piwik no script img

Nackt-Selfies im GrünenFrisch und frei, nackt und draußen

Hüllenlos in der Natur und man ist so frei, dies auch gleich für alle ins Netz zu stellen. Auf Instagram boomt der neue Trend.

Im Einklang mit der Natur – Nacktwanderer Foto: dpa

Im Vordergrund drei junge Frauen, von hinten fotografiert. Sie sind nackt und stehen auf einem Felsvorsprung, im Hintergrund eine beeindruckende Dschungellandschaft. Paradiesfeeling. Die drei halten sich an den Händen und recken ihre Arme in die Höhe. Unter dem Bild der Hashtag #nakedinnature. Mit ihrem Foto gehören die drei Mädels zum aktuellen Trend auf Instagram.

Auf der bekannten Social-Media-Plattform stehen immer mehr Fotos von nackten Menschen an außergewöhnlichen Orten in der freien Natur. Rund 75.000 Follower (Stand: November 2016) zählt die Seite bereits. Ein Ende ist nicht in Sicht. Ob in einer Wüste in Mexiko, im Zion Nationalpark in Utah oder auf einem Felsvorsprung in Norwegen, beim Skifahren, Wandern oder Klettern – Menschen zeigen sich, wie Gott sie geschaffen hat, im Einklang mit der Natur.

Der Hype, der im Sommer 2015 aufkam hat auch prominente Fans gefunden. So spielen auch Justin Bieber und Felix Neureuther mit dem neuen Nackttrend, und das sicherlich zur Begeisterung ihrer weiblichen Anhänger. Besonders die jungen Fans von Justin Bieber dürften von dessen hüllenlosem Auftritt beim Baden auf Hawaii Schnappatmung bekommen. Klar ist: Immer ausgefallenere Urlaubsfotos müssen her, um die Anzahl der Follower auf Instagram zu steigern.

Der Trend zum Nacktsein in der Natur hat zahlreiche Vorläufer. Zum Beispiel den deutschen Schriftsteller und Dichter Hermann Hesse. Er kletterte seinerzeit im Kreise seiner Monteverianer nackt in den Schweizer Alpen. Doch Dornengestrüpp, die gnadenlose Sonne und Schorf auf der Haut bremsten schnell seine Begeisterung und den Drang zur hüllenlosen Freiheit in der wilden Natur.

Von Prüderie und grenzenloser Freiheit…

Der Coolness-Faktor der neuen Nackten will auch heute hart erarbeitet sein. Denn der Trend ist nicht immer gern gesehen, wie Touristen auf Borneo im Sommer 2015 erfahren mussten. Im malaysischen Teil von Borneo kamen 18 Menschen durch ein Erdbeben ums Leben. Schuld daran sollen vier nackte Urlauber gewesen sein, die durch ihr hüllenloses Auftreten den heiligen Berg erzürnt hätten. Also Vorsicht: Heilige Orte wie Tempelanlagen, Moscheen oder Kirchen sollten für die Blankzieher absolut tabu sein.

#nakedinnature erinnert aber auch an die 60er und 70er Jahre. Nicht nur in der DDR war es Kult, Freikörperkultur zu pflegen. Diese wurde in der DDR von vielen als kleine Revolte gegen das damalige Regime gelebt. Die Strände waren voll mit Nackedeis und solchen, die sich daran probieren wollten. Dabei mag sich so mancher noch an die bekannte Schriftstellerin Anna Seghers erinnern, die vom damaligen Kultusminister Johannes R. Becher mit den Worten: „Schämen Sie sich nicht, Sie alte Sau?“ beschimpft wurde, weil sie nackt und zeitungslesend am Strand lag. Prüderie traf auf FKK. Vom „Aufstand der Nackten“ war die Rede. Ein neues Freiheitsgefühl entstand, das immer mehr Anhänger gewann.

Nacktentreffs

Wandern: Wie könnte man der Natur näher kommen, als nackt durch sie zu wandern. www.nacktwandern.de/

Golfen: Der erste europäische Golfplatz zum Nacktgolfen findet sich in Südfrankreich. www.lajenny.fr/?-Golf-&lang=en

Restaurant: Das erste Nackt­restaurant der Welt eröffnete 2015 in London. www.thebunyadi.com/

Rodeln: Da der Rodelsport in Deutschland sehr erfolgreich ist, darf natürlich auch das Nackt­rodeln nicht vergessen werden. www.rsa-sachsen.de/2570092/Aktionen/7022175/das_war_das_r.sa_nacktrodeln_2016.html

Radeln: Auf dem jährlichen World Naked Bike Ride demonstrieren FKK-Fans für mehr Radwege und werben für das Fahrrad als umweltfreundliches Transportmittel. chicagonakedride.org/ www.worldnakedbikeride.org/

Yoga: Entspannter geht es kaum – im Zentrum von München kann man sich dem Genuss-Yoga hingeben.isar-nacktsport.de/nacktyoga/

Nackt sein, frei sein gehörte auch Ende der 60er Jahre zum Lebensgefühl der Hippies. Die Bewegung, die Liebe und keinen Krieg wollte eine antiautoritäre und enthierarchisierte Welt- und Werteordnung ohne Klassenunterschiede forderte. Dazu gehörte selbstverständlich auch die körperlicher Befreiung. Flower-Power gegen Leistungsdruck, Vorurteile und die kapitalistische Gesellschaft. Dabei war Kleidung nicht vonnöten, denn es galt, der Gesellschaft radikal und demonstrativ entgegenzutreten. Das ging auch nackt.

Zu Spielverderbern

Doch die heutigen Nackten im Netz verstoßen eigentlich gegen die Grundrichtlinien der Media-Plattform. Dort heißt es: „Aus verschiedenen Gründen ist die Darstellung von Nacktheit auf Instagram nicht zulässig. Das gilt auch für Fotos, auf denen Nahaufnahmen nackter Gesäße zu sehen sind.“ Dies ist bei den besagten Aufnahmen durchaus der Fall.

Trotzdem kommen die meisten Fotos nicht vulgär daher. Es es ist eher ein naives Spiel mit der Nacktheit, der fröhlichen Selbstbespiegelung. Ein Spiel, das hoffentlich nicht wegen Verletzung der Spielregeln eingestellt wird.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • Wow, ich tippe mal drauf das 80% keine Selfies sonder Profiaufnahmen sind. Und dann diese Perfektheit...Wieder fast nur Menschen mit Gesellschaftsnormmaßen. Total "toll"...