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Kommentar von Jean-Philipp Baecküber Handy-HilfssheriffsBesorgniserregender Schnüffel-Schwarm

Wo Fotos nützen, ist man Hilfssheriff, wo sie nerven, ein böser Gaffer?

Über ein Online-Portal sollen Bürger künftig private Handy-Fotos an die Polizei schicken – potentiell zu Beweiszwecken. Das ist der Plan des niedersächsischen Innenministers und dieser Plan ist besorgniserregend. Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich in einer solchen Kultur dezentraler Überwachung leben wollen.

Zwar wäre so ein neues Polizei-Instrument rechtlich wohl nicht problematisch, weshalb auch Niedersachsens Datenschützer keine Bedenken haben. Auch früher schon sammelte die Polizei von Zeugen Fotos ein. Neu ist die Systematik, die von einer konkreten Ermittlung absieht und Bürger anstiftet, im Zweifel anlasslos ihre Videos und Fotos mit der Polizei zu teilen.

Wer nun ohnehin meint, Polizei und Justiz seien zu lasch, Grundrechte nur für Hippies und Privatsphäre für Volksverräter, der sieht darin kein Problem.

Wir anderen müssen uns Fragen, ob wir das wollen: Eine Videoüberwachung, die von unseren Nachbarn und Mitmenschen getragen wird. Schon heute geistern Tausende private Fotos und Videos durch die sozialen Netzwerke und kartografieren unser Leben. Was juristisch zu Recht stark begrenzt ist – die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes – erledigen wir dezentral über die Cloud. Ob Persönlichkeitsrechte anderer gewahrt bleiben? Vor Gericht zählt dann nur, dass der Täter bestraft wird.

Dabei preschte Niedersachsens Innenminister erst kürzlich mit einem neuen Anti-Gaffer-Gesetz hervor, was wohl gut gemeint ist, aber in Sachen Pressefreiheit, auf die sich doch jeder berufen können sollte, auch Fragen aufwirft. Die Verfügbarkeit von Smartphones werde zum Problem, hieß es da von Regierungsseite. Vor diesem Hintergrund aber wird es mit dem geplanten Schnüffel-Portal absurd: Wo Fotos nützen, ist man willkommener Hilfssheriff, wo sie nerven, ein böser Gaffer?

Wir sollten den Daten-Striptease, den wir täglich per Smartphone und auf Facebook freiwillig hinlegen, auf uns selbst beschränken und mit Handyvideos nicht noch zur Überwachung anderer beitragen.

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