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Pro-AKP-Großdemo in IstanbulSeine Anhänger sind wie im Rausch

Es war die größte Demo, die Erdoğans Regime bislang in Szene setzte. Auch Oppositionelle kamen – nur die HDP war nicht eingeladen.

Erdoğans Versprechen: „Von null an werden wir alles neu machen“ Foto: reuters

Istanbul taz | Ein Meer roter Fahnen, dazu Porträts von Republikgründer Atatürk und dem Oberbefehlshaber der „Neuen Türkei“ – Präsident Recep Tayyip Erdğoan – waren die erlaubten Wink-Elemente für die größte Demo, die Erdoğan und seine AKP bislang in Szene setzen konnten.

Hunderttausende Menschen hatten sich am Sonntagnachmittag eingefunden, neben den wichtigsten Politikern waren auch die neue Militärspitze und Größen aus dem Showbusiness vertreten. Offiziell sollte die Veranstaltung auf Istanbuls größtem Versammlungsplatz die seit dem Putschversuch vom 15. Juli täglich stattfindenden Aufmärsche zu einem überwältigenden Ende bringen. Tatsächlich war es die finale Huldigung an den neuen Führer.

Die Veranstaltung wurde in alle türkischen Städte auf Großleinwände übertragen. Im Vorfeld hatte es enormen Druck auf die Oppositionsparteien gegeben, sich dieser Krönungsmesse für Erdoğan nicht zu verschließen. Während Devlet Bahçeli, Chef der ultranationalistischen MHP, sich nicht lange bitten ließ, musste Kemal Kılıçdaroğlu, Vorsitzender der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP, tagelang bearbeitet werden, bis er sich zur Teilnahme bereit erklärte.

Kılıçdaroğlu hatte zu Recht befürchtet, dass die Opposition nur als Staffage für Erdoğan auftreten sollte, damit dieser sagen könnte, das gesamte Volk sei in der Abwehr der Putschisten vereint. Andererseits befürchtete er wohl, bei Nichtteilnahme völlig ins Abseits zu geraten.

Außen vor ist jetzt schon die kurdisch-linke HDP: Sie wurde zu der Großkundgebung gar nicht erst eingeladen. Bevor er mit der HDP rede, so Erdoğan, müsse die HDP sich erst vom Terror der PKK distanzieren. Derweil hat Erdoğan längst klar gemacht, dass er den türkischen Staat von Grund auf neu gestalten will. Nichts werde „so bleiben, wie es war“, erklärte er in einem Interview mit al-Dschasira, „von null an werden wir alles neu machen“.

Seine Anhänger sind immer noch wie im Rausch und stellen die im Ausnahmezustand erlassenen Dekrete keinen Moment infrage.

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8 Kommentare

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  • Mit der Ausgrenzng hat Erdogan wieder mal gezeigt was er von den Kurden hält - nichts!

     

    Die Kurden brauchen ein eigenes Land

  • Die AKP mobilisiert und strebt offenkundig ein totales Herrschaftssystem nach ihrem Entwurf an. Die CHP brauchen sie dafür, denn nach Außen soll es als Demokratie vermarktet werden. Dass die HDP schon ausgespart wird, obwohl diese Partei klar gegen den Putsch ist, zeigt dann, wie die Sache aufgebaut ist: Es geht um Erdogan und die AKP - Kritiker müssen draußen bleiben. Dabei zeigt sich, dass die Türkei ihren peudodemokratischen Charakter offenbar noch vertiefen wird. Die letzten Wahlen sind allesamt kritisiert worden - die künftigen Wahlen werden dann von Staatswegen so organisiert, dass sie keiner kontrollieren kann. Das hat die CHP vor langer Zeit auch schon mal gemacht und es ist ihr nicht gut bekommen. Mit der Herrschaft der AKP kommt nun auch die Nicht-Beteiligung von Kurden und CHP-Anhängern - sie werden nur noch als Staffage benötigt. Aber es gibt 14 bis 22 Mio. Kurden und es gibt mindestens 15 bis 20 Mio. Aleviten - das sind keine Miniminderheiten - sondern große Gruppen. Die Kurden haben ein eigenes ethnisches Siedlungsgebiet und werden bereits unterdrückt und drangsaliert - hier könnte Erdogan schnell auf den Punkt getrieben werden. Reagiert er mit Gewalt, müssen NATO und EU reagieren.

  • die geschichte lehrt:

    wer heute dein jubelrufer ist, ist morgen dein häscher.

  • Die eine Frage zum Fotto -

     

    Hinter dem DreamCouple Türkiye

    Hat der Bodygard welche Heckler&Koch

    Im Anschlag?

    • @Lowandorder:

      ...vielleicht das G3 neueren Typs?

       

      Ein G3 älteren Typs hielt ich um '63 beim Bund umarmt, weil: "Braut des Soldaten", so unsere Ausbilder.

       

      Etwas später im kurdisch-türkischen Dorf eines Freundes grüßte mich freundlich auf deutsch ein Jandarma (Dorfschützer). "Almanya gut!" rief er begeistert und tätschelte den Schaft seines G3-Gewehres...

      • @Gion :

        Auch hier wieder Ernst Blochs' zum Wert der schlechten Schule!;()

         

        Die Braut wurde mir dank derweil - 2xBackenbleiben&Ende der Ruderei

        Klar - auch in Form des ollen G 3 -

        Erst ab 1966 zu teil!

      • @Gion :

        do woa i scho halt a weng schdollz...

  • Tatsächlich war es die finale Huldigung an den neuen Führer.

     

    sehr schön subtil formuliert ;-)