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Mit Kurs auf ein dreigeteiltes Syrien

FOLGEN Offensive der syrischen und russischen Regierungstruppen rollt weiter. Kein Ende der Kämpfe – und des Leids der syrischen Bevölkerung – in Sicht: In dem Krieg mischen zu viele Mächte mit

GENF taz | Sollten die syrischen und russischen Streitkräfte ihre Großoffensive wie bisher fortsetzen, dürften sie Aleppo bis spätestens Weihnachten vollständig unter ihre Kontrolle bringen. In den folgenden Wochen könnten sie auch die Gebiete im westlichen Drittel des syrischen Staatsterritoriums erobern, die derzeit noch von Rebellenmilizen oder der Al-Nusra-Front beherrscht werden.

Weder die russische noch die US-amerikanische Regierung bemühen sich jetzt noch ernsthaft darum, diese militärische Entwicklung – und das damit verbundene Leid der syrischen Zivilbevölkerung – zu stoppen. Seit Sonntag haben beide Seiten Verhandlungen über einen Abzug aller Rebellen aus Aleppo und eine anschließende Waffenruhe zunächst angekündigt und dann wieder abgesagt.

Damit dürfte es bis spätestens zum Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar zu einer De-facto-Dreiteilung Syriens kommen: in ein von der Regierung Assad mit militärischer Beihilfe Russlands, den schiitischen Hisbollah-Milizen und Irans kontrolliertes Gebiet im Westen; eine kurdische Region im Nordosten an der Grenze zur Türkei; und die restlichen knapp 50 Prozent des Landes, die derzeit noch vom sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) beherrscht werden.

Weiter Waffen und Geld

Ein solches Dreiteilungsszenario bedeutet höchstwahrscheinlich noch kein Ende von Krieg und terroristischer Gewalt in Syrien. Selbst wenn die USA die islamistischen Oppositionsmilizen künftig nicht mehr unterstützen, wie Trump vor seiner Wahl angekündigt hat, dürften diese Milizen nicht am Ende sein. Sie würden auch künftig aus Saudi-Arabien, Katar sowie möglicherweise aus der Türkei Waffen, Geld und andere Ressourcen zur Fortführung ihres Kampfes erhalten. Iran wird die Hisbollah-Milizen weiter unterstützen. Und soweit diese weiterhin auf syrischem Territorium agieren, behält auch Israel einen Vorwand für ein militärisches Eingreifen.

Am Mittwoch – wie schon Mitte vergangener Woche – bombardierten israelische Kampfflugzeuge Einrichtungen der syrischen Streitkräfte in der Nähe von Damaskus.

Wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine de-facto autonome kurdische Region auf der syrischen Seite der Grenze respektieren? Oder führt er seinen Krieg gegen die dortigen Kurden fort? Nach bisherigen Erfahrungen ist eher Letzteres zu erwarten.

Der IS wird sich möglicherweise zunächst einmal auf die derzeit von ihm kontrollierten knapp 50 Prozent des syrischen Territoriums beschränken. Grund: Die IS-Truppen sind derzeit in der Defensive und zu militärischen Ausfällen zwecks Erweiterung dieses Gebiets kaum fähig. Das könnte sich längerfristig allerdings wieder ändern. Angesichts der vielen widersprüchlichen Aussagen des künftigen US-Präsidenten ist schließlich auch noch unklar, welche Syrienpolitik die neue US-Regierung tatsächlich betreiben wird.

Kommt es tatsächlich zu der zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Mitte November besprochenen Kooperation bei der Bekämpfung des IS und anderer Terrororganisationen? Gegen eine solche Zusammenarbeit hatten US-Militärs und Geheimdienste bereits unter Obama erhebliche Bedenken – insbesondere, was den Austausch sensibler Geheimdiensterkenntnisse und von Zieldaten zur koordinierten Luftbekämpfung des IS in Syrien und Irak betrifft.

Diese Bedenken wird es wahrscheinlich auch in der Trump-Regierung geben. Republikanische Senatoren und Kongressabgeordnete – wie zum Beispiel John McCain – haben bereits ihren Widerstand gegen eine Annäherung an Russland angekündigt. Andreas Zumach

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