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Veränderungen bei Tierschutz-SiegelEin Angebot für die Agrarindustrie

Bislang will kaum eine Legehennenfarm das Label „Für mehr Tierschutz“. Deshalb lässt der Tierschutzbund nun deutlich größere Betriebe zu.

Aus welcher Haltung sie stammen, erschließt sich nicht durch bloßes Anschauen Foto: dpa

Berlin taz | Das Siegel des Deutschen Tierschutzbunds für artgerechter erzeugte Eier erhöht die zulässige Zahl der Legehennen pro Betrieb und Stall. „Da ein Ziel des Tierschutzlabels ist, möglichst viele Tiere in bestehenden, oftmals größeren Ställen zu erreichen, wurde die Bestandsobergrenze geändert auf maximal 48.000 Hennen pro Betrieb und 12.000 Hennen pro Stall“, teilte der Verband der taz mit. Bisher seien Betriebe mit insgesamt 27.000 Hennen je Betrieb und 12.000 je Stall zugelassen worden.

Der Tierschutzbund, die größte deutsche Tierschutzorganisation, hatte das Siegel „Für mehr Tierschutz“ 2013 eingeführt. Es soll zum Beispiel Fleisch und Eier kennzeichnen, deren Preise zwischen denen für Standard- und Bioware liegen. Beide Varianten des Labels (1 oder 2 Sterne) verlangen unter anderem etwas mehr Platz im Stall, sind aber meist nicht so streng wie das Öko-Siegel.

Zwar hat sich das Tierschutzlabel bislang kaum am Markt durchsetzen können. Doch es wird diskutiert als Vorlage für das von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) geplante staatliche Tierwohlsiegel. Deshalb sind Änderungen am Label des Tierschutzbunds politisch relevant.

Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass beispielsweise die Stallgröße von 9.000 Legehennen viele Betriebe daran gehindert habe, an dem Programm teilzunehmen, so der Verband. „Mit der Anpassung wollen wir die Landwirte dort abholen, wo sie stehen.“ Sie werde ab 1. Dezember gelten.

Kritik von Bauern

Nun habe der Tierschutzbund bereits einen Interessenten, der konkret die Umstellung auf die neuen Bestandsvorgaben plant und damit die jetzige Tierzahl des Betriebes quasi halbiert. „Weitere Interessenten planen und bauen neue Ställe in der Größenordnung und unter Einhaltung der weiteren Kriterien“, so der Verband.

Eckehard Niemann, Agrarindustrieexperte der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, kritisierte die höheren Tierzahlgrenzen scharf. Bürgerinitiativen würden viele Legehennen-Anlagen dieser Größe verhindern. Das Bundesbauministerium wolle mit einer Reform des Baugesetzbuchs ein Vetorecht der Gemeinden gegen sämtliche Anlagen mit mehr als 15.000 Legehennen einführen. „Da ist dies ein umwelt-, nachbarschafts- und tierschutzschädliches Vorhaben – zugunsten agrarindustrieller Dimensionen und zulasten bäuerlicher Strukturen“, sagte Niemann der taz. Größere Anlagen verursachen oft mehr Gestank und Belastungen der Zufahrtstraße.

Je größer die Tierzahl und je größer die Zahl der Tiere pro Gebäude, desto weniger könne das Auslaufareal genutzt werden, das die 2-Sterne-Variante des Labels vorschreibt, ergänzte Niemann. „Zwar sind rechnerisch jedem Tier bestimmte Quadratmeter zugemessen, aber aus der großen Herdentierzahl folgt, dass viele dieser Quadratmeter viel zu weit von den Stallausgängen liegen müssen. Das wiederum hat oft zur Folge, dass sich in der Nähe der Ausgänge zu viele Tiere befinden, deren Exkremente dort zu Problemen mit Parasiten führen“, argumentierte der Bauernaktivist.

Außerdem wird oft die Grasnarbe schneller weggepickt, sodass Schadstoffe aus den Ausscheidungen der Tiere leichter ins Grundwasser gelangen können.

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8 Kommentare

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  • Wer einige Millionen in eine Monokultur investiert, fast vollständig über Kredite ,der kann sich in der Regel keine Moral oder Ethik gegenüber Mensch, Tier und Natur leisten.

  • Deutschland benötigt 80 Millionen fleißige Legehennen um seinen Eierbedarf zu decken, natürlich halten wir die nicht alle selber, wir importieren auch noch ne Menge Eier. Auf jeden Fall braucht es große Betriebe um diese Mengen bereit zu stellen. Oder eben es liefert das Ausland. Die liefern übrigens gern und billig und fragen nicht nach Tierschutzverein. ..

    • @Bernhard Hellweg:

      Absolut richtig! Viele Verbraucher haben absolut keine Vorsstellung, was es bedeutet, für 82 Millionen Bundesbürger Lebensmittel zu produzieren. Eine Stadt wie Hamburg verbraucht täglich 40.000 Masthähnchen in verschiedensten Konfektionierungen (Schlegel, Brust, ganze Hähnchen usw.). Und Hamburg hat nur 1,8 Mio Einwohner. Da glauben einige naive Zeitgenossen, dass man den Bedarf mit einigen Mistkratzern decken könnte. Das ist erschreckend!

      • @Manfred Stein:

        „Viele Verbraucher haben absolut keine Vorsstellung, was es bedeutet, für 82 Millionen Bundesbürger Lebensmittel zu produzieren.“!

         

        Und sicherlich haben SIE (leider) absolut keine Vorstellung, in welch GIGANTISCHER Dimension tatsächliche Lebensmittel, aufgrund der „Produktion“ solcher (s. g.)„Lebensmittel“, vernichtet werden! Dabei darauf hingewiesen, das täglich 6.000-43.000 Kinder verhungern (erwachsene Menschen nicht inbegriffen)!

         

        Dazu gib' ich Ihnen gerne einige Zahlen an die Hand:

         

        Effizienz „Lebensmittel“-„Produktion“ tierlichen Ursprungs:

         

        1. Geflügel: von 100 pflanzlichen Kalorien bleiben 13 tierliche Kalorien über! Verlust: 87% ( S I E B E N U N D A C H T Z I G)!

         

        2. Schwein: von 100 pflanzlichen Kalorien bleiben 10 tierliche Kalorien über! Verlust: 90% (N E U N Z I G)!

         

        3. Rind: von 100 pflanzlichen Kalorien bleiben 3 tierliche Kalorien über! Verlust: 97% (S I E B E N U N D N E U Z I G)!

         

        Und wofür? Für „unsere“ Gier nach „Nahrung“ tierlichen Ursprungs!

         

        Aber was interessieren „uns“ andere Kinder, zumal wir sie nicht mal persönlich kennen und es - zum Glück - weit weg ist WO sie für „unsere“ Gier verhungern!

         

        Tipp: ignorieren, leugnen, verdrängen! Oder wie es die „drei Affen“ pflegen zu handhaben: „nichts hören - nichts sehen - nichts sagen“!

         

        Weiterhin guten Appetit mit der Nahrung, welche den verhungernden Menschen dieser Welt erst „gestohlen“ wurde um es dann als Futter in die etwa 900.000.000 (Deutschland) geschundenen Tiere stopfen zu können, damit „wir“ sie, bzw. ihre Reste (sowie ihre Ausscheidungen, hier Milch/Milchprodukte, Eier, etc.) in „uns“ stopfen können!

        • @Unbequeme Wahrheit:

          nach dieser Logik dürften wir weder Kaffee noch Tee konsumieren da wird nähmlich pro Flächeneinheit gar keine Kalorie geerntet. Übrigens, die die Kaffeefläche die wir deutschen für unseren Kaaffeekonsum benötigen ist in etwa genau so groß wie die Sojafläche die wir für unsere Tierhaltungen benötigen... Und diese Kaffeeflächen liegen ebenfalls in den Tropen.

      • @Manfred Stein:

        Naiv empfinde ich Leute wie Sie, die sich anscheinend noch nicht mal bewusst darüber sind, welcher Anteil der hierzulande verbrauchten Eier beispielsweise durch alternative Produktionsprozesse in der Industrie eingespaart werden können. Zum Glück machen es bereits einige Betriebe vor.

         

        Und am erschreckendsten sind dann die Menschen, die meinen der status quo und die täglichen Frühstückseier wären zu verteidigen, auch wenn es weder für Mensch und noch weniger für das Tier gesund ist.

         

        Es braucht keine großen Betriebe, sondern mehr kluge Köpfe.

        • @Sapasapa:

          "alternative Produktionsprozesse", spannende Idee. Können Sie mal Beispiele nennen? Welches Unternehmen macht das?

          • @Manfred Stein:

            Eierfreie Mayonnaise beispielsweise? Es werden tierfreie Emulgatoren verwendet. Ich denke, 99% der Konsumenten würden keinen Unterschied schmecken.

             

            Auch bei Backwaren kann mit der richtigen Mischung auf Eier verzichtet werden. Beispiele gibt es zu genüge.