Flatrates und Förderung

OnlineJournalismus Der Konkurs der Zeitungsverlage ist nur abzuwenden, wenn sie Flatrates anbieten – und der Staat aufwendige Texte subventioniert

Sängerlaub & Zeiher

Foto: Me ChuthaiFoto: Me Chuthai

Alexander Sän­ger­laub ist freier Journalist sowie Gründer und Chefredakteur des utopischen Politikmagazins Kater Demos.

Christoph Zeiher ist freier Journalist in Berlin. Er arbeitet für Euractiv, dpa und Zeit Online. Er ist stellvertretender Chefredakteur von Kater Demos.

von Alexander Sängerlaub
und Christoph Zeiher

Eingekapselt – im wahrsten Sinne des Wortes – präsentiert sich die Webseite der Süddeutschen Zeitung. Kaffeekapseln, noch dazu jene, die tonnenweise Müll produzieren, blinken auf allen vier Seiten der Nachrichtenseite auf und ab. Zumindest, wenn man den Adblocker abschaltet, wozu einen die Seite neuerdings zwingt. Ist das die Lösung im Zeitalter von Fake News, Medienkrise und Populismus, sich seine Informationen zwischen Kaffeekapseln zusammenzusammeln?

Journalismus muss sich irgendwie finanzieren, aber die Leser zu zwingen, sich Kaffeekapseln und anderen Kokolores anzugucken, ist ein überholtes Modell des letzten Jahrhunderts. Die ersten Netznachrichtenseiten sind inzwischen über 20 Jahre alt; von „Neuland“ kann man da nur noch bedingt sprechen. Informationen kostenlos ins Netz zu stellen ist somit entweder ökonomischer Wahnsinn (Onlinenachrichtenseiten) oder wahre Philanthropie (Wikipedia). Beides muss man sich leisten können.

Gewinne machen nur die Großen

Auch wenn mit Spiegel Online, Bild.de oder Zeit Online einige Dickschiffe des Onlinejournalismus keine roten Zahlen mehr schreiben, bleibt die finanzielle Situation der Verlage kritisch. Und jenseits der Top10-Medienseiten ist ohnehin kein Gewinn zu machen. Woran aber liegt das?

Die Zeitungen haben das Internet nicht verschlafen, wie es oft heißt. Nein, in den großen Verlagen hat man die Entwicklung der vergangenen Jahre anfangs bewusst an sich vorbeiziehen lassen. Ganz nach dem Motto: Radio und Fernsehen haben uns nicht geschadet, dann kann uns das Internet auch nichts anhaben. Also stellten die Zeitungen ihre Inhalte ins Netz. Werbe- und Kleinanzeigenkunden werde ihnen das Internet schon nicht streitig machen, dachten sie sich. Von den gigantischen Etats, die heute in völlig andere Werbeformen wie etwa die sozialen Medien gesteckt werden, konnte man ohnehin noch nichts ahnen. Selten hat man mehr danebengelegen.

Doch jammern hilft nichts. Lösungen müssen her. Uns fallen gleich zwei ein. Vorschlag Nummer eins ist die Erweiterung des öffentlich-rechtlichen Modells. Denn guter Journalismus erfüllt eine zentrale Aufgabe in einer Demokratie, weshalb die Gesellschaft ihn auch finanzieren sollte. Eine neue Erkenntnis ist das nicht, sondern vielmehr der Kerngedanke des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zeitungen wurden nach 1945 bewusst vom öffentlich-rechtlichen System ausgespart. Damals schrieb man dem Rundfunk einen größeren Einfluss zu als dem Printjournalismus, was aber kein stichhaltiger Grund ist, um nicht auch Zeitungen öffentlich zu fördern.

Es müssen ja nicht gleich komplett öffentlich-rechtliche Onlinezeitungen sein. Eine „kleine“ Anpassung könnte schon genügen. Derzeit unternehmen ARD und ZDF mit ihrem Jugendkanal „funk“ ziemlich hilflose Gehversuche im Internet. Die Zielgruppe liegt irgendwo zwischen Kika und ZDF­neo, die Qualität aber weit darunter. Abgesehen von wenigen klugen Formaten sind die Shows im Grunde unzumutbar. Rund 40 Millionen Euro stecken die Sendeanstalten jährlich in die YouTube-Imitation. Geld, das genauso gut in einen öffentlich-rechtlichen Fördertopf fließen könnte. Der Bürger müsste nicht mehr zahlen als bisher, gleichzeitig ließen sich aber langfristige Recherchevorhaben, aufwendige Reportagereisen oder technische Investitionen finanzieren. Dass dem deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Abstand das meiste Geld in Europa zur Verfügung steht und er dennoch mit seinen über 15 Fernsehprogrammen vor allem Rentner unterhält – diese Tatsache sparen wir hier aus. Nur so viel: Geld ist im Überfluss vorhanden; es muss nur an den richtigen Stellen eingesetzt werden.

Ein Teil des Geldtopfes könnte den Verlagen zur Verfügung stehen, ein anderer Teil könnte von freien Journalisten beantragt werden. Die Logik folgt dem Prinzip der staatlichen Filmförderung. Diese wird zwar oft, heftig und auch mit Recht kritisiert. Allerdings ermöglicht sie das Überleben eines Wirtschaftszweigs, den wir als gesellschaftlich relevant betrachten.

Flatrates hätten Marx begeistert

Die zweite Idee: Es rentiert sich, von jenen Branchen zu lernen, die schon weiter sind. Die Musik- und Filmindustrie hatte anfangs ebenfalls mit den neuen Gegebenheiten im Netz zu kämpfen. Sie stellte zwar nicht ihr Angebot kostenlos ins Internet, aber Piraterie-Portale wie Napster oder Kinox machten ihr das Leben schwer. Heute haben allein Netflix und Spotify zusammen fast 120 Millionen zahlende Nutzer. Gerade im Musikbereich ist damit die Kulturflatrate wahr geworden: Statt zu besitzen, streamen wir heute. Karl Marx hätte seine Freude. Warum sollte dieses Modell nicht auch im Journalismus funktionieren, wenn man von der Hybris und Unfähigkeit zur Zusammenarbeit der Verlage absieht?

Ohnehin lesen wir heute schon quer durchs Angebot. Mal ein bisschen taz.de hier und sueddeutsche.de da und gerne auch eine Sendung „Tagesthemen“ aus der Mediathek. Und wenn man wissen will, was der konservative Teil des Landes so denkt, durchaus auch faz.net. Für ein Portal, das tagesaktuelle Informationen liefert und werbefrei das Best-of der anderen Onlinemedien zusammenträgt, würden sich bestimmt Kunden finden, die 9,99 Euro im Monat zahlen. Zumal sie sich nicht für das singuläre Angebot eines Mediums entscheiden müssten. Einen ersten Ansatz liefert das Onlineportal Blendle. Hier lassen sich einzelne Artikel aus verschiedensten Medien kaufen. Als tagesaktuelles Informationsportal taugt es jedoch nicht, und eine Flatrate gibt es auch nicht. Man zahlt, was man liest.

Zumindest ist klar: Die Gratiskultur beim Onlinekonsum von Nachrichten lässt sich nicht revidieren. Hochwertige Geschichten und Reportagen hinter Paywalls zu verstecken wäre zwar nachvollziehbar, funktioniert allerdings nur, wenn es „alle“ tun. Sollten die etablierten Verlage aber tatsächlich Mauern bauen, würden sie trotzdem verlieren: Sie würden wohl kaum jene Leser zurückgewinnen, die heute „Lügenpresse“ schreien.