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Schach-WM der Frauen im IranKleider machen Sportlerinnen

Wegen der Kopftuchpflicht boykottieren einige Großmeisterinnen die WM im Iran. Die deutsche Teilnehmerin versteht die Kritik nicht.

Wenn das Tuch verrutscht, greifen die Schiedsrichter ein: iranische Schachspielerinnen in Teheran Foto: afp

Elisabeth Pähtz hat schon ein bisschen für die Schach-WM geübt, sich das Tuch kunstvoll übers Haupt zu legen und „vor allem den Hals zu verdecken“. Trotzdem ist die Weltranglisten-20. heilfroh, dass sie mit Dorian Rogozenco eine männliche Begleitung in Teheran hat – auch wenn der Bundestrainer zur Vorbereitung auf die nächste Gegnerin nicht allein mit ihr aufs Zimmer darf!

Andere Großmeisterinnen sind vor der Eröffnungsfeier am Freitag weniger kompromissbereit. „Für mich ist es schlicht inakzeptabel, eine WM in einem Land zu spielen, in dem Frauen grundlegende Rechte verweigert und als Menschen zweiter Klasse behandelt werden“, kündigte US-Meisterin Nazi Paikidze als Erste ihren Boykott wegen des Kopftuchzwangs an und entfachte einen Sturm der Entrüstung in den sozialen Medien gegen den Schachweltverband (Fide).

Ihre Landsfrau Irina Krush folgte dem Beispiel. Zum einen wegen der Sicherheitswarnungen der Regierung, zum anderen aber vor allem wegen der rigiden Kleidervorschriften. „Ich hätte gern an der WM teilgenommen“, doch ihr sei es zuwider, den Körper nahezu komplett einzuhüllen, um einer „Verhaftung“ zu entgehen.

Die siebenmalige US-Meisterin sieht sich laut der populären Webseite Chessbase.de auch am Brett gestört, wenn „Schiedsrichter während der Partie einen ermahnen, das Kopftuch, das vielleicht zu weit heruntergerutscht ist, wieder in Position zu bringen – ein Szenario, von dem mir Teilnehmerinnen der Grand-Prix-Serie in Teheran 2016 erzählt haben.“

Die Ukrainerin Marija Musytschuk, die die letzte WM im K.-o.-Modus 2015 in Sotschi gewann, sieht das genau so, auch wenn es 360.000 Dollar Preisgeld zu gewinnen gibt. „Der Iran ist für solch ein wichtiges Turnier denkbar ungeeignet“, verweigert sich die 24-jährige Ex-Weltmeisterin dem Kopftuchzwang. Ihre an Position 2 gesetzte ältere Schwester Anna sieht das offensichtlich anders und fliegt nach Teheran.

„Geschrei bei Face­book“

Emil Sutovsky hat schon seine eigene Erfahrungen mit dem Iran gemacht – sein Großmeisterkollege Ehsan Ghaem Ma­gha­mi musste aus politischen Gründen auf ein Duell mit dem Israeli verzichten und flog aus einem Turnier auf Korsika. Der Präsident der Spielergewerkschaft ACP erkundigte sich nach der WM-Vergabe bei der Fide – und wurde abgekanzelt, die Spielerinnen müssten sich eben den örtlichen Kleidungsgepflogenheiten anpassen.

Die meisten Top-Großmeisterinnen fügen sich dem letztlich und teilen wohl die Ansicht von Pähtz: „Der Iran ist nicht der perfekte Austragungsort für eine WM. Das wissen wir alle – andererseits hat keine einzige Föderation bei der Vergabe etwas dazu gesagt“, gab die ehemalige U18- und U20-Weltmeisterin im Interview mit Chessbase.de zu bedenken.

Die gebürtige Erfurterin hielt dem „Geschrei bei Face­book“ entgegen: „Ich finde es traurig, dass nur das Negative gesehen wird – und nicht, dass der Iran bereit ist, eine ganze Menge Geld auszugeben. Es ist schwer, für Frauen­schach Sponsoren zu finden.“ Die WM hätte eigentlich schon im Vorjahr über die Bühne gehen sollen.

Weltranglistenerste kommt auch nicht

Weil ein paar Asse die Veranstaltung wegen des Kopftuchzwangs boykottieren, hat jetzt die Chinesin Hou Yifan die Lust verloren, mitzumachen. Nachdem die Fide ihre „tiefe Unzufriedenheit seit Jahren ignoriert“, zieht die herausragende Weltranglistenerste die Konsequenzen.

Wie hart die Weltmeisterin sein kann, bekamen vor wenigen Tagen die Organisatoren in Gibraltar zu spüren: In der letzten Runde machte Hou aus Protest gegen die Auslosung, die ihr in neun Runden sieben leistungsschwächere Frauen bescherte, fünf stümperhafte Züge und gab auf – die 22-Jährige verschenkte dadurch 9.200 Euro Preisgeld.

Die zurückhaltendere Chinesin Ju Wenjun belegte in Gibraltar Platz 1 in der Frauenwertung und sieht ohne die Ausnahmespielerin Hou ganz offen ihre „Chancen auf den Titel wachsen“. Pähtz hofft derweil, ihr bisher bestes WM-Resultat zu toppen. Als die 32-Jährige halb so alt wie jetzt war, kam sie bereits ins Achtelfinale. „Im ­K.-o.-Modus sind in zwei Partien eher Überraschungen möglich“, träumt die an Position 14 gesetzte Heidelbergerin gar vom Finale. Ihre Auftaktgegnerin am Samstag dürfte zwar ihr Kopftuch geschickter binden – aber auf dem Brett sollte die mit einem Freiplatz ausgestattete Iranerin Atousa Pourkashiyan weniger überzeugend agieren.

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4 Kommentare

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  • Ein besonders schönes Beispiel für die Verkommenheit

    Des (Leistungs)sports in Richtung Leibeigenschaft &

    Funktionärsdiktatur.

    Wobei dafür immer das aus dem Hut gezaubert wird -

    Was diesen Sportkraken in den Kram paßt.

     

    Wie ging es mal salopp & locker zu.

    Nicht nur - daß Sportfunktionären auf dem Sattelplatz von Karl-Heinz Hopp (Ratzeburger-Gold-Achter Rom 1960)

    Prügel angeboten wurden.

    Klamotten? - Ach du heiliger Strohsack. Obwohl obwohl -

    Als der anerkannt technisch schlechteste 2.ohne -

    Am Winner-Steg anlegte - befand "Dr. Walter" -

    Der Päsi des DRV - "Gammel - in diesem Hemd findet keine Siegerehrung statt!" - Homerisches Gelächter!

    (eine Seite geknotet & auf der linken "durchgeruderten" Seite hatte Mutter Rulffs mehrfach patchs aufgenäht -

    kurz - museumsreif).

    Irgendein gegriffenes Hemd & gut war´s.

    Heute wird ja - " noch die Lippenstiftfarbe -;)) vorgeschrieben!"

     

    & Hier wird dreist geleugnet - daß dieser Mummenschanz - Ausdruck knallharter Politik ist. Was denn bitte sonst!

    Klar - Sport hat ja unpolitisch zu sein - wa!

    Außer es paßt grad nicht in den Kram.

    Dann findet die Verlogenheit keine Grenze.

    Empfehle http://salute.vhx.tv/ zu den 3 von Mexico &

    Die abgrundtief verlogenen Statements von

    IOC-Präsi Avery Brundage et. al.

    Ekelhaft - wie diese an Dreistigkeit kaum zu überbietende

    Anmaßung der Funktionäre im Doppelpaß mit den Iranis.

  • Genau, ich sehe/akzeptiere die absolut politischen, Menschenbild vermittelnden Kopftücher - jedem das seine - , und möchte ebenso mit meinem Menschenbild akzeptiert werden. Nun bin ich nicht in dieser ambivalenten Position wie die Welt besten Schachspielerinnen...was genau will der Iran/die verantwortliche Organisation eigentlich damit mitteilen - Frauen dürfen bedeckt auch intelligent sein? nett.

  • Tja, da würde man sich vom Iran schon etwas mehr Toleranz wünschen. Ich meine... es ist schließlich einfach nur ein Stück Stoff. Kann ja wohl nicht so schlimm sein, wenn Nicht-Musliminnen drauf verzichten.

    • @NurMalSo:

      Tja, wie man‘s nimmt. Für die "Nicht-Musliminnen" wär es vermutlich wirklich nicht besonders schlimm, ganz ohne Kopftuch vor dem Brett zu sitzen. Für die Herren vom Organisations-Komitee aber scheint es sowas wie ein Super-Gau zu sein, wenn sie es tun. Deren "religiöses Gefühl" (das vermutlich eher eine irre Angst vorm Machtverlust ist, die sich schämt, öffentlich als solche aufzutreten) würde offenbar am Stock gehen müssen, wenn Frauen beim Schachspielen auch noch Haare zeigen. Denn schließlich: Würde das nicht heißen, dass sich die Frauen, die besser Schach spielen können als ihre Kontrolleure, nicht mehr von ihnen kommandieren lassen wollen?

       

      Die Angst ist, glaube ich, vollkommen unbegründet. Zum einen sind grade Schachspielerinnen von Kindesbeinen an darauf dressiert... – äh, sorry: trainiert, die Kommandos ihrer Trainer ohne Zögern oder Hinterfragen umzusetzen. Zumindest so lange, wie sie sich davon irgendwelche Titel und/oder Siegprämien versprechen. Und zweitens scheint es mit der vermeintlichen Intelligenz der weiblichen Schach-Best(i)en nicht all zu weit her zu sein. Es würde ihnen sonst womöglich noch was Klügeres einfallen als Reaktion auf die Gängelei ihrer Gastgeber, als die beleidigte Leberwurst raushängen zu lassen.

       

      Daheim zu bleiben und sich dort jenen bescheuerten Regeln zu unterwerfen, die zwar auch von machtgeilen Machos aufgestellt wurden, die aber immerhin "westliche" Regeln sind (verdammt praktisch, so ein Tuch als international akzeptiertes Symbol), ist jedenfalls auch keine sinnvolle Lösung fürs Problem. Merke: Wenn ein Mensch – welchen Geschlechts auch immer – gelernt hat, ein paar Figuren nach bestimmten Regeln übers Brett zu schieben, bedeutet das noch lange nicht, dass er tatsächlich intelligent ist. Es heißt bloß, dass die wirklich Intelligenten gar nicht eingeladen wurden von den Organisatoren.