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Debatte gleichberechtigt KinderkriegenWer schwanger wird, hat Pech

Johanna Roth
Kommentar von Johanna Roth

Vater werden ist ein Grund zum Anstoßen, schwanger werden ein Problem. Bei der Familienplanung geht der Stress zwischen den Geschlechtern los.

Kinder bekommen ist schön. Aber was wird aus der Karriere? Foto: dpa

G eht ein Mann zur Arbeit und denkt sich: „Puh, ich werde Vater, aber wie sag ich’s meinem Chef?“ Eine eher abstruse Vorstellung, oder? Dass das so unwirklich erscheint, ist leider ein Symptom realer Zustände. Erstens: Der Risikofaktor Kind, den Arbeitgeber so fürchten, ist noch immer weiblich. Schwanger werden ist, vereinfacht gesagt, ein Problem, Vater werden ein Grund zum Anstoßen. Zweitens: Die Sorge, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, plagt immer noch eher Frauen als Männer.

In einer Studie von Berliner Sozialforschern zu den Lebensentwürfen junger Menschen zwischen 21 und 34 Jahren stimmten 2013 53 Prozent der Frauen, aber nur 28 Prozent der Männer folgender Aussage zu: „Wer Kinder hat, kann keine wirkliche Karriere machen.“ Für viele junge Frauen, die über Kinder nachdenken, schwingt noch immer die Sorge mit, dafür den Job vernachlässigen zu müssen. Das ist nicht nur Ausdruck einer gesellschaftlichen Schieflage, was die Gleichberechtigung von Erziehenden angeht. Sondern oft das erste Mal im Leben, dass Geschlechterrollen überhaupt ein Thema sind.

In der Zeit erschien kürzlich ein Artikel, in dem die Autorin die These aufstellte, mit Schwangerschaft und Geburt täte sich plötzlich ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern auf, letztlich auch durch biologische Gegebenheiten, das zu kompensieren unsere Gesellschaft offenbar nicht in der Lage sei. Das kann man so sehen. Ich behaupte, dass sich diese Kluft noch viel früher auftut: Mit dem ersten Gedanken an Kinder und Familie.

Als Frau kommt man mit Mitte/Ende zwanzig irgendwann an den Punkt, an dem eine Schwangerschaft kein Elternschocker mehr wäre, sondern tatsächlich: normal. Vielleicht hat man eine Beziehung, die sich unaufhaltsam diesem Level entgegen harmonisiert, vielleicht will man zumindest vorerst gar kein Kind. Der Gedanke daran aber taucht allein deshalb auf, weil plötzlich der halbe Freundeskreis aus Eltern besteht. Was einen jedenfalls ziemlich sicher ereilt, ist die Frage vor dem Spiegel: Wie komme ich dahin, wo ich beruflich eben hin will – und kann ich das genauso durchziehen, wenn ich mal Kinder haben will?

Selbstverständlich gleichberechtigt engagieren

Diesen Moment vor dem Spiegel kennt so gut wie jede Frau. Fragt man aber einen Mann im selben Alter und in derselben Lebensphase, was er sich so für Gedanken mache zu Beruf und Familienplanung, guckt man erst mal in ein Fragezeichen. Na ja, heißt es dann leicht beleidigt, da werde man sich selbstverständlich gleichberechtigt engagieren. Wenn es dann irgendwann mal so weit sei. Warum also vorher darüber nachdenken?

Dass es ja auch plötzlich so weit sein kann, ist der Horror einer jeden Berufsanfängerin, aber kaum eines Berufsanfängers. Kann es ernsthaft sein, dass wir auch 2016 noch auf dem Stand sind, dass sich eben nur sorgt, wer das Kind austrägt? Gewissermaßen: Wer schwanger wird, hat Pech gehabt?

Unsere Generation bekam die Gleichberechtigung quasi als Kirsche auf der Torte serviert

Für meine Generation hat Feminismus den luxuriösen Status, kein persönlicher Kampf mehr zu sein. Frausein war nie ein Nachteil. Ich wurde nie durch männliche Mitbewerber ausgestochen, ich musste nicht darum kämpfen, wahrgenommen zu werden. Ich ärgerte mich, schlechter bezahlt zu werden – als Praktikantin im Vergleich zu gleich qualifizierten Festangestellten, nicht als Frau im Vergleich zu Männern.

Die gläserne Decke

Die berühmte gläserne Decke war ein Mythos – bis ich jetzt, mit 26, zum ersten Mal dagegen knalle. Beim hundertsten Gedanken „Schwanger werden wäre jetzt aber ganz blöd“. Wenn mir klar wird, dass ich vermutlich einen gut verdienenden Mann bräuchte, wenn man sich die Elternzeit gleichmäßig aufteilen wollte. Wenn ich mich mit Freunden über dieses Thema unterhalte und sich der Gesprächskreis derart sauber in männlich-desinteressiert und weiblich-desillusioniert teilt, dass man sich fragt, was hat sich da eigentlich getan in den letzten zwanzig, dreißig Jahren.

Wir reden uns gerne ein, dass junge Eltern in Deutschland immer gleichberechtigter würden. Gleichberechtigt sind wir zumindest theoretisch, ja – aber nicht gleich. Das zeigt sich spätestens in der Praxis: 80 Prozent der Elternzeit nehmenden Männer beschränken sich auf die zwei „Vätermonate“, zeigen Studien. Und die werden dann verkauft als etwas ganz Besonderes: Schaut ihn euch an, er ist jetzt so richtig VATER, ein echter Full-time-Job, haha. Man muss nur einmal durch Prenzlauer Berg laufen und zählen, wie das Verhältnis von Müttern mit Kinderwagen zum männlichen Äquivalent ist.

Freiheiten gepflegt ignorieren

Was soll man nun daraus schließen? Dass der Mann hierzulande immer noch als Ernährer der Familie gilt, ob nun aus freien Stücken oder, Gender-Pay-Gap sei Dank, bedingt durch höheres Einkommen? Oder aber, dass wir die Gleichberechtigung, die unsere Generation quasi als Kirsche auf der Torte sämtlicher Freiheiten serviert bekam, immer und gerne mitnehmen – aber in Sachen Familie und Erziehung gepflegt ignorieren? Ich weiß nicht, was erschreckender ist.

Fest steht: Beides ist nicht nur eine Frage der Politik, sondern auch der persönlichen Einstellung. Natürlich ist Gleichstellung auch in der Erziehung für immer mehr Männer Thema. Dass das aber weniger eine situative Entscheidung, sondern ein selbstverständlicher Faktor der individuellen Lebensplanung ist – das ist auch 2016 noch eine utopische Vorstellung. Das wird sich mit allen Elterngeldmodellen der Welt nicht ändern lassen. Denn das Problem sind in diesem Fall nicht die Vorstandsetagen, Ministerien oder Stammtische.

Der Spagat zwischen Kind und Karriere bleibt in den Köpfen von vornherein Frauenproblem. Die Männer sehen – wer könnte es ihnen verdenken? – wenig Grund, es von vornherein mit zu ihrem zu machen. Und wir Frauen spielen mit, indem wir es stetig als unsere Bürde beklagen. Erst, wenn potenzielle Väter sich dieselben Sorgen machen, wenn Chefs einen Mann um die 30 mit fester Beziehung genauso ungern einstellen wie eine Frau in ähnlichen Umständen – erst dann sind wir gleich.

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Johanna Roth
taz-Autorin
ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.
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17 Kommentare

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  • Frau kann all die Probleme umgehen wenn Sie bei der Partner/Vaterwahl darauf besteht, dass der Mann sich zu 50% einbringt.

     

    Frau muss eben nur einen solchen Parter wählen.

     

    Wenn man die Bedingung setzt, dann ist der Mann vielleicht nicht so schön/lustig/groß/muskulös/ ggf. Machohaft und wahrscheinlich nicht so karriereorientiert.

     

    Aber da muss Frau eben prioritäten setzen.

     

    Sich ein "Karrieremacho" holen und am ende über fehlende gleichberechtigung mosern ist nicht aufrichtig!

    • @Tim Leuther:

      Das ist jetzt aber ein wenig am Thema vorbei - denn es hat eben nicht nur etwas mit der Patnerwahl zu tun, sondern wie eine Gesellschaft / der Arbeitgeber generell zum Thema Mann : Kind und Frau : Kind steht. Und Stand 2016 ist es einfach so, dass man nach wie vor als Frau Mitte 30 anders behandelt wird als ein Mann - da das Damoklesschwert der Schwangerschaft über der Frau und nicht dem Mann hängt (und da ist es meinem zukünfigen Arbeitgeber bei der Einstellung egal ob ich einen Machomann oder einen "Kinder"mann habe - er glaubt es ja eh nicht was ich als Frau zu ihm sage)

      • @sunshinenelly:

        Dieser Artikel handelt eben NICHT von Diskriminierung von Frauen VOR der Schwangerschaft. Dann wäre dein Punkt absolut angebracht. Sondern von den Problemen die Mütter haben.

         

        Und hier ist es ganz klar die Möglichkeit der Frau durch die Parnterwahl die Karrierekonsequenzen der Partnerschaft zu wählen.

         

        Die "Vergesellschaftung" der Konsequenzen privater, ja intimer Entscheidungen (Partnerwahl) ist meines Erachtens nicht aufrichtig.

  • Wenn das Karriere- Dogma als Krönung der Lebensleistung überwunden würde, wären jetzige Fragen überflüssig. Wenn Kindererziehung nicht mehr als Ballast empfunden wird/ werden müsste, würden keine Schwarze-Peter-Karten mehr ausgeteilt. Die Gesellschaft müsste sich schon grundlegend verändern, dass sich an dieser Schieflage etwas verändert.

  • Wer kein Kind will, muß keines bekommen, Stichwort Verhütung.

  • "Kinder bekommen ist schön. Aber was wird aus der Karriere?"

     

    Hm. Wie wär´s mit einer Entscheidung? Ich z.B. finde Motorradfahren ganz schön. Aber was wird aus der Karriere?

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      So ist es! Diese Debatte wurde so weit getrieben das viele überhaupt nicht mehr auf die Idee kommen es könnte sein das die Entscheidung bei Ihnen liegt.

      • @33523 (Profil gelöscht):

        Ja. Oft sind´s genau die Leute, die sich sonst über staatliche Bevormundung beklagen.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Männer und Frauen werden niemals gleich sein, weil sie von Natur aus unterschiedlich sind. Der Gleichheits-Gedanke der hier so gerne verbreitet wird ist ansich Utopisch, nicht nur in dieser Frage und nicht nur auf der Mann-Frau-Skala. Man kann nur eines von beidem haben gleiche Rechte und unterschiedliche Ergebnisse oder gleiche Ergebnisse und eingeschränkte Freiheit.

     

    Insbesondere in dieser Frage zeigt sich in welche Wohlfühl-Weltischt man sich hier geflüchtet hat. Es soll alles auf einmal gehen und am besten auch noch ohne Stress, sonst bekommt man ja gleich Burnout. Kinder will man haben und dann noch einen top Job. Das geht unter Umständen mit einem normalen Sachbearbeiter-Job aber nicht mit einer Führungsposition.

     

    Ich habe die desastreusen Resultate aktiv erziehender Führungspositionen schon in vielen Firmen zu Gesicht bekommen. In der Regel sind das langjährige Angestellte gewesen die über Jahre richtig Gas gegeben haben und dann befördert wurden. Zwei oder drei Kindern später ging es dann aber mit der Leistung rapide bergab. Die Mitarbeiter der Person leiden darunter, die einstige Beliebtheit ist dahin und weicht einer berechtigten Wut auf den verantwortungslosen Chef, der spät kommt und nach exakt 8 Stunden wieder zu seiner Familie will. Die Mitarbeiter müssen dann seine Versäumnisse ausbaden und selber noch ein paar Stunden dran hängen.

     

    Ihre Idee von Gleichheit ist romantisch aber unrealistisch. Wer diesen Gedanken konequent zu Ende denkt kommt zu dem Ergebnis das es ohne Zwang keine Gleichheit geben wird. Das gilt auch für viele andere Artikel die irgend eine Art von Gleichheit fordern. Wenn man absolute Gleichheit will dann muss der Staat einem vorschreiben wie lange man erzieht, in welchem Job man arbeiten darf, wo man wohnen darf und so weiter. Etwas sehr ähnliches hatten wir in der DDR bereits. Niemand fordert hier die DDR zurück aber viele fordern hier unreflektiert Dinge die sich nur mit den Mitteln erreichen lassen die dort angewandt wurden.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      es geht nicht um GLEICHHEIT, sondern um GLEICHBERECHTIGUNG.

      Niemand hat behauptet , Männer und Frauen wären gleich, die Forderung nach gleichberechtigter beschäftigung dieser mit der Familienplanung.

      Eigentlich hat der obige Text das ganz schön und in relativ einfachen Worten erklärt.

      • @pippilotta_viktualia:

        "Gleichberechtigte Beschäftigung", so wie Sie die vermutlich meinen, wäre nicht fair den Kollegen gegenüber die sich für die Kariere und gegen die Familie entschieden haben. Wenn Mitarbeiterinnen im Arbeitsvertrag auf Mutterschaftsschutz und Elternzeit verzichteten (mE. vom Arbeitsgesetz nicht vorgesehen) würden sie sich vermutlich weniger Vorbehalten ausgeliefert sehen weil sie sich durch diesen Verzicht de facto mit ihren männlichen Kollegen gleichstellen würden. Ein ähnlich defensives Deutsches Arbeitsrecht hat ja auch in den letzten Jahren zu einer regelrechten Explosion von befristeten Arbeitsverträgen und Leiharbeit geführt, die Abwägung zwischen Rechteverzicht und "Einstellbarkeit" ist also keines Wegs nur auf Frauen beschränkt.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @pippilotta_viktualia:

        Natürlich geht es da um das Erreichen von Gleichheit, denn gleiches Recht gilt für Männer und Frauen bereits seit langem oder können Sie mir einen Paragraphen nennen der Frauen benachteiligt?

         

        Was dort angesprochen wird ist Privatsache. Ob der Mann nun 2 oder 6 Monate Elternzeit nimmt wird vom Gesetzgeber glücklicherweise nicht vorgeschrieben.

  • Liebe Johanna,

     

    du hast größtenteils recht; vielleicht kann ich deine Meinung noch aus männlicher Perspektive ergänzen: wenn ein Mann mehr als seine zwei Vätermonate nimmt hat er oft größere berufliche Nachteile als eine Frau. Scheinbar ist es von den Arbeitgebern eher akzeptiert, dass Frauen 12 Monate (oder mehr) Elternzeit nehmen. Eine Lösung könnte hier ein anderes Elterngeldmodell sein, z.B. insgesamt 24 Monate Elterngeld, 12 Monate für die Frau, 12 Monate für den Mann.

     

    Auch Teilzeitarbeit ist bei Männern ein absoluter Karrierekiller, bei Frauen nicht unbedingt.

    • @Robert77:

      "Auch Teilzeitarbeit ist bei Männern ein absoluter Karrierekiller, bei Frauen nicht unbedingt."

       

      Bei Frauen dann sicherlich nur nicht, weil die Karriere sowieso meist flacher verläuft. Der Karrierevorteil von Männern besteht meist von Anfang an, eben weil die Frauen schwanger werden können.

      • @Hanne:

        Hanne, es mag sein, dass die "steilen" Karrieren insbesondere von Menschen gemacht werden, die entweder keine Kinder haben oder sich um diese nicht kümmern.

         

        Aus meiner beruflichen Erfahrung kann ich aber sagen, dass für Männer Teilzeitarbeit ein Karrierekiller ist, während gleichzeitig Frauen in Teilzeit in Führungspositionen wechseln.

         

        Persönlich habe ich mich übrigens gegen eine Karriere und für Kinder und Teilzeitarbeit entschieden und bereue das nicht. Insbesondere beneide ich auch niemanden, der für seine Karriere auf Familie verzichtet, ganz im Gegenteil.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @Robert77:

      Es besteht auch heutzutage schon die Möglichkeit sich die Elternzeit anders einzuteilen als es i.d.R. geschieht.

       

      Den Eltern nun vorzuschreiben wie sie sich ihre Zeit einzuteilen zu haben ist unfreiheitlich. Was eine solche Regelung aussagt ist: Der Staat weiß besser wie ihr euer Leben zu organisieren habt als ihr selbst.

      • @33523 (Profil gelöscht):

        Soweit ich mich erinnere, wurden die extra zwei Monate tatsächlich erst im Nachhinein ergänzt, weil es so war, dass die Elternzeit aufteilbar war, aber diese kaum Männer wahr genommen haben. Dann gab es den politischen Trick mit den zusätzlichen zwei Monaten, die es aber nur gibt, wenn das andere Elternteil (meist Vater) auch mind. zwei Monate Elternzeit nimmt. So wurden aus 12, 12+2, die zumeist in genau diesen Anteilen auch von Mutter und Vater in Anspruch genommen werden.