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Jakob Augstein über Jürgen Todenhöfer„Er ist kein Journalist“

Der umstrittene Publizist Jürgen Todenhöfer wird Herausgeber der Wochenzeitung „Freitag“. Er begreife das als Experiment, sagt Verleger Jakob Augstein.

Sitzt gerne in Talkshows: Jürgen Todenhöfer bei „Menschen bei Maischberger“ im vergangenen Jahr Foto: imago/Eibner
Anne Fromm
Interview von Anne Fromm

taz: Herr Augstein, Sie haben Jürgen Todenhöfer zum Herausgeber des „Freitag“ berufen. Warum?

Jakob Augstein: Ich kenne Jürgen Todenhöfer schon lange und finde, dass er eine sehr ungewöhnliche Figur ist: ein unabhängiger Kopf, kontrovers und deswegen passt er zu uns. Wir sind nicht in allem einer Meinung, aber mir war wichtig: Er ist kein Mainstreampublizist und der Freitag ist kein Mainstream-Medium.

In welchen Punkten stimmen sie überein?

Er ist einer der schärfsten Kriegskritiker. Ich halte ihn für einen Pazifisten. Er glaubt, dass es keine guten und keine bösen Kriege, keine guten Bomben und keine bösen Bomben gibt – darin sind wir uns einig. Ihn zeichnet seine hohe Glaubwürdigkeit aus, er weiß wovon er spricht, wenn er vom Krieg berichtet. Er war dort.

In vielen Kreisen hat er keine Glaubwürdigkeit. Zuletzt stand er in der Kritik, weil er ein Interview mit einem vermeintlichen Al-Nusra-Mitglied geführt hat, das eventuell gar keins war.

Ich fand die Kritik an dem Interview nicht überzeugend. Ich kann das nicht beurteilen, verlasse mich aber auf sein Wort.

imago/Sven Simon
Im Interview: Jakob Augstein

49, ist seit 2008 Verleger und seit 2013 Chefredakteur der Wochenzeitung "Der Freitag". Als Erbe von Rudolf Augstein hält er Minderheiten-Anteile am "Spiegel"

Ihm wird auch eine zu große Nähe zu Assad vorgeworfen: Er soll guten Kontakt zu Assad-Vertrauten haben, 2012 hat er den syrischen Diktator interviewt und kaum kritische Fragen gestellt.

Ich fand das Interview nicht unkritisch. Interessant ist doch, dass, wann immer es um Todenhöfer geht, dieses Assad-Interview rausgeholt wird. Und wenn sie diesen Maßstab – zu große Nähe zwischen Interviewpartner und Interviewtem anlegen –, dann dünnen sich die Reihen der guten Journalisten schnell aus. Ich glaube, viele Leute stören sich an seinen Meinungen und an seiner Kritik an der militärisch gestützten Außenpolitik der USA. Das wollen viele Leute nicht hören und kritisieren deswegen sein journalistisches Handwerk. Übrigens: Todenhöfer ist kein Journalist. Das muss er als Freitag-Herausgeber auch nicht sein.

In den sozialen Netzwerken haben einige Leute die Nachricht kommentiert mit: „Augstein und Todenhöfer, das passt ja gut zusammen.“ Können Sie sich vorstellen, was damit gemeint ist?

Das ist ein Zitat von bild.de-Chef Julian Reichelt. Zitiert die taz jetzt die Bild?

Das kommt nicht nur von Reichelt, sondern von vielen Twitterern.

Okay, ich weiß aber nicht, was es bedeuten soll.

Ihnen ist auch schon Antisemitismus vorgeworfen worden.

Ich habe keinen Hinweis darauf, dass Todenhöfer Antisemit ist. Er lehnt die israelische Siedlungspolitik ab, das tue ich auch. Aber das ist doch noch nicht antisemitisch.

Um bei Todenhöfer zu bleiben: Er hat zum Beispiel auf Facebook Xavier Naidoo promoted und dessen Lied „Nie mehr Krieg“, in dem er singt, Muslime trügen heute den Judenstern. Finden Sie das nicht antisemitisch?

Ich finde die Formulierung unsäglich. Richtig ist, dass es in Deutschland und Europa eine gefährliche Muslimfeindlichkeit gibt. Abgesehen davon muss ich nicht alles gut finden, was Todenhöfer macht. Sie fragen doch auch nicht Giovanni di Lorenzo, ob er alles mitträgt, was Helmut Schmidt in einem langen Politikerleben gesagt hat.

Der „Spiegel“, dessen Gesellschafter sie sind, hatte dieses Jahr einen Rechtsstreit mit Todenhöfer, der im Vergleich endete. Der „Spiegel“ hat den Artikel, in dem Zweifel an Todenhöfers Recherchen zu seinem aktuellen Buch „Inside IS“ erhoben werden, aus dem Netz gelöscht. Hat diese Auseinandersetzung etwas mit ihrer Entscheidung zu tun?

Nein. Ich habe von dem Rechtsstreit auch erst spät erfahren. Als Minderheitengesellschafter bin ich von so etwas zu weit weg. Wenn der Spiegel Recht gehabt hätte, hätte ich Todenhöfer nicht zum Herausgeber gemacht. Hat er aber nicht.

Welche Befugnisse wird Todenhöfer als Herausgeber haben?

Er berät die Chefredaktion und darf in die Konferenzen kommen.

Das ist nicht viel. Wozu brauchen Sie ihn dann?

Ich finde es paradox, dass jemand wie Todenhöfer – 76 Jahre alt, Politiker unter Kohl gewesen – so eine riesige Fangemeinde im Internet hat. Er ist einer der wenigen, vielleicht neben Sascha Lobo der einzige, völlig unabhängige Publizist, mit so einer Internet-Präsenz. Das zeigt doch, dass den klassischen Journalisten die Deutungshoheit entrissen wird und Todenhöfer verstanden zu haben scheint, wie er darauf reagieren kann. Seine Benennung ist für uns auch ein Experiment auf der Suche nach der Zukunft des Journalismus.

Knapp 700.000 Fans hat er bei Facebook. Erhoffen Sie sich auch, unter denen neue Leser zu gewinnen?

Natürlich. Dem Freitag geht es zwar gut, wir wachsen. Trotzdem ist Todenhöfer für uns ein Gewinn.

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27 Kommentare

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  • Im Netz wird der "Freitag" ja auch als "Freitagsgebet" verspottet und da passt so ein Todenhöfer doch super rein. *lach*

  • Wer behauptet, dass Jürgen Todenhöfer kein Journalist ist, hat keine Ahnung vom Journalismus.

    Die Kommentatoren, die das Interview von Augstein bespötteln und ihn sogar einen "Antisemiten" nennen, machen genau dasselbe, was unkritische , mit Vorurteilen angefüllte Menschen über andere ausschütten. Das schlägt hinterher auf sie selbst zurück. Ich halte mich nicht für objektiv, auch nicht für die immer gleichen Meinungsäußerungen. Sie verändern sich, wenn sich neue Tatsachen zeigen. So wie dir Schreckens - Ziele von Trump, Putin & Co.

    Die beste Erkenntnis über Zusammenhänge sammeln tatsächlich die Menschen, die mit allen gesellschaftlichen Schichten - oben und unten - diskutieren und dabei auch sprachliche Hürden überwinden können. Meine Methode war immer der persönliche Kontakt, auch zu prominenten Politikern, wie Helmut Schmidt.

    Ich kenne sogar den Publizisten Jürgen Todenhöfer, als er vor dem Angriffs-Krieg der USA mit seinem Sohn im Irak war und mit zahlreichen dort lebenden Menschen gesprochen hatte. Auf einer Podiums-Diskussion in Tübingen warnte er vor dem Krieg, den George W. Bush jr. gegen Saddam Hussein vorbereitete. Dort habe ich auch Fragen an ihn gestellt, die er für mich überzeugend beantwortet hat. Er sagte nämlich, dass _j_e_d_e_r_ Krieg entsetzlich viele Todesopfer fordert.

    Daher will er die Verständigung, damit solcher Horror gar nicht entsteht, wie er sich heute nach über 20 Jahren zeigt.

  • Mit dem neuen Herausgeber kommt der "Freitag" immerhin mal in die Schlagzeilen - und evtl. wenigstens mit einer Ausgabe aus dem Defizit, das Herr Augstein aus seinem Erbe trägt.

    Oder setzt sich Herr Augstein ab, um den Niedergang nicht sich selbst zuschreiben zu müssen?

  • Wenn man sich anschaut, was die Beiden verbindet, stellt man schnell fest, dass es die Dinge sind, die uns Deutsche schon seit Jahrhunderten bewegt haben, gelle....

  • Es wächst zusammen, was zusammen gehört.

  • Regieren im Namen der panarabischen Identität,

    passend zum Friedenswinter oder Winter des Friedens,

    passend zur Friedhofsruhe in Tschetschenien und

    zu Sigrid Hunkes Allahs Sonne über dem Abendland.

    nur die Einwohner sind tot.

  • Pervers.

    eine perverse Entscheidung des perversen Relativierers Jakob Augstein.

  • den ersten Keil sehen wir im Titel - der soll scon vor dem Lesen diskreditieren, oder TAZ?

  • Das Argument Augsteins bezüglich der Nähe gefällt mir.

     

    "Und wenn sie diesen Maßstab – zu große Nähe zwischen Interviewpartner und Interviewtem anlegen –, dann dünnen sich die Reihen der guten Journalisten schnell aus."

     

    Interessanterweise wird bei Journalisten, die Merkel mit Samthandschuhen anfassen (Man erinnere sich an das Sommerinterview mit Tina Hassel und Thomas Baumann) sowas nie thematisiert.

     

    Nur eines ist das Argument nicht: Ein Argument pro Todenhöfer.

    • @Kaboom:

      Sie übersehen, dass Merkel keine Diktatorin ist auch keine Bomben auf deutsche Städte werfen lässt.

      • @Horst Horstmann:

        Was genau haben Bomben mit dem Problem "kritische Distanz" bei Journalisten zu tun? Genau. Gar nichts.

  • Zwei kluge Personalentscheidungen an einem Tag:

    Andrej Holm im Berliner Senat und Jürgen Todenhöfer beim Freitag.

    • @Linksman:

      Aber nur - weil mal wieder die Linke Nicht weiß - was die Rechte tut.

      • @Lowandorder:

        der war gut!

  • Fairplay? - Gemach!

     

    klar - wir sind alle von irgendwo wech

    Aber diese Nr. "Von Beruf Sohn"

    Ist mir - vor allem aber nicht nur in Künstler&Musikerkreisen sowas von geläufig - daß ich das keineswegs herabsetzend meine - sondern auch gerade bei ihm ein gut erkennbares Muster finde. Souveränität - bei der BLÖD/Blome/Spiegel - zeigte Franziska Augstein - während er over the top via Kapitalseite Einfluß nahm.

    Was ja bekanntlich sing Vadder Rudolf A. - nach langem Zögern - (Stichwort Neutralisierung des Kapitals) - schließlich via Statut institutionalisiert hatte.

    Wie er das kaltschnäuzig - um seinen Buddy durchzudrücken - konterkariert hat - war für mich

    Der eingesprungene Walser mit

    Doppelschraube - locker!

    So jet halt & dess hier pascht scho!

     

    (os Fairplay - diente übrigens der british upper class - um die worker

    class vom Sport fernzuhalten

    Grace Kellys Vater z.B. läßt grüßen!)

  • Todenhöfer ein Pazifist? Ein Pazifist ist jemand, der Krieg grundsätzlich ablehnt. Mir scheint, Todenhöfer lehnt militärische Gewalt dann und nur dann ab, wenn man irgendwie dem Westen dafür die Schuld geben kann. Das ist kein Pazifismus.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Dem Freitag geht es zwar gut, wir wachsen. Trotzdem ist Todenhöfer für uns ein Gewinn."

     

    Trotz was? / wem? / wachsen?

    Werde nicht schlau daraus, Herr Augstein.

  • "Das verspricht Spannung¿"

    Si'cher dat - Ob das Kamel durch's

    Nadelöhr! - "Mutig" is da mit Verlaub - Nix dran!

  • Ich fange an an Augsteins Urteilskraft zu zweifeln, wenn er Todenhöfers antimodernes Querfront-Projekt unterstützt. Die AfD und Lafontaine werden sich freuen. Vielleicht auch einfach ein Versuch mit bizarren Ansichten die Auflage zu steigern, kommt ja gut an in letzter Zeit.

    • @clarafcks:

      Es gibt halt Leute, die die SPD, CDU oder Grünen gut finden und welche die nicht. Sie gehören zu ersteren, ich zu zweiten und finde es gut das es "bizarre" Ansichten publiziert werden dürfen. Und auch die Behauptungen das etwas bizarr ist.

       

      Wobei für mich diese "Querfront" These bizarr ist. Das ist vor allem ein Versuch ein Keil innerhalb einer potentiell linken Bewegung zu schlagen. Funktioniert auch prächtig.

  • Das verspricht Spannung. Als ehemaliger CDU'ler sogar im rechten Flügel tätig und nun 'vom Saulus zum Paulus'?

    Immerhin hat er gezeigt, dass man eine Gesinnung nicht mit 20 Jahren in etwa ausgebildet haben muss und für den Rest des Lebens festzementiert. Tun leider Viele um nicht sagen zu müssen 'Mist, wie bescheuert war ich?'. Da wären sie ja nicht mehr die starken und souveränen Weiblein oder Männlein.

    Mutige und coole Entscheidung von Herrn Augstein. Ihnen ist aber schon klar Herr Augstein dass sie gegen die Gesetze des 'Mainstreams' verstoßen?

  • Ok - erst morgen schlägt´s Freitag* - & -

     

    Bisher darin" trotzalledem & alledem gern unterwegs. Bisher. & trotz -

    Dieser unsäglich borniert-blöden Doppelrunde -

    Aug - Steine&Blome - dieser Spiegel/LÜGT-Pappe -

    Bediente schwer den Brechreiz & brachte des Wasser doch

    Schon immer sehr nahe an - Kante Unterlippe. -but -

     

    Jetzt also gibt Jakop Augstein via taz & auf dufte den

    Mister Nagel-mal-nen -Pudding an die Wand. &

    Wer von den beiden - er oder Hodentöter - der senilere bleibt deutlich offen. Altersgerecht ist hie wie da eh nichts.

    kurz - Das Augsteint-Walsert durch die Botanik -

    Daß es nur so eine Art hat.

    Diese wandelnde Doppelzüngigkeit der dreisten Sorte Gepaart en passant - wie immer - mit latenter Wirrnis -

    Ist ganz offensichtlich der Doppelvaterschaft geschuldet.

    "Von Beruf Sohn" - ist halt ´n Scheißjob.

    Schlußstrich.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Er ist halt, wie er ist - und nicht für alles selber verantwortlich.

      Betrifft vor allem die Herkunft, wo ich auch / gerade von L&O Fairplay erwarte.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Nicht viel, aber etwas mehr, als ich bisher über Herbert Wehners "Hodentöter" wusste.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Na wenn das nicht passt, dann weiß ich nicht was passt: Ein Israel-Fresser und ein Assad/Putin-Versteher.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Durch den Mainstreampressefilter betrachtet vielleicht richtig, aber es gibt gottlob immer noch davon abweichende Betrachtungsweisen.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      "Israel-Fresser"? In welchem Parallel-Universum leben Sie denn?