgeliefert? Der Regisseur meint: nein. Das Mädchen könnte sein Ausstieg aus der Radikalisierungsspirale sein. „Ich denke, wenn der Anis Amri sich verliebt hätte, kurz bevor er in den LKW einsteigen und auf dem Berliner Weihnachtsmarkt Menschen töten wollte, wäre das vielleicht zu verhindern gewesen.“ Jihad? Liebe, Baby!

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