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Kommentar EU-ParlamentspräsidentIronie der Geschichte

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Zum ersten Mal seit Jahren stand nicht fest, wer gewinnen würde. Mit Antonio Tajani ist das EU-Parlament über Nacht nach rechts gerückt.

Antonio Tajani hat sich nie aus dem Schatten seines Ziehvaters Berlusconi gelöst Foto: reuters

I n Deutschland wird Martin Schulz für seine Arbeit im Europaparlament gefeiert. Auf EU-Ebene sieht das etwas anders aus. Schulz führte die Straßburger Kammer wie ein Alleinunterhalter und kungelte wichtige Entscheidungen im Hinterzimmer aus. Das war nicht gut für die Demokratie.

Insofern ist es ein Fortschritt, dass bei der Wahl seines Nachfolgers frei abgestimmt werden konnte. Die Große Koalition, die Schulz mit den Konservativen vereinbart hatte, ist zerbrochen. Zum ersten Mal seit Jahren stand nicht von vornherein fest, wer gewinnt.

Chaos ist deshalb nicht ausgebrochen, auch wenn sich einige Fraktionen mit der neuen Freiheit schwertun. Die Konservativen schickten mit dem Berlusconi-Buddy Antonio Tajani den denkbar schlechtesten Kandidaten ins Rennen. Die Liberalen flirteten mit der Fünf-Sterne-Bewegung des italienischen Komikers Beppe Grillo.

Dass sich beide Fraktionen nun zu einer neuen „proeuropäischen“ Koalition zusammengetan haben, klingt vor diesem Hintergrund wie ein schlechter Witz. Das Europaparlament ist über Nacht nach rechts gerückt, statt sich wie angekündigt klar von Nationalisten und Populisten abzugrenzen.

Der Neue

Der ehemalige EU-Industriekommissar Antonio Tajani ist Nachfolger von Martin Schulz als Präsident des Europäischen Parlaments. Der 63-jährige Italiener habe mit 351 Stimmen die erforderliche Mehrheit vor dem Sozialdemokraten Gianni Pittella erreicht, sagte Schulz am Dienstag nach dem vierten Wahlgang in Straßburg. Tajani wurde von der größten Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) aufgestellt, zu der auch CDU und CSU gehören. Er ist Mitglied der Partei Forza Italia des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Kritiker werfen ihm eine zu große Nähe zu Berlusconi sowie eine zu nachgiebige Rolle gegenüber europäischen Autokonzernen im Abgasskandal während seiner Zeit als EU-Kommissar vor. (rtr)

Sozialdemokraten, Grüne und Linke hatten der Wahl Tajanis am Dienstag nicht mehr viel entgegenzusetzen. Dass er die meisten Stimmen erhielt, ist eine Ironie der Geschichte. Schulz erwarb sich seinen guten Ruf, weil er gegen Berlusconi aufbegehrte. Tajani hat sich dagegen nie aus dem Schatten seines Ziehvaters gelöst.

Mit Tajani rückte zudem der dritte Konservative an die Spitze der EU – nach Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk. Mehr als die Hälfte der Wähler wird von diesen drei EU-Chefs nicht mehr politisch repräsentiert. Das zeigt, dass die europäische Demokratie immer noch nicht richtig funktioniert – trotz der freien Wahl in Straßburg.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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3 Kommentare

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  • Dämliche Überschrift, die man so eher beim Spiegel erwarten würde: Das EU-Parlament ist nicht nach rechts gerückt. Oder hat sich die Zusammensetzung des Parlemants heute Nacht geändert und nur ich habe das nicht mitbekommen?

    • 8G
      87233 (Profil gelöscht)
      @Eichet:

      Danke Eichet. So ist es.

       

      Man oh Man TAZ. Wa soll das?

  • Die Auswüchse und Anmaßungen von Herrn Schulz sind auch in Deutschland zur Kenntnis genommen und kritisiert worden. Bleibt zu hoffen, dass sich der neue Parlamentspräsident auf die ihm mit dem Amt zugewiesenen (im wesentlichen repräsentativen) Aufgaben beschränkt. Ein weiterer "Hansdampf in allen Gassen" wäre für Europa schädlich. Die EU-Sozialisten haben jetzt natürlich das Problem, dass ihnen eine Galionsfigur fehlt. Äußerst fraglich, ob bis zur kommenden EU-Wahl ein neues Gesicht aufgebaut werden kann.