piwik no script img

Kommentar Veganer und AgrardemoAm Ende verlieren Tiere und Bauern

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Der Austritt der einzigen veganen Organisation im Trägerkreis der größten Agrardemo schadet Tierrechtlern und -haltern.

Das war der Albert Schweitzer Stiftung nicht genug: Veganer auf der „Wir haben es satt“-Demonstration gegen die Agrarindustrie Foto: dpa

D er Konflikt zwischen Tierhaltern und Tierrechtlern in der Bewegung für eine neue Landwirtschaftspolitik schadet beiden Seiten. Das zeigt auch der jüngste Eskalationsschritt: Die einzige vegane Organisation im Trägerkreis der größten Demonstration gegen die Agrarindustrie ist aus der „Wir haben es satt“-Allianz ausgetreten. Der Rückzug der Albert Schweitzer Stiftung vertieft die Spaltung der alternativen Agrarbewegung. Davon werden die profitieren, die in deutschen Ställen mit ihren teils schlimmen Haltungsbedingungen alles beim Alten lassen wollen.

Es stimmt natürlich, dass ökologisch orientierte Bauernorganisationen und Tierrechtsverbände Ziele haben, die sich widersprechen: Die einen wollen die Tierhaltung artgerechter gestalten, die anderen wollen sie komplett abschaffen.

Aber die Forderung der Tierrechtler ist kurz- und mittelfristig völlig unrealistisch. Auch nach Jahren der Kampagnen für Veganismus ernährt sich nur rund ein Prozent der Deutschen ohne tierische Lebensmittel.

Wer die Lage der Nutztiere verbessern will, sollte seine Energien nicht in einem bis auf Weiteres aussichtslosen Kampf verschwenden, sondern muss sich dafür einsetzen, dass sich die Tierhaltung ändert. Schärfere Tierschutzvorschriften zum Beispiel würden Fleisch verteuern und so den Konsum senken. Wenn all das einmal erreicht ist, dann sind Forderungen nach dem völligen Verzicht auf Fleisch leichter durchzusetzen.

Kritische Landwirte brauchen Tierrechtler

Die Bauernfraktion der Agrarbewegung braucht die Tierrechtler, weil die etwa mit ihren Videos aus überhaupt nicht artgerechten Ställen die Debatte über Viehhaltung in Deutschland in Gang halten. So wächst die Kritik an den herrschenden Zuständen, der sich auch kritische Landwirte anschließen.

Abgesehen davon: Die Albert Schweitzer Stiftung hat Recht mit ihrem Appell, dass wir weniger Fleisch essen müssen. Denn derzeit verzehrt der durchschnittliche Deutsche weit mehr, als Ernährungswissenschaftler raten. Weniger Fleisch zu essen ist auch eine der besten Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft überhaupt.

Beide Seiten – Tierrechtler und kritische Tierhalter – würden also profitieren, wenn sie miteinander kooperieren. Und deshalb sollten beide aufeinander zugehen – zum Beispiel, wenn es darum geht, zu einer Demonstration aufzurufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • NUTZtiere. Da schon reißt mir die Hutschnur. Und als Bauern darf man die, die ihre Tiere der Massentierhaltung, mit allen Begleiterscheinungen aussetzen, eigentlich auch nicht mehr bezeichnen. Das Problem, wie immer, der Mensch. Der Mensch, der quält für seinen Profit und der Mensch, der frisst. Der Mensch mit seiner scheiß Bequemlichkeit. Schaut man beim Weg durch die Welt nach rechts und links, dann sieht man überall fressende Menschen (meistens Würstschen) die irgendwas wegwerfen (meistens Verpackungen). Problembewusstsein: Fehlanzeige. Und nach jedem großen Fressen dann schön kacken gehen. Eine Kack-Welt, ehrlich.

    • @OSCILLATEWILDLY:

      Ich vergaß: im Optimalfall ist es die Verpackung, die weggeworfen wird. Nicht selten aber landet auch die Fresserei selbst im Müll, weil sie nicht geschmeckt hat oder aber es waren die Augen - wieder Mal - größer als der Magen (ALL YOU CAN EAT). Da wurden die Tiere dann gequält, damit sie gegrillt im Müll landen.

  • tja, wo soll ich da anfangen? die albert-schweizer-stifung arbeit mit ul zusammen. kennen sie ul? sie sind schließlich chef der redaktion für die bionade-biedermeier? gemeint ist "universelles leben". wer mit denen zusammenarbeitet, hat sie nicht mehr alle! die gehen über die psychosen normaler tierrechtler weit hinaus.

     

    tierhaltung abschaffen ist also ein langfristiges ziel? von wem genau? irgendwelchen tierrechtlern? soll das ihr ernst sein?

     

    "Schärfere Tierschutzvorschriften zum Beispiel würden Fleisch verteuern und so den Konsum senken." - nun, dann käme das fleisch also aus dem ausland? schließlich leben wir in einer freihandelszone genannt EU. wer überwacht dortigen tierschutz? bspw. in polen oder in der slowakei?

     

    aber egal! langsam glaube ich, dass sie tatsächlich selber glauben, was sie da schreiben und nicht nur die leserschaft im prenzlauer berg bedienen wollen? es ist ein trauerspiel.

    • @Worst Case:

      Wo Arbeitet die Albert Schweizer Stiftung denn mit UL wirklich zusammen? Und wenn ja, wieso?

       

      Ich verfolge die Arbeit der Stiftung lange. Im Gegensatz zu Ihnen verbreiten die keine heiße Luft, sondern haben eine ganze Menge erreicht. Und das immer mit einem sehr angenehmen, unaufdringlichen und undogmatischen Stil

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Worst Case:

      Dass Tierrechtler die Nutztierhaltung abschaffen wollen, ist ja wohl eine Tatsache. Das ist nicht meine Meinung.

       

      Weniger Fleisch und weniger Tierhaltung - das ist auch meine Meinung. Ließe sich sehr wohl erreichen, auch in der EU.

      Ein Weg dazu hat der agrarpolitische Beirat der Bundesregierung hier beschrieben: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltung.html

      Da steht übrigens auch drin, dass D keineswegs beim Tierschutz so super ist im Vergleich zu mehreren anderen europäischen Staaten.

      • @Jost Maurin:

        "Dass Tierrechtler die Nutztierhaltung abschaffen wollen, ist ja wohl eine Tatsache." - Das habe ich auch nicht behauptet. ich schrieb, das tierrechtler die nutztierhaltung abschaffen wollen. und nur sie. alle anderen sind in der realiät verhaftet geblieben.

         

        was auch immer das bmel so alles schreibt. wenn fleisch teurer wird, was wird es dann? zu einem luxusgut, dass sich nur noch journalisten und angestellte des öffentlichen dienstes leisten können? so einfach ist das nicht. je reicher, je fleischiger wird die ernährung?

         

        es ist ein schönes ziel. agrarwirtschaft hat aber immer noch die aufgabe menschen zu ernähren. es kein anhängsel des umweltschutzes und kein versuchsfeld für tierschutzaktivisten. agarwirtschaft ist realität.

         

        und der wohlstand beruht auch darauf, dass lebensmittel extrem billig sind. nur noch 13% geben die deutschen von ihrem einkommen für ernährung aus. im durchschnitt. bei harz 4 sieht das alles schon anders aus. da kommt man gut und gerne mal auf 30 -40%. sollen sie für fleisch nun 60% ausgeben? ernährung sollte nicht zur disposition stehen.

        • @Worst Case:

          "...agrarwirtschaft hat aber immer noch die aufgabe menschen zu ernähren..."

          Da haben Sie wohl Recht !

          Sie vergessen aber Folgendes oder wollen es gar nicht wahrhaben:

          Fleisch in den gigantischen gierigen Mengen wie die wohlhabenden Europäer und Amerikaner vertilgen ist nur mit Massentierhaltung bestialichster Art möglich und einer Umweltbelastung die größer ist als der gesamte Verkehr. Fleisch ist aus dieser Sicht ein reines Luxusproblem und basiert auf bodenloser Borniertheit der westlichen Wohlstandsmenschen.

          Der 5 bis 10- fache Flächenverbrauch gegenüber dem Verbrauch für flanzliche Nahrung mit dem gleichen Nährwert würde bei dieser fleischlastigen Ernährungsweise auf bald 10 Mia. Menschen übertragen die absolute Katastrophe bedeuten.

          Die Menschen vor allem in Europa und Amerika werden umdenken müssen, und zwar möglichst schnell und rigoros.

          Und ich versichere Ihnen: Fleisch- und Kuhbabymilchverzicht tut nicht weh, ist relativ einfach und die Gesamtwirkung für Mensch und Tier großartig.

          • @Traverso:

            tja, ich, im gegensatz zu tierrechtlern, verstehe mich aber als linker. ich will nichts mit holocaustverharmlosern von der marke PETA und nichts mit eugenikern von der marke peter singer zu tun haben.

             

            wenn alle menschen genug geld haben, sich so zu ernähren, wie sie wollen, können wir gerne darüber reden, dass fleisch teuerer werden soll!? was sollen denn harz4ler machen? sollen die sich freuen, dass fleisch teurer wird? was meinen sie, wen die wählen? die grünen oder die AFD?

             

            und was den flächenverbrauch angeht: wussten sie, dass 2/3 der weltweit agrarlich genutzten fläche weideland ist? also steppen, feucht- und magerwiesen. darauf baut man keinen weizen und auch keine bohnen an. darauf können nur tiere grasen, die dann gras in fleisch verwandeln.

             

            und ja, ist eine dumme sache, dass die ganzen "hungerleider" aus afrika auch fleisch wollen. haben sie sich mal gefragt warum? glauben sie fleisch sei dem menschen so fremd, dass es lieber meiden würde? wohl kaum.

             

            und veganer, die glauben, sie könnten 6 mio. jahre evolution rückgänig machen, die nehme ich gar nicht ernst. gibt unter 1% davon, und die hälfte hört nach nem jahr oder so auf sich vegan zu ernähren. wie viele von denen "sündigen" wohl und steigen mal kurz auf "vegetarisch" um? menschen können und wollen sich nicht fleischlos ernähren. das wäre auch gegen die natur. so ist das nun mal.

            • @Worst Case:

              ...wussten sie, dass 2/3 der weltweit agrarlich genutzten fläche weideland ist....

              Ja, richtig, daß ist ja genau das Problem. Dort wird Kraftfutter angebaut, vor allem Soya, meistens auch noch genmanipuliert mit der Folge eines noch höheren Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. In der Tiermast wird nicht Magergras aus der Steppe verfüttert ! In Steppen, Feucht- und Magerwiesen leben die wenigsten Menschen. Kraftfutter wird auf sehr fruchtbaren Böden angebaut, alles andere wäre schlichtweg nicht wirtschaftlich.

              Die 6 Mio Jahre Evolution haben unser Gehirn stark wachsen lassen und komplexes Denken ermöglicht.

              Das Wissen über Ernährung ist großartig. Und wir wissen z.B sehr genau. daß Fleisch essen nicht notwendig ist und in den bei uns gewöhnlich verzehrten Mengen ein Hauptgrund für bekannte Zivilisationskrankheiten ist. Und Babymilch trinken von Tieren braucht man auch nicht. Mit unserem entwickelten Hirn dürfte diese Erkenntnis eigentlich nicht schwer fallen.

              • @Traverso:

                sry, darüber diskutiere ich nicht! omnivore tiere benötigen tierische und pflanzliche nahrung. und menschen sind omnivore tiere.

                 

                so einfach, logisch und mit "zwanglosem zwang" das argument auch ist, so schwer fällt es ihnen das anzunehmen. aber das ist nun nicht mein problem.

                 

                und wenn sie auf dem land wohnen und einen kirschkern aus dem fenster werfen, treffen sie zu 90% ein magerwiese.

                 

                und die tiere werden mit soja und so nem zeug gemästet, damit sie schneller und effizienter gewicht zunehmen. notwendig ist das nicht. die wachsen auch so. scheiß kapitalismus! was? jo, und das war auch schon das problem.

                 

                und wenn wir gerade bei soja sind. lassen sie doch mal alle soja- und palmölprodukte weg.