Berlins oberster Schülervertreter: „Die Welt ein Stück verbessern“
Konstantin Gülden findet pauken langweilig und echtes Engagement toll. Deshalb vertritt er seit Januar die Interessen von 330.000 Berliner Schülern.
taz: Herr Gülden, Sie werden im März 18 Jahre alt, sind im Januar zum Vorsitzenden des Landesschülerausschusses gewählt worden und vertreten die Interessen der Berliner Schüler*innen vor dem Senat, vor Eltern oder Lehrern. Wie kam es zu diesem Engagement?
Konstantin Gülden: Viele Schüler regen sich nur auf. In der Schule sei „alles blöd, alles scheiße“. Aber die meisten ziehen nicht den Umkehrschluss – das ist blöd, aber ich möchte etwas verbessern. Anstatt nur zu meckern, kann ich mich auch fragen: Was kann ich denn dagegen machen?
Das könnte man auch auf Ihr weiteres Engagement beziehen: Sie sind im Vorstand bei der Jungen Presse Berlin, einem Verband junger Journalisten, und arbeiten im IT-Bereich. Wie viel beschäftigen Sie sich neben der Schule in den Gremien oder im Beruf?
Das ist schwierig zu sagen. Ich habe mal vorletztes Jahr eine sehr penible Liste mit einer Zeiterfassungs-App geführt. Immer mit Ein- und Ausstempeln – das war ein großer Spaß. Einen Monat waren es mal 60, einen anderen 141 Stunden. Je nachdem, wie viel anstand und ob gerade Ferien waren.
17 Jahre alt, geht in die 12. Klasse eines Gymnasiums in Spandau. Er ist Vorsitzender des Landesschülerausschusses Berlin und Vorstandsmitglied bei der Jungen Presse Berlin e. V.
Leidet darunter nicht die Schule?
Ich muss sagen, dass ich nicht wahnsinnig gern zur Schule gehe. Ich möchte lieber etwas Praktisches machen oder konkret an etwas arbeiten. Ich möchte nicht im Matheunterricht sitzen und denken, okay, wie funktioniert Formel xy jetzt? Und wie mache ich das? Sondern mich eher fragen: Wie funktioniert die Welt, wie kann ich sie ein Stück weit verbessern?
Und deswegen engagieren Sie sich nun im Landesschülerausschuss?
Es engagieren sich nicht viele in meiner Altersgruppe. Ich finde das schade. Es gibt so viele Ehrenämter, man hat so viele Möglichkeiten, sich als junger Mensch zu engagieren und zu verwirklichen. Viele nehmen das nicht wahr. Da gibt es Gremien, die Leute wurden gewählt, und es wird darauf vertraut, dass sie sich darum kümmern. Und sie tun es einfach nicht.
Und dann?
Beim Landesschülerausschuss artete das so aus, dass wir Anwesenheitslisten führen müssen und im Extremfall sogar einen konstruktiven Rücktritt vorschlagen.
Wow!
Ja, die Leute haben sich schließlich zur Wahl gestellt und wurden gewählt. Sie tragen somit die Verantwortung, sich für die Schüler ganz Berlins einzusetzen.
Sie tragen ebenfalls viel Verantwortung – auch im eigenen, neu gegründeten Unternehmen. Was machen Sie da genau?
Ich designe hauptsächlich Webseiten und berate Kunden, beispielsweise beim Aufbau ihrer Webseite oder bei der Suchmaschinenoptimierung. Ich sorge aber auch für Updates oder suche nach passenden Domains und Angeboten.
Warum dieser frühe Schritt in die Erwerbsarbeit und Selbstständigkeit?
Einerseits, weil es mir natürlich Spaß macht, was ich tue, und ich mich schon lange mit IT beschäftige. Anderseits musste ich mir überlegen, wie ich Geld verdienen kann. Ich bin ja noch nicht volljährig, fast alle Arbeitsstellen wollen einen aber erst ab 18, die meisten schieben den Jugendschutz vor. Das finde ich total diskriminierend! Klar, ich könnte auch privat Babysitten oder Nachhilfe geben. Aber ist es dann der Sinn, dass alle Jüngeren etwas unter der Hand machen? Dem Staat kommt das letztendlich nicht zugute. Alle, die beispielsweise Nachhilfe geben, haben sich doch im Prinzip selbstständig gemacht. Es gibt halt keine Quittungen oder Rechnungen . . .
Ist es schwierig, sich unter 18 Jahren selbstständig zu machen?
Es geht. Diese ganze Bürokratie für die Unternehmensgründung unter 18 Jahren würde ich als unverhältnismäßig bezeichnen. Ich meine, es hat schon seine Berechtigung, dass sich keiner überschätzt. Dennoch halte ich den Aufwand für eine freiberufliche Tätigkeit neben der Schule für übertrieben.
Haben Sie Unterstützung von Ihren Eltern bekommen?
Ja, mein Vater konnte mir beispielsweise als Personalberater gut helfen. Meine Eltern unterstützen mich sehr, haben aber immer wieder darauf hingewiesen, dass Schule wichtig ist.
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