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Debatte um Andrej Holm in BerlinVerweigert sich die SPD?

Die FDP will über die Causa Holm im Abgeordnetenhaus abstimmen lassen. Die große Frage ist: Wie verhält sich die SPD-Fraktion?

Wir über seine Zukunft heute im Abgeordnetenhaus entschieden? Foto: dpa

Berlin (dpa) | Vor der Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am Donnerstag hat FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja die anderen Parteien aufgefordert, im Fall des stasibelasteten Baustaatssekretärs Andrej Holm klar Farbe zu bekennen. Die Liberalen haben beantragt, dass das Parlament Holms Ernennung formal missbilligen soll. „Die anderen Fraktionen können nun ja oder nein dazu sagen“, sagte Czaja. „Alle Abgeordneten sollten hier klar Haltung zeigen.“

Dass das Parlament über den FDP-Antrag abstimmt, gilt indes als unwahrscheinlich. Denn die Koalitionsfraktionen von SPD, Linken und Grünen wollen ihn in den Innenausschuss des Parlaments zur weiteren Diskussion überweisen. „Diese Haltung ist charakterlos“, meinte Czaja. „Eine Debatte im Ausschuss bringt keinen Mehrwert.“

Nach Informationen der Welt (Donnerstag) kündigten in einer SPD-Fraktionssitzung am Dienstag vier Abgeordnete an, dem Missbilligungsantrag zustimmen zu wollen – sollte es zur Abstimmung kommen. Ein weiterer Parlamentarier behält sich diesen Schritt demnach vor. Keiner der 38 SPD-Abgeordneten habe Holm verteidigt, hieß es laut Zeitung nach übereinstimmenden Berichten von Teilnehmern.

46-jährige Stadtsoziologe Holm hatte eingeräumt, in einem Personalfragebogen der Humboldt-Universität 2005 falsche Angaben zu seiner hauptamtlichen Stasi-Tätigkeit in der Wendezeit gemacht zu haben. Er habe das aber nicht wissentlich getan. Am heutigen Donnerstag läuft eine Frist aus, in der Holm sich gegenüber seinem früheren Arbeitgeber erklären muss. Noch im Januar will die Uni dann entscheiden, ob sie personalrechtliche Schritte gegen Holm einleitet. Er war dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

Rot-Rot-Grün kam bei einem Treffen des Koalitionsausschusses im Dezember überein, das Votum der Uni abzuwarten und dann neu über die Personalie zu beraten. Sollte die Hochschule gegen Holm vorgehen, dürfte der parteilose Staatssekretär, der von der Linken nominiert wurde, kaum noch zu halten sein.

Holm war in der Wendezeit 1989/1990 als junger Mann für rund fünf Monate bei der Stasi, wo er unter anderem eine militärische Grundausbildung absolvierte. Dass er damals eine berufliche Laufbahn bei der Stasi anstrebte, hatte Holm schon 2007 publik gemacht. Heute argumentiert er, ihm sei erst durch den Einblick in seine Akten im Dezember bewusst geworden, dass er seinerzeit bereits hauptamtlicher Mitarbeiter war.

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4 Kommentare

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  • Nach der politischen Entlassung durch den damit beauftragten SPD-Hauptstadtbürgermeister:

     

    Keine Zusammenarbeit mit Lobbyisten und Miethaien!

     

    Nach der Entlassung von Holm durch den Berliner Bürgermeister auf Initiative durch den VS-BStU-Staatsschutz (- der Unterabteilung der BRD-Stasi) -im Interesse der Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienhaie- sollte Die Linke ihren Gehorsam gegenüber der Berliner SPD und den CDU-AfD-FDP-Lobbyisten beenden und ihre weitere Zusammenarbeit im Berliner Senat aufkündigen.

     

    Derzeit wäre eine starke außerparlamentarische und gesellschaftspolitische Aufklärungsarbeit und Zusammenarbeit mit der Linkspartei -auch im nachhaltigen Interesse der Berliner Mieter - wünschenswert.

     

    Klare Kante auch in der Berliner VS-Stasi-Republik – gegen Lobbyisten, Miethaie und Wohnungs-Spekulanten!

  • So ein Nonsens! Wie kann denn jemand eine "klar[e] Haltung" zeigen, wenn er gar keine Ahnung hat? Doch höchstens auf Grund seiner Vorurteile, oder?

     

    Noch verstehen würde ich, wenn die Liberalen Kritik an der bisherigen Arbeit Holms üben würden. (Ganz sicher fände sich ein Grund, denn wer entscheidet oder arbeitet, macht immer auch diverse Fehler.) Dass die FDP aber beantragt hat, das Parlament möge Holms Ernennung wegen seiner Stasi-Vergangenheit missbilligen – finde ich seltsam. Vor allem deswegen, weil sich die FDP an ihren zehn Fingern hat ausrechnen können, dass sie mit ihrer Forderung an der Parteiräson abprallen wird.

     

    Aber vielleicht wollte man ja nicht nur Andrej Holm beschädigen, sondern auch die Parteien, die sich vor den Kandidaten stellen (müssen). Dreie auf einen Streich, wenn man so will.

     

    Übrigens: Von "meiner" taz bin ich mal wieder echt enttäuscht. Die eigentliche (Hintergrund-)Information kommt mir mal wieder viel zu kurz, das ganze blöde Drumherum wird zu sehr ausgewalzt. Ich möchte wissen: Wie kann denn jemand die Frage nach einer hauptamtlichen Stasi-Tätigkei "nicht wissentlich" falsch beantworten?

     

    Ich meine: Wenn man mich fragt: "Warst Du jemals hauptamtlich für die Stasi tätig?", hab ich genau zwei Möglichkeiten, oder? "Ja", kann ich sagen, oder "Nein" Hat Holm noch 2005 "Nein" gesagt, schon 2007 aber "Ja"? Wenn ja, wieso hat dann die Uni nicht schon 2007 protestiert? Hatte die Uni in ihrer Frage ein konkretes Datum stehen? Eins, das in die 5 Monate fällt, in denen Holm Stasi-Mitarbeiter war? Ich bin gespannt, wie Holm sich rausredet. Die taz wird hoffentlich berichten.

     

    Übrigens: Die Humboldt-Uni war auch zwischen 1809 und 1990 schon systemnah, oder? Wenn sich also die Uni ihre Freiheit nimmt, ihre Vergangenheit so spät bzw. gar nicht zu bearbeiten, wieso erlaubt sie es dann Andrej Holm nicht auch? Das würde doch ganz prima passen: die Spätzünder-Institution und der Spätzünder-Mitarbeiter...

  • Hallo,

    bei 25 Staatssekretären kann man in Berlin auf diesen Mann nicht verzichten? In Bayern reichen 5 Staatssekretäre.

    Es grüßt Euch alle

    Z.M.

    • @zacki:

      Neben den 5 parlamentarischen Staatssekretären in Bayern, die Mitglied der Landesregierung sind, gibt es insbesondere in Baden-Württemberg und Bayern aber auch noch zahlreiche politische Staatssekretäre, die dem Landtag nicht angehören. Das sind ranghöchste Beamte der Ministerien, die gewöhnlich als Ministerialdirektoren oder Ministerialdirigenten bezeichnet werden. In Zeiten offen erklärter Monarchie, hießen die noch Staatsräte.