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Kolumne Alter MeisterDer leere Galgen

Kolumne
von Sonja Vogel

Der Berliner Landesverband der Partei „Die Partei“ hat Wahlplakate an Straßenlaternen befestigt. „Hier könnte ein Nazi hängen“, steht darauf.

Könnten auch bald hängen: Wahlplakate Foto: DieParteiNeukoell

E in Plakat hängt an einem Laternenpfahl, knapp über den Köpfen der Passanten, für alle sichtbar. Der Claim ist kurz. „Hier könnte ein Nazi hängen“, steht da in verdrehtem Werbesprech. Der Berliner Landesverband der Partei „Die Partei“ hat die Plakate am Wochenende vorgestellt. Im Internet erntete er dafür viel Kritik.

Dabei knüpft das Plakat nahtlos an eine opulente Tradition der Visualisierung des Hängens an – nur dass die Verschriftlichung der Partei eben als Platzhalter dient.

Das Hängen ist die älteste Hinrichtungsform. Sie ist nicht nur zweckmäßig, denn der Hängende schnürt sich mit dem Strick um den Hals durch das eigene Körpergewicht die Luft ab, sondern dient der Abschreckung, dem Augengrusel: Man soll die Gehängten sehen, sich ihr Bild einprägen. Darum wurden schon im Mittelalter auf Stadtplätzen Galgen errichtet.

Als Inszenierung für die Augen finden sich unzählige Hinrichtungsszenen in der Kunstgeschichte. Aus dem Mittelalter stammen vor allem Stiche vom sogenannten Judenhängen, etwas bekannter und diffiziler ist etwa Pieter Bruegels „Elster auf dem Galgen“ (auch hier, wie auf dem Wahlplakat, bleibt der Galgen leer).

Aber auch zum Bilderrepertoire des 20. Jahrhundert gehören die Erhängten. Es waren vor allem die Nazis, die das Hängen in die Moderne brachten – im Krieg in der Sowjetunion, aber auch die NS-Justiz ließ hängen.

Das sind die Bilder, die wir heute im Kopf haben: Reihen von aufgeknüpften Rotarmisten, LiebhaberInnen von Juden und WiderstandkämpferInnen mit „Bekennerplakat“ um den Hals entlang der Straßen.

Der Galgen, das Aufknüpfen, sind bildgewordener Nazi-Sprech. Eigentlich. Das freundliche Angebot, der Konjunktiv des Plakats, aber dreht die Drohung herum. Denn wir wissen: Hier wird kein Nazi hängen.

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15 Kommentare

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  • Welche Parteiplakate hängen meist weit oben an Laternen, damit sie nicht abgemacht werden? Richtig die Plakate von rechten Parteien wie NPD und AFD. Darauf spielen diese Plakate an, nicht umsonst wird der gleiche Wortlaut wie bei der bekannten Werbung für Plakatwerbung verwendet.

  • Es zeigt sich, daß Verhetzer unabhängig von politischen Richtungen existieren. Doch eines haben sie gemeinsam, was unübersehbar wird, wenn man auf terroristische Vereinigungen und tyrannische Staatsführungen schaut:

     

    An der Spitze sitzen immer die Hetzer, und erst in ihrem Gefolge (egal ob rekrutiert oder anonym entstanden) finden sich die ausführenden Täter.

  • Die PARTEI war auch schon origineller.

  • Das offensichtlichste übersehen wohl alle. Es könnte wirklich wörtlich gemeint sein. Aber so das dieses Plakat den Platz einnimmt der sonst von einem NPAfD-Plakat beansprucht worden wäre.

    Das die Plakate also simple Platzhalter sind.

    • @derSchreiber:

      Beim "Aufhängen" verbietet sich für mich jede Wortspielerei da selbst diese für sich genommen barbarisch ist!

      • @Waage69:

        Bei der letzten Senatswahl plakatierte die NPD vor dem Holocaust Mahnmal mit "Gas geben!" Da bleibt Die Partei ihrer Linie treu und hält den Nazis den Spiegel vor.

        • @derSchreiber:

          Ihre Meinung.

          Ich denke das man sich nicht auf so ein Niveau der Auseinandersetzung begeben darf.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich glaub irgendwie hat die Autorin - und auch die anderen Kommentatoren soweit - die Pointe nicht verstanden.

    Es geht um die Plakate: "Hier könnte auch das Bild eines Nazis hängen" oder "Hier könnte auch ein NPD/AfD-Plakat hängen". Hier wird einerseits "hängen" doppeldeutig verwendet und andererseits wird sich satirisch auf die Galgen bei PEGIDA bezogen.

    Ich find es schon peinlich, daß sich der Empörungsreflex schon so weit nach links durchgesetzt hat, irgendwie auch entlarvend, daß der Witz noch erklärt werden muß.

    Satire hat nunmal keine Gebrauchsanweisung beiliegen, sondern will durch eigenes Denken verstanden werden.

  • Billige Polemik. Einfach nur widerlich. Ich stelle mir gerade vor, es würden Plakate mit der Aufschrift "Hier könnte ein TAZ-Journalist" hängen" aufgehangen.

    • @Heinz Günter Gruse:

      Was hängt denn sonst immer so hoch oben?

       

      Naziplakate.

       

      Nun kann da keins mehr hängen, weil...?

       

      "Hier könnte Ihre Werbung hängen" ist eine analoge Kampagne.

       

      Es macht nur den Spaß kaputt, wenn man so etwas erklären muss.

      • @Thomas Elias:

        auf dem Plakat steht aber nicht Naziplakat drauf.

  • Nein das ist keine "Umkehrung der Drohung". Das sind dumme Morddrohungen. Wenn die AfD Frau Merkel oder Herrn Schäuble symbolisch "hängen" wollen, wird das als Mordaufruf oder zumindest Hasspropaganda gewertet - dürfte aber ähnlich gelagert sein.

    Die Frage ist, wollen wir das als Meinungsfreiheit zulassen oder wollen wir auch symbolische Gewaltaufrufe bestrafen - es könnte sie ja jemand ernst nehmen.

    Dabei darf es keinen Unterschied machen, ob wir diese Leute mögen oder nicht - schliesslich leben wir in einem Rechtstaat, in dem gleiches Recht für alle gelten sollte.

    • @Velofisch:

      Dieses Plakat stammt von einer Partei, die in der Vergangenheit den Wiederaufbau der Mauer und die Einrichtung eines Atommüllendlagers im Prenzlauer Berg vorschlug. Gibt es wirklich Leute, die den schwarzen Humor nicht verstehen?

      • @Otto N.:

        Watten Otto! Dann aber bitte das Original - aufgehübschte long version;)

         

        Ah! ça ira, ça ira, ça ira,

        Les Nazis à la lanterne!

        Les Nazis on les pendra!

        &

        Nazi tousser dans le sac!

      • @Otto N.:

        leider ja -.-