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Kommentar Moschee-Anschlag in KanadaTrudeau zeigt Stärke

Jörg Michel
Kommentar von Jörg Michel

Gerade stellt sich das Land antimuslimischen US-Dekreten entgegen, schon wird eine Moschee angegriffen. Auch im friedlichen Kanada gibt es Rechtsextreme.

Trudeau bezeichnet den Sechsfachmord als das, was er ist: einen terroristischen Akt Foto: dpa

A usgerechnet Kanada. Noch am Wochenende hatte sich Premierminister Justin Trudeau den anti-muslimischen Dekreten des neuen US-Präsidenten Donald Trump entgegengestellt und betont, in Kanada seien Flüchtlinge in Not und Immigranten weiter willkommen. In einer Geste der Mitmenschlichkeit erklärte er sich sogar bereit, gestrandeten Reisenden aus den sieben von Trump geächteten Ländern vorübergehende Visa auszustellen. Frei nach dem Motto: #WelcometoCanada!

Nur einen Tag später dann der Schock. Ein Attentäter aus dem eigenen Land erschießt in einer Moschee in Québec sechs Muslime beim Abendgebet. Noch weiß man nicht viel über den mutmaßlichen Einzeltäter Alexandre B. Doch einiges spricht dafür, dass sich der 27-Jährige, der offenbar schon länger rechtsextremes Gedankengut hegte, womöglich durch Trump und dessen Tabubrüche ermutigt gefühlt hatte.

In dieser Situation hat Trudeau nun Führung bewiesen und den hinterhältigen Sechsfach-Mord an Andersgläubigen als das bezeichnet, was er ist: einen terroristischen Akt. Auch das ist ein deutlicher Fingerzeig in Richtung Donald Trump. Nicht nur von radikalen Islamisten gehen dieser Tage Gefahren für das Gemeinwesen aus. Auch von weißen Kanadiern – und vor allem von deren geistigen Brandstiftern.

Bewunderung für den Wahlsieg Trumps

Denn auch in einem gemeinhin als friedlich und liberal geltenden Land wie Kanada gibt es Rechtspopulisten, die den Trump-Effekt am liebsten importieren würden. Ex-Premier Stephen Harper etwa sparte nicht mit Bewunderung für den Wahlsieg Trumps.

Eine der Kandidatinnen für den Vorsitz der Konservativen wirbt bei den parteiinternen Vorwahlen derzeit mit der Forderung nach Gesinnungstests für Einwanderer mehr oder weniger offen um die Stimmen islamophober Parteimitglieder.

Bislang ist es Trudeau gelungen, den Druck von Rechts abzuwehren und die liberalen Grundwerte Kanadas zu verteidigen. Einiges spricht dafür, dass die Mehrheit der Kanadier ihm weiter folgt und nach dem Anschlag zusammenrückt, um Freiheit und religiöse Vielfalt zu verteidigen. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen Donald Trump. Die Welle der Solidarität mit den Muslimen in Kanada ist derzeit jedenfalls groß. Man kann nur hoffen, dass dies auch so bleibt.

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Jörg Michel
Korrespondent
Berichtet seit 2010 für die taz als freier Korrespondent aus und über Kanada. Davor Studium der Politik, Volkswirtschaft und des Öffentlichen Rechts in Freiburg, Potsdam und Ottawa. Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Erfahrung als Redakteur in Berlin in den Resorts Wirtschaft, Politik und Parlamentsbüro.
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9 Kommentare

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  • "Doch einiges spricht dafür, dass sich der 27-Jährige, der offenbar schon länger rechtsextremes Gedankengut hegte, womöglich durch Trump und dessen Tabubrüche ermutigt gefühlt hatte."

     

    TAZ-Autor Jörg Michel nach einem Terrorattentat in Kanada

     

    ""Der Terrorismus hat geistige und politische Ursachen. Ein Kommentator hat mit Recht gesagt. die sogenannte RAF sei nicht vorstellbar ohne die Frankfurter Schule. Die Studenten hätten nur in die Praxis umgesetzt, was Professoren sie gelehrt hätten. "

     

    Alfred Dregger, CDU (Bundestagsfraktionsvorsitzender), vorher NSDAP nach einem Anschlag der RAF einige Jahrzehnte früher

    • @Age Krüger:

      Äpfel, Birnen, bla?

  • "Doch einiges spricht dafür, dass sich der 27-Jährige, [...] womöglich durch Trump und dessen Tabubrüche ermutigt gefühlt hatte."

     

    Ich weiß nicht, aber ich denke, dass der Täter Angst hatte als Trudeau das getwittert hatte, dass Kanada nun wegen Trump mehr Muslime aufnimmt, die er nicht im Land haben will. Die Tabubrüche von Präsident Trump sind glaube ich weniger der Auslöser, schließlich haben die auch nur bedingt Wirkung auf die kanadische Debatte.

    • @Tim Schweizer:

      Da bedarf es aber mehr als "Angst", dass man ein Attentat verübt. Bei schizoiden Psychopathen können Sie schon davon ausgehen, dass Menschen wie Trump das Fass zum überlaufen bringen.

    • @Tim Schweizer:

      "..aber ich denke, dass der Täter "Angst hatte", dass "Kanada nun wegen Trump mehr Muslime aufnimmt, die er nicht im Land haben will, ."

       

      Sieht also Ihre Denke so aus ? :

      Wenn einer Angst hat, dann darf er eben mal einige Leute über den Haufen knallen und ein grässliches Blutbad anrichten unter denen, die er fürchtet.

      • @unSinn:

        Nein, die Morde sind natürlich durch nichts zu rechtfertigen und ich wollte den Täter auch nicht verteidigen.

         

        Ich wundere mich nur das es keinen Zusammenhang zwischen Trudeas Ankündigung und dem Attentat gegeben haben soll.

    • @Tim Schweizer:

      Weit gefehlt: Fast alles was Trump versprach oder tut wirkt sich auf die Diskussion in Kanada aus, wirtschaftlich, verteidigungs-, gesellschafts- und migrationspolitisch. Nicht nur die extreme Rechte fühlt sich vom Trump-Sieg (und in Quebec insbesondere vom Front National) ermutigt. Sondern auch Teile der Conservative Party um Ex-Premier Harper.

      Und schließlich: Es braucht ja keine Massenstimmung in der "kanadischen Debatte", um solche Taten auszulösen. Breivik hatte entgegen der norwegischen Mehrheitsstimmung auch nur Internetdiskurse und ein paar international beachtete Paranoia-Treiber wie Sarrazin gebraucht, um zur Tat zu schreiten...

    • @Tim Schweizer:

      doch, sie haben großen Einfluss. In Kanada wie auch hier in Europa, wo jede Menge rechter Spinner Trumps Erfolge für ihre "Bewegung" zu instrumentalisieren versuchen, siehe z.B. Petry, LePen und Wilders in Koblenz oder der abgewählte kanadische Premier, der hofft, die "französischesprachigen Weicheier von gestandenen (weißen?) Kanadiern wegzuspülen", nur weil es in den USA so wunderbar geklappt hat...

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Da genügt offenbar Einer, um die Zivilgesellschaft zu destabilisieren.

    Jetzt braucht der Eine mehr Gegenwind denn je, nachdem der schon nach gut einer Woche die halbe Welt aus den Angeln zu heben droht.