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Kommentar Radikalisierung der AfDMitte-rechts als Mogelpackung

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die AfD wird immer rechter – und immer radikaler. Wer glaubt, dass sie deshalb Anhänger verliert, irrt leider gewaltig.

Parteichef Jörg Meuthen ist zugänglich für das Gesäusel von ganz rechts (Beatrix von Storch, hier: links) Foto: dpa

A lexander Gauland hat in den vergangenen Wochen einer breiten Öffentlichkeit offenbart, dass er völkisch denkt. Es ist atemberaubend, in welchem Tempo der AfD-Vizechef Ton und Inhalt verschärft.

Ob dieses Denken schon immer in dem ehemaligen CDU-Politiker geschlummert hat oder ob hier die Selbstradikalisierung eines alternden Mannes zu beobachten ist, der sich am lange ersehnten Beifall und der eigenen Wirkmächtigkeit berauscht, darüber lässt sich nur spekulieren. Wichtiger ist ohnehin: Gauland steht exemplarisch für die Radikalisierung der AfD.

Drei Beispiele: Dem symbolträchtigen Kyffhäusertreffen, zu dem der rechte Flügel der AfD am vergangenen Wochenende zum zweiten Mal zusammenkam, gab Parteichef Jörg Meuthen mit einer Rede den Segen der Parteiführung. Im vergangenen Jahr hatte diese das Treiben noch kritisch beäugt.

Zweitens will die AfD nach dem neuen Parteiprogramm die Religionsfreiheit der Muslime einschränken. Das verstößt gegen das Grundgesetz. Im Europaparlament macht drittens Beatrix von Storch jetzt gemeinsame Sache mit der britischen Ukip, ihr Kollege Marcus Pretzell hat sich gar mit dem rechtsextremen Front National und der FPÖ zusammengetan. Vor einem Jahr noch wäre das undenkbar gewesen.

Kein Gegensteuern

Intern steuert niemand mehr gegen den Kurs nach rechts. AfD-Chefin Frauke Petry fehlt dazu der Rückhalt in der Parteispitze; ihr Co-Chef Meuthen, als Vertreter des stark dezimierten wirtschaftsliberalen Flügels gewählt, hat scheinbar anderes vor. Bereits auf dem Parteitag sprach er vom „links-rot-grün versifften 68er-Deutschland“ und signalisierte nach rechts: Für mich gehört ihr zur AfD, von mir habt ihr nichts zu befürchten. Seine Selbstbeschreibung als Mitte-rechts, das ist nun klar, war eine Mogelpackung.

Nur beim Antisemitismus setzt sich die AfD, wie andere europäische Rechtspopulisten, noch klar vom Rechtsextremismus ab. In Baden-Württemberg aber muss Meuthen, der dort Fraktionschef im Landtag ist, jetzt drohen, hinzuschmeißen. Er ist unsicher, ob die nötige Mehrheit steht, um einen Landtagsabgeordneten hinauszuwerfen, der sich auf die Protokolle der Weisen von Zion bezieht.

Nun könnte man hoffen, dass die Radikalisierung der AfD einen Teil ihrer Anhänger zur Besinnung führt. Ehemalige CDU- und FDP-Wähler zum Beispiel, denen völkisches Denken und rechtsextreme Parolen dann doch zu weit gehen. Doch so mancher AfD-Anhänger radikalisiert sich mit der Partei.

Nach wie vor halten sie, das zeigen Befragungen, weder sich noch die Partei für rassistisch, völkisch oder rechts – sondern sehen sich in der gesellschaftlichen Mitte. Nicht sie, so die Wahrnehmung, sondern die Gesellschaft habe eine problematische Entwicklung genommen.

Entkoppelt vom Diskurs

Ein Teil der Anhänger scheint zudem von einem kritischen Diskurs zunehmend entkoppelt zu sein. Informationen fließen über die sozialen Netzwerke, aus dem Netz, aus einschlägigen Medien. Eine Reflexion darüber findet nicht statt. Was Fakt ist und was Fake, ist zweitrangig, wenn es nur ins Weltbild passt. Ist das nicht der Fall, wird die Quelle schnell als System- oder Lügenpresse abgetan.

Für Medien und Öffentlichkeit ist das ein Dilemma. Es kann sein, dass von den Gauland-Festspielen, mit denen die Medien in den vergangenen zwei Wochen den AfD-Vizechef zu entlarven suchten, bei seinen Anhängern nichts Kritisches hängen bleibt. Schlimmer noch: dass seine Präsenz die Wirkung seiner Aussagen eher noch verstärkt. Deshalb spricht viel dafür, nicht jede AfD-Äußerung zu skandalisieren, auch wenn sie es im Einzelfall verdient hätte.

Und doch ist es notwendig, der AfD argumentativ zu begegnen. Ruhig und sachlich im Ton, klar in der Ansage. Wie das geht, haben Justizminister Heiko Maas und die Migrationsforscherin Bilgin Ayata in der Auseinandersetzung mit Gauland am Sonntagabend im Fernsehen gezeigt.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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15 Kommentare

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  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Nun ich habe beschrieben warum man es trennen kann und sogar muss.

     

    Aber chacun à son gout.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Die AfD ist sich seit Petry & Co. selbst schon längst aus dem Ruder gelaufen und steuert auf einen rechten Sog zu, dem sich auch - noch - sich als Demokraten bezeichnende nicht mehr entziehen können.

    Meuthen ist jetzt schon auf dem Wege der Wandlung vom Täter zum Opfer.

    • @571 (Profil gelöscht):

      "Die AfD ist sich seit Petry & Co. selbst schon längst aus dem Ruder gelaufen..."

       

      Durch was? Durch das ewige walten des Schicksals oder der Vorsehung?

       

      Oder sind es doch die handelnden Personen, die den Kurs bestimmen?

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Oder sind es doch die handelnden Personen, die den Kurs bestimmen?"

         

        Siehe Kommentar-Zitat.

  • Scheint alles ganz nett, in diesem Beitrag. Aber er läßt vollkommen außer Betracht daß die AfD das Produkt des völligen Versagens der "Volksparteien" ist welche ebenfalls nach rechts gerutscht sind und ebenso radikal - marktradikal - geworden - sind. Und damit die Angst vor dem Abgehängtwerden produzieren welches die Wählerschaft der AfD hervorruft.

     

    Die Wähler der anderen Parteien - und die Journalisten - sind auch nicht besser. Sie pflegen, wohlsituiert, ihre Köpfe in den Sand zu stecken.

     

    Insgesamt ein mediokres Dramatisieren und Herumhacken auf Symptomen. Dann noch den selbstgerechten und abgehobenen SPDler Maas aufs Tablett zu heben macht die Sache nicht besser.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Ulrich Frank:

      "... daß die AfD das Produkt des völligen Versagens der "Volksparteien" ist welche ebenfalls nach rechts gerutscht sind und ebenso radikal - marktradikal - geworden - sind."

       

      Gilt für (zutreffendes unterstreichen):

      CDU CSU SPD GRÜNE

      ?

       

      Gut, dass Sie zwischen Sozialdemokrat und SPD-ler einen Unterschied machen (siehe Maas).

  • Der Hinweis auf die Entkopplung der AfD-Mitläufer vom gesellschaftlichen Diskurs ist wichtig, aber wie soll verstandesgelenkter Diskurs mit Leuten geführt werden? Jahrzehntelange Beschallung durch BILD und Kommerz-Trash-TV, Selbsthingabe in einen Geiz-ist-geil-Kommerzialismus haben die politische Urteilsfähigkeit dieses Klientels dermaßen auf den Hund kommen lassen, dass viele der AfD-Wähler die CDU allen Ernstes als „linke“ oder gar „linksradikale“ Partei wahrnehmen.

     

    Das Leben in der Hass-Bubble ist ja so schön bequem. Facebook steuert über seinen Algorithmus nur noch gleichgerichtete Inhalte aus dem rechtsaußen Milieu hinzu, die ausschließlich selbstverstärkende Effekte haben. Die Bubble als selbstreferentielles System, die AfD als eine kontinuierliche Angst- und Hysteriemaschine.

     

    Die Katalysatorfunktion der (a)sozialen Netzwerke hat hier eine neue Dimension geschaffen, die Außenstehende oft unterschätzen. Was man/frau früher nur im kleinen Kreis zu äußern wagte an schäbigen Aussagen gegen „Ausländern, Politiker, Schwule“ findet man nun zuhauf im Netz herausgerotzt von anderen und siehe da, der gemeinhin feige Biedermann, der gern mitschwimmt und dabei nach unten tritt, er und sie sieht sich plötzlich umgeben von Gleichgesinnten und erklärt sich sogleich zum ganzen Volk. So funktioniert Autosuggestion.

     

    Ich mache mir ab und zu die Mühe oder den Spaß mal bei HuffPo oder gar unappetitlichen Portalen wie focus.de reinzuschauen, wie die Stimmungslage so ist. Beispiel: Jogi Löws gestriger gelungener ironischer Kommentar: „Gut, wenn man einen Boateng als Nachbarn in der Abwehr hat". Die Resonanz im AfDNPDPegida-Milieu ist vollkommene Verleugnung oder verbiestert, schlecht gelaunte Ablehnung.

     

    Daher, wer sich wundert, dass selbst nach einem so offensichtlichen Eigentor durch Gauland & Petry (im Falle Boateng & Özil) die Zustimmung zur AfD nicht abnimmt, hat die Wirkmechanismen der Hass-Bubble in den sozialen Netzen bis heute nicht verstanden.

  • „Nur beim Antisemitismus setzt sich die AfD, wie andere europäische Rechtspopulisten, noch klar vom Rechtsextremismus ab.“

     

    Warum ist eigentlich eine antisemitische Äußerung schlimmer, als eine rassistische Äußerung über einen Nichtjuden? Oder besser gesagt. Ist Rassismus gegenüber einem Angehörigen eines anderen Volkes wirklich nicht so schlimm, wie Rassismus gegenüber einem Juden?

     

    Wer Rassismus je nach betroffenen Volk in schlimm und weniger schlimm einteilt, betreibt das Geschäft der Rechten. Diese spielen nämlich geschickt mit solchen Unterscheidungen. Der Antisemitismus ist für sie weniger interessant geworden, da andere Bevölkerungsgruppen heute ein „besseres“ Ziel abgeben. Sie brauchen Sündenböcke und Hassziele, um sich die Macht zu erschleichen. Dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, wen der Hass genau trifft. Er muss sich nur möglichst wirksam verkaufen.

     

    Einen Rechten für harmloser zu halten, weil er sich nicht antisemitisch äußert, ist höchst gefährlich.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Rassismus ist Vourteil, Ressentiment.

       

      Der Rassist fühlt sich überlegen dem von ihm beschriebenen Opfer. Es ist dümmer, unfähiger, schlechter, möglicherweise sexuell potenter.

       

      Der Rassist will die anderen "Rassen" einfach nicht bei sich haben, sie sollen bleiben wo der Pfeffer wächst.

       

      Antimitismus ist eine Weltanschauung, ein Welterklärungsmodell. Der Antisemit fühlt sich dem jüdischen Strippenzieher unterlegen.

       

      Er vermutet ihn hinter jeder Kulisse. Er glaubt dass die Juden auf geheimen Wegen die Welt beherrschen.

       

      Er hält sie zu allem fähig. Sie sind verantwortlich für die Finanzkrise, allgemeiner gesprochen für den Kapitalismus, aber auch für den Kommunismus.

       

      Zu Ende gedacht ist der Antisemitismus immer eliminatorisch. Er will das undurchsichtige, bedrohlich erscheinende abstrakte Pinzip des Kapitals aus der Welt schaffen. Deshalb personifiziert er es mit dem Juden und kann es somit vernichten.

       

      Das raffende ist dann weg und es bleibt das identitätsstiftende schaffende Pinzip. Der Volkskörper ist geheilt.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        "Der Rassist will die anderen "Rassen" einfach nicht bei sich haben, sie sollen bleiben wo der Pfeffer wächst."

         

        Das stimmt nicht. Der Rassist stellt eine Werteskala auf, auf der "sein" Volk ganz oben steht. Die Rassisten im Süden der USA z.B. wollen die Farbigen nicht weg haben. Sie wollen sie unter sich haben. Am liebsten so wie vor dem Bürgerkrieg oder wenigstens wie vor der Bürgerrechtsbewegung.

         

        Auch Verschwörungstheorien von Rassisten sind wandelbar. In der antisemitischen Spielart war und ist es die "jüdische Weltverschwörung". Unsere aktuellen Rassisten reden z.Z. mehr von der "islamischen Bedrohung". Beides sind Erfindungen, um Anhänger hinter sich zu scharren.

         

        Der Antisemitismus ist und bleibt eine Ausprägungsform des Rassismus. Man kann das nicht trennen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Müssen wir das wirklich diskutieren?

  • Was Bernd Pickert über den IS schreibt, trifft (in bislang noch abgeschwächter Form) auch auf die AfD zu, fürchte ich: Ihre Führer bieten geistig derangiertesten Gewalt-Fantasten, von denen es in Deutschland mehr zu geben scheint als angenommen, eine Möglichkeit der Einordnung und Rechtfertigung ihrer Wahnvorstellungen. Da wächst zusammen, was zusammen passt.

     

    Die Frage ist, wie lange die Zauberlehrlinge die Sache noch "im Griff" haben werden. Irgendwann in absehbarer Zeit, schätze ich, werden sich die Führer nicht mehr weiter radikalisieren können. Es gibt schließlich noch immer einen Rechtsstaat hier. Dann wird die aufgehetzte Meute sich enttäuscht und wütend abwenden. Was dann kommt? Schau'n wir mal...

    • @mowgli:

      Wird sich totlaufen - wie die "Montagsdemos"

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Welche?