Unabhängige Schülerzeitung: Schüler wollen lieber selbst denken

An der Kurt-Schwitters-Schule zeigt eine Projektwoche, was Gutes entstehen kann, wenn man Schüler mal machen lässt: ein Redaktionsbesuch bei „qurt“.

Wie bei den Profis: Schreibtischchaos in einer Schülerzeitungsredaktion Foto: picture

Nur noch der Kaffee fehlt, ansonsten ist alles wie bei den Profis: Halb neun Uhr morgens an einem Vormittag kurz vor den großen Ferien, die neun Redaktionsmitglieder der Schülerzeitung qurt sitzen in der umfunktionierten Kunstwerkstatt der Kurt-Schwitters-Schule in Prenzlauer Berg und besprechen die Themen des Tages. Ein Holzbrett auf zwei Metallgestellen bildet die provisorische Tischkonstruktion, darauf liegen angebrochene Keks­packungen, Blöcke und Stifte.

„Schön, dass ihr alle schon da seid“, sagt Kundry Rymon. Die großen Ohrringe der 17-jährigen Chefredakteurin schauen unter der blonden Kurzhaarfrisur hervor. Ihre Schülerzeitung werde selbstverständlich nicht mehr auf Papier gedruckt, sagt sie. qurt gibt es nur im Internet. Alles andere sei einfach nicht mehr zeitgemäß, findet Kundry.

Zusammen mit ihrem Mitschüler Can Boerger hat sie Anfang Mai das Projekt ins Leben gerufen. Auf ihrer Onlineplattform gibt es Artikel über Schülervernetzung, Videos über den letzten Ausflug der Klassensprecher und Podcasts über politische Themen wie den G20-Gipfel. „Eigentlich soll jeder aus der Redaktion mehrmals pro Woche etwas posten. Manchmal bekommen wir das auch hin“, sagt Kundry.

In diesen Tagen ist die Redaktion allerdings im Sondereinsatz: Täglich berichten die Siebt- bis Zwölftklässler über die laufende Projektwoche ihrer Schule. Diese wird das erste Mal nur von den Schülern organisiert und endet am heutigen Montag mit einem Straßenfest. In 80 Projektgruppen haben sich die Schüler zusammengetan und verschönern etwa das „Ranzklo“ der Schule, informieren sich über Feminismus, stellen Kosmetik her oder Kochen Rezepte aus verschiedenen Kulturen nach.

Die Lehrer machen das Frühstück

Für diese Zeit sind ihre Lehrer nur das Servicepersonal: Sie schließen die Räume auf, stellen die Technik bereit und machen Frühstück. Auch der qurt-Redaktion ist diese Woche eine Lehrerin zugeteilt: Sie sitzt während der Konferenz etwas abseits und bedient den Beamer, um die Internet-Seite zu zeigen. Die Leitung der Konferenz aber übernehmen die Schüler.

„Elias besucht heute noch das Hockey-Team und die Fashion Week, und Jakob macht einen Videobeitrag zur Tanzgruppe“, sagt Chefredakteurin Kundry. Die Themen der qurt-Berichterstattung sind so unterschiedlich wie die Projektgruppen der über 800 Schüler selbst: Es geht um Sport, Wissenschaft, Politik, Kochen, Spiel und Mode. „Jeder sucht sich aus, worüber er schreiben will. Das stimmen wir unter uns ab“, sagt Kundry.

Diese Unabhängigkeit ist der Nachwuchsjournalistin sehr wichtig. Die Redaktionsarbeit für qurt, die sich bereits vor der Projektwoche gegründet hat, findet normalerweise komplett abseits des Schulbetriebs statt. Die Redaktion trifft sich normalerweise in Cafés, presserechtlich verantwortlich ist ihr Kollege Can. „Einfach weil er schon 18 ist“, sagt Kundry. Früher war sie mal in der offiziellen Schülerzeitungs-AG aktiv. Die wurde aber von Betreuungslehrern geleitet und es gab ihr am Ende zu wenig Freiheiten: „Auch bei einer Schülerzeitung geht es doch um Meinungs- und Pressefreiheit. Deswegen wollen wir uns da von der Schule nichts sagen lassen.“

Die Schulleitung ist augenscheinlich angetan von der Selbst­organisation der Schüler. „Das entspricht fast dem Ideal der Umsetzung des Schulgesetzes“, sagte die Rektorin Katrin Kundel in einem qurt-Interview zur Projektwoche. Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit: Zwei wesentliche Bildungs- und Erziehungsziele, die das Schulgesetz formuliert, dürften die qurt-Schüler in der Tat erfüllen.

Zum Straßenfest am heutigen Nachmittag in der Bötzowstraße, in der auch die Schule liegt, will die qurt-Redaktion einmalig eine Printausgabe ihrer Schülerzeitung rausbringen. „Das ist dann vor allem für die Eltern“, sagt Kundry.

Die Ideen haben die Schüler

Wie es langfristig mit qurt weitergeht, ist noch offen. „Wir wollten erst mal abwarten, wie das Projekt ankommt und ob wir weiter Lust haben“, sagt Kundry. Ideen für Themen kommen den Jugendlichen jedenfalls zuhauf. Und mit zuletzt 630 Seitenaufrufen an nur einem Tag auf ihrer Internetseite scheint das Interesse der Mitschüler auf jeden Fall vorhanden zu sein.

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