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Kommentar Mord in DessauNichts gelernt

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Eine junge Frau aus China wird ermordet und die öffentliche Aufregung bleibt aus. Dabei deutet alles auf einen handfesten Skandal hin.

Ermittlungen nach dem Mord Foto: dpa

M an stelle sich vor, zwei Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt hätten mutmaßlich eine Joggerin entführt, vergewaltigt und ermordet. Wie lange hätte es wohl gedauert, bis der Fall über die Region hinaus für einen medialen und politischen Aufschrei gesorgt hätte? Wie schnell wäre wohl die Frage gestellt worden, was Herkunft, Kultur und Religion der mutmaßlichen Täter mit der Tat zu tun haben könnte?

Sagen wir es mal so: Es gibt guten Grund zu der Annahme, dass die AfD den Fall für ihre Zwecke genutzt und Alice Schwarzer schnell ein Buch mit dem Titel „Der Superschock“ veröffentlicht hätte.

Um den Fall der ermordeten Joggerin in Dessau gibt es bislang keine vergleichbare Aufregung. Das könnte daran liegen, dass es sich bei dem Opfer um eine 25-jährige Austauschstudentin aus China handelt – und bei den beiden mutmaßlichen Tätern um einen 20-jährigen Polizistensohn und seine Partnerin. Damit passt er nicht in das gängige Vorurteils-Raster, das in Deutschland fast zwangsläufig zu den üblichen rassistischen Reflexen führt.

Dabei deutet alles auf einen handfesten Skandal hin. Es steht der dringende Verdacht im Raum, der Stiefvater des mutmaßlichen Täters – und bislang Polizeichef in Dessau – könnte seinem Stiefsohn dabei geholfen haben, die Spuren des Mords zu verwischen, und ihn auch schon früher vor Ermittlungen geschützt haben.

Doch der leitende Staatsanwalt hält die Behauptung des mutmaßlichen Täters, der vor dem Mord „einvernehmlichen Sex“ mit dem Opfer gehabt haben will, für so plausibel, dass er sie auf einer Pressekonferenz verkündet. Und das alles in Dessau – jener Stadt, die auch durch den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in Polizeihaft für Schlagzeilen sorgte.

Gemessen daran, reagieren Medien und Politik auf diesen Fall bislang erstaunlich verhalten. Man fragt sich, was sie aus dem NSU-Skandal eigentlich gelernt haben. Die bestürzende Antwort lautet: nichts.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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7 Kommentare

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  • Es ist eine sehr menschliche Reaktion, etwas Bedrohliches abzuwehren, sofern es in nächster Nähe passiert. Noch dazu, wenn es um etwas geht, was mit so einem großen Tabu belegt ist, wie sexuelle Gewalt, noch dazu wenn sie in einem Mord mündet und eine Frau an der Durchführung der Tat mutmaßlich beteiligt ist. Folgt man der Berichterstattung, dann hat sich etwas gleichermaßen typisches, wie tragisches abgespielt: einem hoch auffälligen Jungen wird Hilfe vorenthalten und er entwickelt sich zu einem gefährlichen jungen Mann, der - rollenkonform - Sexualität und übelste Gewalt miteinander verknüpft http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/tatverdaechtiger-dessau-soll-kind-bereits-missbraucht-haben-100_zc-3cab68a5_zs-e4873e5f.html

    Welchen Teil die Angehörigen des mutmaßlichen Mörders zu dieser zutiefst desaströsen Entwicklung beigetragen haben, wird sich hoffentlich zeigen. Das macht die junge Frau nicht wieder lebendig. Aber könnte ihren Hinterbliebenen helfen, diesen Schicksalsschlag besser zu verkraften. Den Leumund einer Toten zu zerstören ist ja ziemlich einfach. Und eine Aufklärung der Hintergründe könnte dazu beitragen, zukünftige Verbrechen ähnlicher Art zu vermeiden. Das typische Verhalten von Jungen, die Misshandlung und Missbrauch zum Opfer fallen, nämlich aggressiv-übergriffig zu reagieren, wird immer noch viel zu häufig fehlinterpretiert.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • In der hiesigen Regionalzeitung ist der Mord an der chinesischen Architekturstudentin bereits seit Wochen Thema. Ich stimme hier @velofisch zu: In diesem Fall scheint es nicht um Rassismus, sondern um ein Sexualdelikt zu gehen, dessen Opfer vermutlich zufällig "ausgewählt" wurde. Der eigentliche Skandal ist tatsächlich die Verwicklung der Polizei selbst in die Vedunklung des Falles. Zur Präzisierung: Die Mutter des mutmaßlichen Täters arbeitet bei der Landespolizei in Sachsen-Anhalt, der Stiefvater ist Chef des Polizeireviers von Dessau.

  • Polizistensohn ermordet Chinesin in Dessau, Polizei hilft Spuren verwischen - passt wie Arsch auf Eimer in mein Vorurteils-Raster.

  • Es werden viele Menschen umgebracht. Ob ein alter Mann, eine junge Frau, Deutsche oder Ausländerin, sollte da keine Rolle spielen. Leider geht hier die Schlagzeile der taz in die falsche Richtung.

    Eine Rolle sollte dagegen spielen, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft versagen, korrupt oder in den Fall verwickelt sind.

    Dies wäre ein handfester Skandal. Die Überschrift müsste also lauten: Polizeiskandal in Dessau. Stiefvater des Verdächtigen verwischt Spuren.

    Das ist leider kein Einzelfall und nicht auf Ostdeutschland beschränkt. Ein weiteres Beispiel wo nicht nur die Justiz sondern auch die Presse versagt hat, ist z.B. der Fall Harry Wörz.

    • @Velofisch:

      Die Schlagzeile der Taz geht darauf ein, dass, wenn der mutmaßliche Täter Schwarz und das Opfer Deutsch gewesen wären, der Fall bundesweit durch alle Medien gegangen wäre.

       

      Hier passiert das nicht, obwohl der eigentliche Skandal durch die Verwicklung der Polizei noch viel größer ist.

       

      Diese Ungleichbehandlung ist der Skandal an der Berichterstattung.

  • Bei allem Respekt, wäre es denn nicht gegangen, den Artikel mit Fakten zu würzen? Möglicherweise hätte man sich die aus der sonstigen Berichterstattung zusammensuchen sollen, aber man fragt sich schon, welche niedrigen Instinkte denn damit angesprochen werden sollen, wenn es außer der Diskussion der Personen der Tatverdächtigen nichts zu sagen gibt zu dem Fall.

  • Natürlich gibt es keine Aufregung. Das ist ja das Spezielle bei diesem Rassismus/Nationalismus: die eigene Gruppe (soziale Schicht, Kultur, "Volk" oder was auch immer) ist per se gut und die anderen schlecht und verwerflich. Wie soll es denn da auch bitte annähernd einheitliche Maßstäbe geben?