Kommentar EU nach der US-Wahl: Widerstand geht anders
Die EU kann sich nicht einigen, wie sie mit Trump umgehen soll. Stattdessen lässt sie sich von London treiben – trotz Brexit.
E uropa will sich von den USA unabhängiger machen. Das haben die Außen- und Verteidigungsminister der EU in Brüssel beschlossen. Fast klingt es wie eine gute Nachricht.
Man sei jetzt eine „Supermacht“ und lasse sich vom kommenden US-Präsidenten Donald Trump nicht ins Bockshorn jagen, verkündete die Außenbeauftragte Federica Mogherini. Die EU habe „starken politischen Willen“ gezeigt und werde „mehr Verantwortung“ übernehmen, behauptete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Doch hinter diesen Ankündigungen verbirgt sich – fast – nichts. Denn die „Supermacht“ EU ist nicht einmal in der Lage, sich auf einen gemeinsamen Kurs gegen Trump zu einigen. Die Briten wollen den amerikanischen Oligarchen umarmen, die Österreicher wollen erst einmal abwarten, die Deutschen stellen Bedingungen. Geschlossenheit sieht anders aus.
Auch die Ausführungen zur neuen „Verteidigungsunion“ sind kaum mehr als heiße Luft. Die meisten Maßnahmen werden bereits seit Jahren angekündigt, passiert ist nichts. Dass es jetzt ein europäisches Hauptquartier geben soll, ist keine Reaktion auf Trump, sondern ein alter deutsch-französischer Plan, der nach dem Brexit entstaubt wurde. Damit er überhaupt umgesetzt wird, mussten ihn die Minister umbenennen – in „permanente operative Planungs- und Durchführungsfähigkeiten“. Sonst hätten die Briten Nein gesagt. Die EU nimmt also weiter Rücksicht auf die EU-Gegner in London – und die verbünden sich gerade mit dem neuen Oberkommandierenden in Washington. Unabhängigkeit sieht anders aus.
Wenn Europa wirklich unabhängig werden wollte, dann müsste man zuerst die Briten in die Schranken weisen, die trotz des Brexit-Votums das große Wort in der EU führen wollen. Doch dazu reicht der Wille nicht, auch nicht in Deutschland. Die EU leistet keinen Widerstand gegen Trump, sondern sie lässt sich von ihm und seinen Freunden in London treiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen