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Kommentar Anschlag auf Sikhs in EssenDer Anschlag, der keinen interessierte

Der Anschlag auf eine Minderheit zeigt, dass deutsche Islamisten nicht nur große Ziele im Visier haben. Bisher war die Tat nur eine Randnotiz.

Sollte nicht verharmlost werden: Szene des Terroranschlags Foto: dpa

Obwohl schnell klar wurde, dass im Sikh-Tempel in Essen eine Bombe explodierte, und nicht zufällig eine Gasflasche oder ähnliches in die Luft ging, hielt sich die öffentliche Aufmerksamkeit für das Attentat in Deutschland sehr in Grenzen. Am Samstag bekundete die Polizei, dass kein terroristischer Hintergrund erkennbar sei, und darauf verließ man sich in den deutschen Medien erst einmal. Der Anschlag wurde zur Randnotiz, nach den Hintergründen fragte niemand mehr. Internationale Medien, vom Independent bis zur Washington Post, berichteten unterdessen, unter Bezug auf Medien der Sikhs, längst vom Bombenattentat.

Der Anschlag von Essen zeigt eins: Es gibt in Deutschland gewachsenen islamistischen Terror, der sich auch durch Taten im Inland äußert. Er hat nicht immer große Ziele im Visier wie den Bundestag, einen Hauptbahnhof oder eine deutsche Einkaufsstraße. Der islamistische Terror kann sich auch gegen Minderheiten richten. Es gibt 13.000 Sikhs in Deutschland. Sie sind ein Teil der Gesellschaft und exponieren sich nicht durch radikale Ansichten.

In Deutschland gab es nun also einen Anschlag auf eine religiöse Minderheit. Die Täter waren keine Nazis, sondern jugendliche mutmaßliche Islamisten. Die Tat sollte jetzt nicht verharmlost werden, sondern bewertet werden als das, was sie ist: islamistisch-politisch motivierter Terrorismus. Dass dieser gerade im Ruhrgebiet zuschlägt, ist kein Wunder.

Seit Jahren können extremistische Prediger und Gemeinden sich hier ausbreiten. Stände der sogenannten „Lies“-Kampagne, bei der junge Salafisten Korane verschenken, sind Woche für Woche im öffentlichen Raum zu sehen. Die Zivilgesellschaft hat im Ruhrgebiet, wie im Rest der Republik, keine Antwort auf die islamistischen Terrorbotschaften gefunden. Bislang schweigt sie – aus Angst, etwas Falsches zu sagen.

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9 Kommentare

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  • Der Koran gesteht Christen und Juden ein paar Minderheitenrechte zu, nicht aber Polytheisten wie zum Beispiel Sikhs und Hindus oder Buddhisten, die als Götzenanbeter gelten. In vielen islamischen Ländern ist es immer noch unter Strafe gestellt, vom Islam abzufallen. Toleranz geht anders.

     

    Ich denke es wäre an der Zeit, eine kritische Diskussion über den Islam und seine Lehre zu führen. In einer offenen Gesellschaft muss das erlaubt sein, selbst wenn es manchen Muslimen nicht gefallen wird.

     

    Falls wir aber vor einem Diskurs zurückschrecken weil der Islam keine Kritik toleriert, sollten wir uns fragen, wie viele moslemische Einwanderer unserer Gesellschaft und Kultur noch zuträglich sind.

  • "Am Samstag bekundete die Polizei, dass kein terroristischer Hintergrund erkennbar sei"

     

    Die Geschwindigkeit, mit der das festgestellt wurde, hat mich sofort an die Keupstraße erinnert.

     

    Sehr treffender Artikel. Bringt es sehr gut auf den Punkt.

  • Das ich so einen Artikel noch in der TAZ erleben darf - prima.

     

    Es ist überfällig sich mit Islamismus auseinander zu setzen - vor allem unter den Linken.

    • @Justin Teim:

      Sie haben völlig Recht. Nur wenn man als Linker (oder auch nur als vernünftiger Mensch) denen, die sich mit "Islamismus" auseinanderzusetzen glauben, versucht zu erklären, dass es, wenn man tatsächlich über Islamismus sprechen möchte, 98% der Muslime in Deutschland nicht betrifft, dann geht der Rolladen runter. Man würde schönfärben, Fakten ignorieren. Blabla. Wenn ich über 10.000 Salafisten mit problematischen Ansichten spreche, dann betrifft das die anderen ca. 4 Mio. Muslime in Deutschland nicht. Das ist ungefähr so, als würde man über "das" Christentum in Deutschland sprechen, aber eigentlich nur die Zeugen Jehovas meinen.

  • Terror interessiert eben nur, wenn man sich vorstellen kann, selber in solch eine Situation zu kommen. Der Rechtsterrorismus gegen Flüchtlinge interessiert ja im Prinzip auch kaum jemanden. Terror der sich gegen eine Minderheit richtet wird eben nur von dieser Minderheit als Terror wahrgenommen. Aber wenn in Brüssel in der U-Bahn eine Bombe hochgeht, dann macht man sich bei der nächsten U-Bahn Fahrt auf dem Weg zur Arbeit eben schon Gedanken.

    Es stellt sich die Frage wie eine Gesellschaft allgemein mit extremistischen Bewegungen - ob politisch oder religiös - umgeht. Beim Rechtsextremismus fehlt der Zivilgesellschaft doch genau so eine Antwort. Auf der einen Seite stehen Meinungs- und Religionsfreiheit und auf der anderen Seite müssen doch irgendwo Grenzen gesetzt werden (man sieht bei der NPD wie schwierig das ist). Nur Verbote alleine lösen das Problem ja auch nicht. Ursachen der Radikalisierung zu verstehen und zu bekämpfen ist wesentlich schwieriger und nicht Stammtisch/Talk-Show kompatibel.

    • @JoWall:

      Hat nicht gerade der Rechtsterrorismus gegen Flüchtlinge aus Freital Polizei, Presse, Politik und Publikum so sehr beschäftigt, dass 3 verletzte Sikhs nun wirklich nicht mehr groß beachtet werden konnte?

    • @JoWall:

      interessante Perspektive. Stimmt aber. Was interessiert uns der Terror der Welt? Normalerweise nicht. Wobei das in fast allen anderen Ländern ähnlich sein dürfte und damit normales menschliches Verhalten darstellt. Leider werden die Ursachen der Radikalisierung derzeit überhaupt nicht bekämpft. Präventivarbeit ist halt langwierig und aufwändig. Und man braucht einen festen Standpunkt und Wertekanon, überhaupt aktiv werden zu können (die Grenzziehung). Hier stiehlt sich derzeit jeder aus der Verantwortung. Ergo: schlechte Aussichten ...

    • @JoWall:

      Es erscheint ziemlich reflexhaft, auf einen Artikel, der sich auf einen mutmaßlich sunnitisch begründeten Anschlag bezieht, mit Rechtsterrorismus zu kontern. Weder bzgl. der Beweggründe noch der möglichen Gegenmaßnahmen gehören diese Gruppen in einen Topf.

      • @Chutriella:

        Hauptaufhänger des Artikels ist, dass es niemanden interessiert und es nur eine Randnotiz war und auf genau diesen Aspekt bezieht sich mein Kommentar. Seit Jahren gibt es fast täglich Rechtsterrorismus in diesem Land und es wir weitgehend ignoriert und nicht als Terrorismus bezeichnet. Abgesehen davon denke ich, dass es durchaus Parallelen bei den Ursachen als auch und bei der Bekämpfung gibt.