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Kommentar zu rassistischer RechtsprechungSie müssen weg

Für Schwarze, die auf St. Pauli mit Drogen erwischt werden, gilt ein härteres Strafmaß als für Weiße. Das ist rassistisch und weit weg vom Rechtsstaat.

Werden schnell mal verknackt: Schwarze, die mit geringsten Mengen Marihuana erwischt werden Foto: dpa

Hamburg taz | Das Vorgehen von Senat, Justiz und Polizei gegen afrikanische Geflüchtete auf Hamburg-St. Pauli ist widerwärtig, erbärmlich und weit weg von rechtsstaatlichen Prinzipien. Nicht nur steht dort eine bestimmte Gruppe unter pauschalem Tatverdacht. Auch gelten für sie andere Maßstäbe: Wenn ein Weißer mit 0,5 Gramm Marihuana erwischt wird, muss er seine Personalien aufgeben und bekommt einen Brief mit der Information, dass von einer Strafverfolgung abgesehen wird.

Wenn ein Schwarzer mit der gleichen Menge erwischt wird, kommt er in U-Haft – weil Refugees generell Fluchtgefahr unterstellt wird. Außerdem geht die Justiz davon aus, dass Geflüchtete, die Drogen haben, zwangsläufig Handel treiben, da sie ja sonst kein Einkommen haben. Im unverhältnismäßigen Strafmaß gipfelt dann der hässliche Rassismus der Rechtsprechung.

Dass sich einige AnwohnerInnen St. Paulis die Hetzjagd auf Schwarze nicht bieten lassen, schmeckt den Verantwortlichen nicht. Der Senat will offenbar nicht, dass 30 Geflüchtete an der Waterkant stehen, wenn die „Queen Mary 2“ vorbeifährt. Denn sie stehen für das Versagen der Asylpolitik. Sie illustrieren auch die Unfähigkeit, den Menschen, die ohne Besitz in eine der reichsten Gesellschaften der Welt kommen, eine Perspektive zu bieten. Sie nagen am Gewissen. Sie sind zu viele, sie sind zu arm, sie sind zu schwarz.

Nur: Wie wird man die Unglücklichen los? Dafür gibt es das Gefahrengebiet – verfassungswidrig? Egal! –, um Personenkontrollen durchzuführen. Dass das kein Problem löst, sondern nur zu Vertreibung führt, sollte allen klar sein.

Dabei könnte man die jungen Menschen ganz ohne Gewalt aus dem informellen Sektor bekommen: „Arbeitserlaubnis“ heißt das Zauberwort. Dealen ist ein Scheißjob. Niemand, der die Wahl hat, macht das freiwillig.

Aber solange die Gesetze das verbieten, bleibt dem Senat nur die Repression. Den Anderen das schlechte Gewissen, verkörpert von schwarzen Gestalten, ohne Rechte und ohne Perspektiven am Hafenrand.

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7 Kommentare

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  • Zu kurz geschlossen!

    Dies ist vermutlich schon ein Fall von Rassismus - aber nicht bei Polizei oder Gericht!

    Das Recht sieht vor, dass kleinere Straftäter mit festem Wohnsitz und Arbeitsplatz nicht resozialisiert werden sollen, während Straftäter ohne festen Wohnsitz und ohne Arbeit keine soziale Verankerung haben, die sie von weiteren Straftaten abhalten würde. Diese Klausel kann man kritisieren - sie ist aber nicht rassistisch.

    Rassistisch ist dagegen Menschen mit bestimmten Staatsangehörigkeiten zu verbieten bei uns zu sein und bei uns zu arbeiten. Für diese Menschen ist Drogenhandel einer der wenigen Erwerbsmöglichkeiten.

    Anstelle also auf Polizei und Gerichte zu schimpfen und sie Rassisten zu nennen, sollte auf Bundesregierung und Bundestag geschimpft werden, den diese kriminalisieren jede Erwerbsmöglichkeit basierend auf der Abstammung. Polizei und Gerichte führen diese rassistischen Gesetze dann nur aus. Aber das Bild von rassistischen Polizist_innen ist einfach plakativer als das Bild einer rassistischen Frau Merkel, die die rassistische Tradition des blutbezogenen Staatsbürgerschaft und der Arbeitsverbote für Asylbewerber fortsetzt.

  • Es ist schon etwas merkwürdig wenn ein Dealer mit ein paar Gramm Dope erwischt wird eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung erhält (als Ersttäter), einer der ein Kind oder Erwachsenen Sexuellmissbraucht aber mit einer Bewährungsstrafe davon kommt. Wie beides erst kürzlich hier in Hamburg. Da kann man sich schon fragen ob die Richter ihre Urteile wirklich im Namen des Volkes sprechen.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Also mir würde es schon reichen, wenn mich die Dealer und die Prostituierten in Hamburg nicht dauernd anquasseln würden. Denen kann man 10mal sagen, dass man kein Interesse hat (nach einer Weile kennt man ja die Gesichter), aber dann bekommt man ne pampige Antwort. Insofern: je mehr von denen hopsgenommen werden, desto besser.

  • Was meintest Du denn mit Hetzjagd?

  • Solche will man ja auch nicht als Nachbarn. Fragen Sie nur Herrn Gauland!

  • Es gibt einen Bodensatz von ca. 30% in Deutschland die sich wieder einen Führer wünschen, die sich ein Regime wünschen, wie in den 30iger Jahren. Das kann jeder in den Studien der Friedrich Ebert Stiftung, die seit mehren Jahrzehnten Studien zum Thema Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus erstellt, nachlesen.

     

    Und ein überproportional großer Anteil dieser 30% Rechten, sind eben auch bei der Justiz in der Gestalt von Richtern und Staatsanwälten tätig, sodass es wahrscheinlich erscheint, dass in der Justiz die Rechten sogar in überwiegenden Anzahl vorkommen. Dem entsprechend fallen dann auch die Urteile aus.

  • Die vielen großen Demos der letzten Jahre in Hamburg, mit zum Teil 10.000 Teilnehmer:innen für das Bleiberecht der Übersiedler von Lampedusa nach Hamburg, scheinen keine Wirkung auf die Behörden zu haben. oder?