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Koalitionskrise in BerlinAlle vier Wochen zur Therapie

Es war ernster als gedacht. Doch nun ist Trennung kein Thema mehr. SPD, Linke und Grüne wollen sich nach dem Rücktritt von Andrej Holm besser verstehen.

Das nächste Mal früher zum Hörer greifen. Rot-Rot-Grün gelobt Besserung Foto: dpa

Nein, sie standen nicht im Kreis. Und angefasst haben sie sich auch nicht. Kein Ringelpiez also und auch kein reinigendes Kundalini-Yoga. Als die Landesvorsitzenden von SPD, Linken und Grünen – Michael Müller, Katina Schubert und Nina Stahr – am Mittwoch vor die Presse traten, war den Koalitionären die Anspannung anzumerken. Während Michael Müller eine „gute, offene und kritische Aussprache“ lobte, sprach Katina Schubert von einer „ernsthaften Situation“.

Bereits zum zweiten Mal waren die Spitzen des rot-rot-grünen Bündnisses zu einem Ko­alitionsausschuss zusammengekommen, und beide Male ging es um Andrej Holm – erst um die Folgen seiner Berufung, nun um die seines von der SPD erzwungenen Rücktritts.

Noch am Wochenende war unklar gewesen, ob die rot-rot-grüne Liaison hält: Linken-Kultursenator Klaus Lederer hatte gesagt, seine Partei stehe nun vor der Wahl zwischen Andrej Holm und Rot-Rot-Grün. Etwas diplomatischer hatten es die linken Fraktionsvorsitzenden Carola Bluhm und Udo Wolf sowie Landeschefin Schubert formuliert: „Wir werden jetzt beraten müssen, ob und, wenn ja, wie wir zu einer Arbeitsweise kommen, die auf den Prinzipien von Augenhöhe und Gleichberechtigung beruht.“

Von einer Trennung spricht nach dem neuerlichen Krisentreffen niemand mehr. Umso mehr ist von guten Vorsätzen die Rede. „Wir wollen besser miteinander kommunizieren“ und „frühzeitiger und sensibler konfliktträchtige Themen besprechen“, versicherte SPD-Landes­chef und Regierender Michael Müller. Grünen-Chefin Stahr betonte die Herausforderungen, die ein Bündnis mit drei Partnern mit sich bringe. Und Ka­tina Schubert brachte es auf den Punkt: „Wir müssen aufhören, zu interpretieren, was der andere meinen könnte, sondern fragen, was er meint.“

Über den Verlauf des dreistündigen Gesprächs haben alle drei Partner Stillschweigen vereinbart. Allerdings muss die Runde, bei der auch die Frak­tions­vorsitzenden sowie Klaus Lederer dabei waren, sehr intensiv gewesen sein. Immerhin hatte der Regierende Bürgermeister einen auf 12 Uhr angesetzten Termin bei der Fashion Week kurzfristig abgesagt.

Wichtigstes Ergebnis des Krisentreffens: Rot-Rot-Grün will sich nun alle vier Wochen zum Koalitionsausschuss treffen. In der Zwischenzeit solle endlich begonnen werden, das 100-Tage-Programm umzusetzen, so die Grünen-Chefin.

Während die Linke sich nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen Baustaatssekretär Andrej Holm umsehen muss, kann die SPD am Wochenende in Gruppentherapie gehen. Auf der Fraktionsklausur in Erfurt wird sich zeigen, ob sich nicht nur die drei Partner von R2G wieder vertragen, sondern auch Michael Müller und sein Dauerkonkurrent, SPD-Fraktionschef Raed Saleh.

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2 Kommentare

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  • Einfach sich von den politischen Geisterfahrern wie DIE LINKEN und DIE GRÜNEN trennen. Berlin braucht weder eine extreme politisch Ostalgie (denn eine Art DDR 2 wollen wir nicht), noch brauch sie eine politische Kraft die dem Kredo folgt: "Deutschland verrecke". Lasst R-R-G einfach Geschichte sein, damit wieder eine fortschrittliche Führung in Berlin stattfinden kann (ohne dunkelrot und grün). Ohne Ex-Stasis und Ex-SED-Mitgleidern....

  • Ärgerlich, dass die Linke eingeknickt ist. Nach dieser Hexenjagd wäre es geboten gewesen, die Koalition zu verlassen. Berlin hätte es überlebt, Müller nicht.