: Ein Heim wird kommen
Ausweg Der Senat will die geschlossene Unterbringung auffällig gewordener minderjäh-riger Flüchtlinge bis Ende 2017 realisieren. Was diese erreichen kann, ist weiter fraglich
von Eiken Bruhn
Angekündigt war die geschlossene Heimunterbringung für Jugendliche für Ende 2015, jetzt soll sie Ende 2017 fertig sein. Das teilte der Senat am Dienstag mit. Auf dem Gelände der ehemaligen Justizvollzugsanstalt im Blockland sollen 32 Plätze für Jugendliche aus Hamburg und Bremen entstehen.
Untergebracht werden sollen besonders schwierige Minderjährige, die alleine aus ihren Heimatländern – vor allem Marokko, Tunesien und Algerien – geflohen und durch eine Vielzahl von Straftaten aufgefallen sind. Die meisten sind ehemalige Straßenkinder, die in Heimen Gewalt erfahren haben.
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der die Pläne mit dem Justizsenator und der Sozialsenatorin vorstellte, machte deutlich, dass es ihm in erster Linie darum gehe, die Jugendlichen von der Straße zu bekommen, damit „sie keinen Schaden anrichten können“. Zwischen März 2015 und März 2016 hätten Jugendliche in Bremen 3.092 Straftaten begangen, „ein Drittel ging auf das Konto der unbegleiteten minderjährigen Ausländer“. Als Intensivtäter, die am häufigsten gegen Gesetze verstoßen, gelten derzeit rund 50 junge Männer.
Mäurer sprach von einem „Eingeständnis, dass die nach dem Heimaufenthalt nicht entlassen werden und danach ein normales Leben führen“. Er bezweifle, dass eine größere Gruppe die Chancen ergreifen werde, die ihnen im Heim geboten würden. Er setze daher alles daran, die Männer, sobald sie volljährig sind, in ihre Heimatländer abzuschieben. Das hänge aber davon ab, ob die betroffenen Staaten die mit Deutschland getroffenen Rücknahmeabkommen einhielten.
Wahrscheinlich wird keiner der derzeit auffälligen Jungen das Heim von innen sehen. Entweder, weil sie dann über 18 Jahre und damit zu alt sind – oder weil sie dann so viel verbrochen haben, dass sie im Gefängnis sitzen.
Im März sei der 50. Haftbefehl ausgesprochen worden, sagte Innensenator Mäurer. Dies sei neben der erhöhten Polizeipräsenz rund um den Hauptbahnhof der Grund, warum die Gruppe der Unbegleiteten momentan im Durchschnitt nur noch mit 55 Straftaten im Monat auffalle. Im Dezember seien es mit 109 Delikten so viele wie nie zuvor gewesen. Aktuell befinden sich nach Auskunft des Justizsenators sechs in Straf- und 15 in Untersuchungshaft. Zudem nimmt Bremen seit November 2015 nicht mehr alle Minderjährigen auf, die sich bei den Behörden melden, sondern schickt sie in andere Bundesländer.
Die beiden Senatoren sowie Sozialsenatorin Anja Stahmann (Die Grünen) verteidigten die Entscheidung, das Heim jetzt noch zu bauen. Es brauche langfristig die Möglichkeit „einer robusten Unterbringung“, sagte Mäurer. Auch Stahmann sagte, es brauche „einen Mix an Instrumenten“.
Ob die geschlossene Heimunterbringung mehr als bisher ausrichten kann, ist fraglich. Studien würden zeigen, dass ältere Jugendliche – bei denen sich die Persönlichkeit schon gefestigt hat – nicht so gut erreicht würden wie etwa Dreizehnjährige, bestätigte Heidemarie Rose, Leiterin der Abteilung Junge Menschen bei der Sozialsenatorin. „Es gibt aber durchaus junge Menschen, die Lust auf eine Alternative haben.“ Im Heim, in dem die Jugendlichen maximal drei Monate eingeschlossen würden, müsste ihnen ein gutes Angebot gemacht werden. „Sie brauchen eine Zeit ohne Drogen, etwas Sinnvolles zu tun und es muss eine gute Zusammenarbeit mit Schulen geben“, so Rose.
Die Kosten für den Umbau gab die Sozialsenatorin mit rund fünf Millionen Euro an. Hinzu kommen Betriebskosten, die sie nicht beziffern konnte.
Solange es das Heim noch nicht gibt, sollen laut Senat „Zwischenlösungen“ weiterhelfen. Dabei geht es um die Unterbringung von Jugendlichen in bereits bestehenden Einrichtungen in Hamburg und in Sachsen-Anhalt. Außerdem sollen zwei neue Intensivgruppen mit insgesamt 18 Plätzen in Bremen entstehen.
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