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Barock, gelb und altweiß – so wie es mal war

Im Plan Die Schlosskopie soll in drei Jahrenfertig sein. Berlins Sehnsuchtsszene träumt nun vonder Rückkehr des Neptunbrunnensvom Fernsehturmzum Schlossplatz

BERLIN taz | Eines ist jetzt entschieden. „Das Gerüst bleibt“, sagt Bernhard Wolter, der Sprecher der Stiftung Humboldt-Forum, und führt vor allem Kostengründe ins Feld. Vielleicht ist es aber auch so: Die Berliner und die Touristen sollen sich möglichst nicht an das aus Thüringer Ziegeln gemauerte „Rote Schloss“ gewöhnen.

Denn schon im kommenden Jahr wird mit den Putzarbeiten begonnen. Über die sorgsam gemauerte Ziegelwand, die nur teilweise mit dem dahinterliegenden Betongerüst verbunden ist, wird dann gelbe und altweiße Farbe gestrichen. So war es mal. So soll es wieder sein. Der Rohbau des Berliner Stadtschlosses ist fertig, der Innenausbau hat begonnen. Und die 585 Millionen Euro teure Schlosskopie – 1993 erstmals als Attrappe zu sehen – steht nicht nur, sie bewegt sich, ungewöhnlich für Berliner Verhältnisse, auch noch im Zeit- und Kostenrahmen.

Nur mit der 80 Millionen teuren Barockfassade, die ein privater Förderverein stemmen muss, hapert es noch ein bisschen. Weil die Spender nicht so schnell sind wie die Bauarbeiter, muss die öffentliche Hand erst mal zwischenfinanzieren. Hauptsache, der Nachfolger des Kaisers, also der Schotte Neil MacGregor, steht nicht nackt da. Fast hätte es das Berliner Schloss noch auf den letzten Metern erwischt: Anfang Oktober hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Ausschreibung für den Einbau von Sicherheitstechnik gestoppt. Geklagt hatten die zuvor leer ausgegangenen Firmen Siemens und Bosch. Inzwischen ist aber entschieden, dass der Auftrag nicht neu ausgeschrieben werden muss, freut sich Stiftungssprecher Bernhard Wolter.

Weil die Bauleistung ohnehin erst für den Januar 2017 eingeplant war, gebe es auch keine Bauverzögerungen. Gleiches hofft Wolter nun auch für eine Klage, bei der es um die „Gebäudeautomation“ geht. Unklar ist noch, ob das Gericht die Beschwerde annimmt. Es läuft also am Berliner Schlossplatz – dort, wo einst die DDR-Volkskammer im Palast der Republik (auch als „Palazzo Prozzo“ verspottet) getagt hat, der später abgerissen wurde.

Mancher Kritiker wird sich wundern, dass die Debatte über die Rückkehr des Preußensymbols in die Mitte der Hauptstadt jener um die Ausgestaltung des Humboldt-Forums Platz gemacht hat. Doch ganz so ist es natürlich nicht. So postkolonial oder multiperspektivisch, wie es Hartmut Parzinger, Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, gerne für sich in Anspruch nimmt, wird es rund das Humboldt-Forum (Inhalt) und die Schlosskopie (Form) nicht zugehen. Schon träumt Berlins Sehnsuchtsszene von einer Rückkehr des Neptunbrunnens vom Fernsehturm zum Schlossplatz. Auch der Bund hat sich dafür stark gemacht.

Und dann sind da noch die, die zwischen Fernsehturm, Rotem Rathaus und der Marien­kirche gerne wieder die Berliner Altstadt aufbauen würden. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Berliner Mitte bald ähnlich pegidaschwanger selbstreferenziell daherkommt wie der Dresdner Neumarkt, ist geschwunden. Rot-Rot-Grün, das Berlin ab Dezember regieren will, schaut lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit. Uwe Rada

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