piwik no script img

Bedrohte Häuser in Berlin-Kreuzberg„Ihr kriegt uns hier nicht raus“

In einem zum Verkauf stehenden Häuserkomplex ballen sich linke Institutionen. Die Ressourcen zum Widerstand gegen die Verdrängung sind groß.

Spontan zum Protestfoto: BewonerInnen und Nutzerinnen der Lausitzerstraße 10/11 Foto: Wolgang Borrs

Berlin taz | Im Kreuzberger Häuserkampf bahnt sich der nächste Akt an, womöglich ein entscheidender für die weitere Entwicklung des Bezirks. Die Akteure der Aufführung stehen bereit: eine Immobilienfirma, die zwei Häuser abstoßen will – mit einem Preisaufschlag von 600 Prozent; Makler und Investoren, die durch die Höfe schleichen und sich gedanklich die geplanten Luxuslofts ausmalen; die Bewohner- und Nutzerschaft, von denen viele in links-alternativen Strukturen verwurzelt und zum Widerstand bereit sind.

Das Konfliktpotential zeichnet sich schon in der Toreinfahrt des Gewerbegebäudes in der Lausitzer Straße 10 ab. Der Gang ist von Protestplakaten und Stickern übersät, ein Sammelsurium aus Schildern verweist auf die Mieter, darunter das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) oder die linke Dokumentarfilmproduktion Autofocus Videowerkstatt. Hinzu kommen das Aktivistennetzwerk Peng-Kollektiv, die Videofilmer von Leftvision, sowie Medienmacher, Künstler, Politaktivisten in großen Bürogemeinschaften. Das widerständige Kreuzberg – hier hat es noch ein Zuhause.

Doch das Biotop, das sich über fünf Hinterhöfe erstreckt, zwei davon hinter dem ebenfalls betroffenen Wohnhaus in der Nummer 11, könnte bald Geschichte sein. Die Mietverträge nahezu aller Initiativen laufen in diesem Jahr aus oder sind kurzfristig kündbar. Für die dänische Besitzerfirma Taekker ein gutes Verkaufsargument.

Vor zehn Jahren erwarb sie die einst bezirkseigenen Häuser für etwa drei Millionen Euro vom landeseigenen Liegenschaftsfonds. Laut einem der taz vorliegenden Exposé des Maklerbüros Engel & Völkers wird für die ehemalige Glasfabrik nun ein Preis von 18 Millionen Euro veranschlagt, noch einmal fast anderthalb Millionen für das unsanierte Mietshaus mit sechs Wohnungen.

Spontaner Protest

Zwei Stunden vorm großen Haus-Plenum am Dienstagabend wird es laut im Hofdurchgang. „Lause bleibt“ schallt es auf die Straße hinaus. Zum spontanen Fototermin sind mehr als 40 Leute mit Plakaten gegen Zwangsräumungen und dem passenden Transparent gekommen. Auf einem Schild steht auf türkisch: „Fass' mich nicht an“.

Einer der lautesten ist Hermann vom „Umbruch Bildarchiv“. Der Mann mit den markanten grauen Locken ist zuversichtlich: „Wir können einen Punkt für Kreuzberg setzen, anderen bedrohten Projekten Mut machen.“ Wie viele hier, versteht er sich als Aktivist und will seinen Nachnamen nicht nennen. Stattdessen erzählt er gern davon, mit welchen Strategien die Autonomen in den 1980er Jahren erfolgreich waren. Bei ihrem Treffen am Abend beschließen die Betroffenen die Gründung von AGs für Presse, Kampagne oder Politikkontakte. Auch zum Verein wollen sie sich zusammenschließen.

Wir können einen Punkt für Kreuzberg setzen

Hermann, Umbruch-Bildarchiv

Durch ein zufällig belauschtes Gespräch eines Maklers mit einem Interessenten hatten die Nutzer Anfang Dezember von den Verkaufsabsichten erfahren. Dabei sei es um die „Sexiness“ Kreuzbergs und realisierbare Quadratmeterpreise von 7.500 Euro gegangen, wie Malte erzählt. Der Videograf treibt die Kampagne mit voran. ­Zusammen mit anderen Aktivisten sitzt er in der vierten Etage von Aufgang B, im Büro von Autofocus, hinter ihm ein wandfüllendes Regal mit Videokassetten.

Nicht einer, sondern 150

Der Weg nach oben (der Fahrstuhl ist seit Langem defekt) ist mit Bildern einer Zwangsräumung aus der Lausitzer Straße 8 geschmückt – eine Ansage an den Eigentümer. Vor vier Jahren brauchte es 800 Polizisten, um Ali Gülbol aus seiner Wohnung zu räumen. Diesmal sind etwa 150 Personen betroffen. Als Vertreter von Taekker dem apabiz einen Besuch abstatteten, machten sie „große Augen“, wie Malte sagt. Auch Kaufinteressenten sei offensiv begegnet worden. „Ihr kriegt uns hier nicht raus“, zischte es durch die Flure, der Rauchhaussong schallte über den Hof: „Das ist unser Haus.“

Den Fokus legen die Nutzer und Mieter auf die Verhinderung des Verkaufs; ein Kauf durch sie selbst scheint angesichts des Spekulationspreises unrealistisch. Die Umwidmung der Gewerbe- in Wohneinheiten musste vom Bezirk genehmigt werden und soll bereits 2013 im Grundbuch vollzogen worden sein.

Florian Schmidt, neuer grüner Baustadtrat des Bezirks, kündigt der taz dennoch an, alle Instrumente, die die ­Milieuschutzsatzung bietet, zu prüfen und das Gespräch mit Taekker zu suchen. „Das Ziel ist es den Standort zu sichern. Wir wollen die Kreuzberger Mischung erhalten“, so Schmidt, der sich an diesem Freitag mit den Hausaktivisten trifft.

Von Taekker ist derweil zu hören, wie viel Arbeit das denkmalgeschützte Haus mit seiner uralten Dampfheizung mache. Geschäftsleiterin Lene Mortensen will keine offensiven Verkaufsabsichten bestätigen, sagt jedoch: „Wir müssen überlegen, wie kommen wir mit diesem Gebäude weiter.“ Das Unternehmen hat bereits Dutzende Häuser in Kreuzberg verkauft bzw. Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Mortensen sagt aber auch: „Es gibt Mieter, die politisch wertvolle Arbeit leisten.“ Dieser Unterschied zwischen Kommunikation und Handeln, regt die Aktivisten besonders auf. Malte ist sich sicher: „Die Lause ist ein Investitionsgrab.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • "Vor zehn Jahren erwarb sie die einst bezirkseigenen Häuser für etwa drei Millionen Euro vom landeseigenen Liegenschaftsfonds. Laut einem der taz vorliegenden Exposé des Maklerbüros Engel & Völkers wird für die ehemalige Glasfabrik nun ein Preis von 18 Millionen Euro veranschlagt, noch einmal fast anderthalb Millionen für das unsanierte Mietshaus mit sechs Wohnungen."Zitat

     

    Die einst bezirkseigenen Häuser.

    Da liegt der Hund begraben.Vieles an der unsäglichen Gentrifizierung ist selbstverschuldet und verschwendet obendrein.

    Ein großes Dankeschön den Verantwortlichen.

    • @Markus Müller:

      Vor zehn Jahren regierten SPD und Linke. Heute klopfen sie große Sprüche von wegen böser Eigentümer, die die Gentrifizierung vorantreiben. Damals haben sie Kohle gemacht. Wie verlogen ist das denn?

  • Schon komisch mit welchem Selbstverständnis Berliner Berufslinke glauben, sie könnten ihre Hobbies und politschen Interessen auf Kosten der Eigentümer weiter pflegen. Offenbar ist der Gedanke, dass Grundeigentum nicht Gemeinsache ist noch nicht angekommen. Vielleicht sollten diese so superwichtigen, kulturimmanten Projekte einfach mal von Familien mit Kindern besetzt werden, dann würde sich dieser Egoismus schnell relativieren.

    • @Frank Stippel:

      Der Eigentümer Taekker hat in den letzten zehn Jahren nichts in diese Häuser investiert, aber immer schön Miete kassiert und will nun mit einer Preissteigerung von 600% verkaufen. Damit treibt er die Verdrängung von Mietern (Wohnen und Gewerbe) in Kreuzberg weiter voran.

       

      Ich dachte immer Eigentum verpflichtet... Wenn Grundeigentum Privatsache ist, dann soll sich Herr Taekker aber nicht zum modernen, grünen und gerechten Robin Hood aufspielen, wie er es in der Öffentlichkeit in Dänemark ja immer wieder gerne tut...Die Ansage, dass man aus den beiden Häusern ca. 25 Luxusapartments machen könnte, steht im Raum. Dann ist es mit der früheren Kreuzberger/ Berliner Mischung aber vorbei und dutzende Gewerbe, Werkstätten, Bildungsprojekte stehen auf der Straße. Das bunte, günstige, kreative und aktive war doch immer was Kreuzberg und Berlin als ganzes von anderen Städten in Deutschland und Hauptstädten in der Welt unterschieden hat. Ist es das Kreuzberg und Berlin was wir wollen? Teuer, uniform und langweilig?

    • @Frank Stippel:

      Sie meinen sicher Familien mit Kindern und reichlich Einkommen. Hartz4-Familien können ja in die Ghettos ziehen? Ihre Rechthaberei hat wohl den Blick auf die Realitäten etwas verschleiert...