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Kommentar Beleidigung von StaatschefsEin unnötiger alter Zopf

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Paragraf zur Beleidigung von ausländischen Staatschefs gehört abgeschafft, denn er ist überflüssig. Und belastet die Regierung unnötig.

Ist schon als Privatperson vor Beleidigung geschützt: der türkische Präsident Erdoğan Foto: reuters

P olitiker müssen im öffentlichen Meinungskampf mehr aushalten als normale Bürger, sagt das Bundesverfassungsgericht. Dazu passt nicht, dass es im Strafgesetzbuch einen Paragrafen gibt, der die Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern besonders unter Strafe stellt. Dieser Paragraf 103 sollte deshalb, wie von der SPD vorgeschlagen, baldmöglichst abgeschafft werden.

Faktisch würde sich dadurch aber nicht viel ändern. Denn die einfache Beleidigung bleibt ja strafbar (Paragraf 185), und auf dieses strafrechtliche Verbot kann sich natürlich auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan berufen.

Die Rechtsprobleme sind bei beiden Delikten dieselben: Wie weit geht die Kunstfreiheit? Wo beginnt die Menschenwürde? Kann nun jeder hetzen, wie er will, wenn er nur behauptet, damit die Rechtslage erklären zu wollen? Gilt das dann auch für Pegida oder nur für Jan Böhmermann? Dass die Beleidigung eines ausländischen Staatschefs schwere politische Folgen haben kann, muss nicht durch einen eigenen Paragrafen ausgedrückt werden. Dies kann bei einer Verurteilung wegen einfacher Beleidigung auch in der Höhe des Strafmaßes berücksichtigt werden.

Eine Abschaffung von Paragraf 103 würde vor allem die Bundesregierung entlasten. Sie müsste nicht mehr entscheiden, ob sie ein derartiges Strafverfahren „ermächtigt“. Gerade daraus wird heute ja eine Staatsaffäre; die Notwendigkeit der Ermächtigung ist also eher kontraproduktiv.

Außerdem ist die Ermächtigung doppelt verzichtbar. Schließlich könnte die Regierung ein Strafverfahren eh nicht verhindern, weil der Betroffene als Privatperson ja auch einen Strafantrag wegen einfacher Beleidigung stellen kann.

Und bei völlig abwegigen Strafanträgen (zum Beispiel gegen berechtigte Kritik) würde die Staatsanwaltschaft einfach mal kein Verfahren eröffnen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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12 Kommentare

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  • Es ist auch zu hinterfragen, ob es überhaupt um eine Beleidigung handelt.

     

    (I)Ist in einer humoristischen Sendung eines Komikers eine Beleidigung überhaupt möglich?

     

    (II)Und wie wurde eine mögliche Beleidigung empfangen? Wird die betreffende Sendung in der Türkei ausgestrahlt?

  • Neben der SPD auch Herr Ströbele möchte den § 103 Strafgesetzbuch abschaffen. Nach seiner Auffassung ist dieser § mit Ungerechtigkeit gegenüber den Menschen in Deutschland verbunden.

     

    Da hat Herr Ströbele eigentlich recht. Denn nach dem Artikel 3, Abs. 1 im Grundgesetz sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Somit einen extra § über Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten zu haben, der schon mit härteren Strafen verbunden ist als eine einfache Beleidigung von Bürgern gemäß § 185 Strafgesetzbuch, bedeutet eine Ungleichbehandlung vor dem Gesetz.

  • Wie sieht es denn mit dem Bundespräsidenten aus? Der hat auch seinen eigenen § (§90 StGB). Und der muss Strafverfolgung auch selbst ermächtigen.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Da es heute nur noch in rückständigen Ländern sowas Abstruses wie Ehre gibt, braucht es auch kein Gesetz, das die Beleidigung unter Strafe stellt. Wer sich hierzulande noch beleidigt fühlt, gehört in den Kindergarten.

  • "Dass die Beleidigung eines ausländischen Staatschefs schwere politische Folgen haben kann", das festzustellen ist meines Erachtens sehr wohl Aufgabe der Politik und nicht der Justiz. Es ist Sache der Bundesregierung, festzustellen: Der hat nicht nur beleidigt, sondern damit auch unsere außenpolitischen Beziehungen beschädigt.

    • @Seeräuberjens:

      wesentlich besser geworden sind die Beziehungen zur Türkei durch das B-Gedicht jedenfalls nicht.

  • "Eine Abschaffung von Paragraf 103 würde vor allem die Bundesregierung entlasten."

     

    Warum- die werden dafür bezahlt, dass sie Entscheidungen treffen. Das ist gerade im Erdogan-Fall sinnvoll. Die Regierung muss entscheiden, ob sie wegen der Beziehungen zur Türkei den Weg zu §103 StGB freimacht. Das sollte sie auch, denn wenn eine Beleidigung vorliegt wäre es unerträglich, dass Erdogan nicht den Schutz des 103 bekommt. Ob eine Beleidigung vorliegt - was ich bezweifle - muss dann die Justiz entscheiden.

  • les ich richtig?

    "Wo beginnt die Menschenwürde?"

    au weia!

    • @christine rölke-sommer:

      interessantes Thema, in D gibts noch Beamtenbeleidigung, so daf ein Polizist einen Autofahrer als DEppen bezeichnen, aber ein Autofahrer keinen Polizisten als Bullen !wenigstens in Bayern!

      • @Georg Schmidt:

        Nö, Beamtenbeleidigung als eigenen Straftatbestand gibt's auch in Bayern nicht. Allerdings kann auch ein Dienstvorgesetzter für den "beleidigten" Amtsträger einen Strafantrag stellen, wenn die "Beleidigung während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen wurde."

  • Schuldete uns General Franco Respekt?

    Salazar?

    Pinochet?

    Idi Amin?

    Pol Pot?

    Oder aber Salvador Allende?

  • Menno. Und keiner denkt an die arme Ziege.