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Kommentar Griechland inmitten der KriseZynismus hat keine Zukunft

Kommentar von Giorgos Chondros

Der Deal mit der Türkei soll die Festung Europa sichern. Doch es gibt auch ein anderes, ein solidarisches Europa, das Hoffnung macht.

Geflüchtete stehen in Idomeni an für Essen. Am Ende der Schlange erwartet sie Solidarität Foto: ap

S eit Montag ist jetzt also der EU-Türkei Flüchtlingsdeal in Kraft. Und? Ist damit eine nachhaltige Lösung in Sicht? Es sieht nicht danach aus: Vom 19. März bis zum 6. April kamen 8.010 Menschen über die Ägäis aus der Türkei nach Griechenland. 53.042 sind insgesamt im Lande.

Letzten Montag wurden erstmals 202 Menschen von den Inseln Lesbos und Chios in die Türkei abgeschoben. Bei ihnen handelt es sich um Geflüchtete aus Pakistan, Afghanistan, dem Irak, dem Iran, aus Indien und Nordafrika, die bis dato keinen Asylantrag gestellt hatten. Zwei Syrer haben aus familiären Gründen selbst darum ersucht, zurück in die Türkei geschickt zu werden. Am selben Tag kamen 339 Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland.

All das geschieht trotz der Präsenz der Nato und trotz der Pflicht der Türkei, den Flüchtlingszustrom zu drosseln. Allein diese Bilanz zeigt, wie zynisch die neue Vereinbarung ist.

Griechenland soll mit diesem Deal dazu gebracht werden, die Türkei de facto zum „sicherem Drittland“ zu erklären, was die EU selber nicht machen kann. Doch wie sicher und menschenrechtskonform die Türkei ist, das weiß ich nicht nur aus Zeitungsberichten. Vor einigen Wochen war ich in Diyarbakır im Südosten. Dort werden aufgrund einer sinnlosen Ausgangssperre täglich Kurden und Kurdinnen von Erdoğans Regime ermordet – vorwiegend Frauen und Jugendliche. Wie die „TIHV-Human Rights Foundation of Turkey“ und die türkische Partei HDP bestätigen, wurden von August 2015 bis Februar 2016 in Cizre, Silopi, İdil und Sur mehr als 492 Zivilisten ermordet, 87 davon sind Kinder.

Giorgos Chondros

Giorgos Chondros ist Vorstandsmitglied der griechischen Regierungspartei Syriza und Autor des Buchs: „Die Wahrheit über Griechenland, die Eurokrise und die Zukunft Europas“.

Ich habe dort Mütter und Väter getroffen, denen es verboten wird, die Leichen ihrer Kinder, die wochenlang auf der Straße liegen, zu begraben. Erdoğans Regime liefert den Zündstoff für einen dauerhaften Bürgerkrieg in der Region, dessen Folge unter anderem neue Flüchtlingsströme sein werden.

Die EU handelt rein ideologisch

Die EU hat mit diesem Pakt eine „Lösung“ vorgezogen, die mit der Bekämpfung der Ursachen nichts zu tun hat. Genauso wie die Beweggründe für den Pakt nur wenig mit den Werten Europas zu tun haben. Vielmehr handelt die neoliberale Europäische Union jetzt wieder rein ideologisch. Genau wie schon während der Eurokrise, die instrumentalisiert wurde, um die Austeritätspolitik EU-weit zu etablieren.

taz.am wochenende

Nach dem Auffliegen des NSU hieß es: nie wieder. Im sächsischen Freital scheint es dennoch zu passieren – eine rechte Terrorgruppe entsteht. Wie es so weit kommen konnte, lesen Sie in der Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 9./10. April. Außerdem: Warum der schwule iranische Schriftsteller Payam Feili in Israel Asyl beantragt. Und: Bierforscher Gunther Hirschfelder erklärt, warum wir noch immer am 500 Jahre alten Reinheitsgebot hängen. Am Kiosk, eKisok oder im praktischen Wochenendabo.

Die Flüchtlingsfrage dient als Vorwand dafür, die „Festung Europa“ auszubauen. Eine Festung, in der Kapital und Waren keine Grenzen kennen, während Menschen, die vor Krieg, Hunger und Umweltkatastrophen fliehen, auf Kriegsflotten und Stacheldrahtzäune stoßen. Errungenschaften wie die Genfer Menschenrechtskonvention sollen genauso wie der Sozialstaat, Kollektivverträge oder soziale Gerechtigkeit und Umverteilung als lästige Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Es gibt aber ein anderes Europa – das solidarische und hoffnungsvolle. Es zeigt sich im Gesicht der griechischen Regierung, die mit minimalen Mitteln versucht, menschenwürdige Lebensbedingungen für die Flüchtlinge zu schaffen. Im Gesicht einer kaputt gesparten griechischen Bevölkerung, die in den letzten 15 Monaten mehr als eine Million Menschen gerettet, unterstützt und aufgenommen hat. Im Gesicht der Tausende Freiwilligen aus ganz Europa, die in Lesbos oder Idomeni Menschen helfen. In den Gesichtern von Ada Colau, Bürgermeisterin von Barcelona, und Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, die freiwillig Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen wollen.

Merkel meinte am 18. März nach dem EU-Türkei-Gipfel, dass „Europa es schaffen wird …“. Ich stimme ihr zu. Allerdings wird das nicht in ihrem Sinne passieren, sondern in unserem. Europa wird solidarisch und sozial – oder es wird nicht sein!

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8 Kommentare

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  • Endlich - was wir schon lange wissen:

    "Im Gesicht einer kaputt gesparten griechischen Bevölkerung," ein ehrlicher Text. Das ist eine Schande für unsere "Christliche und Soziale" Regierung. Sie hat die Finanzkrise zu verantworten!

    Zur Erinnerung:

    1990 befreien Kohl, Waigel und Schäuble mit dem "Finanzmarkt - Förderungsgesetz" die Investitionen am Finanzmarkt völlig von indirekten Steuern. Der Weg wir frei für Spekulation mit Geld. => Die Geldmenge ist inzwischen fünf mal so groß wie das BIP in Deutschland. Der Zauberlehrling Schäuble zittert vor den Märkten. Er bettelt um Vertrauen. „Die ich rief, die Geister, / Werd’ ich nun nicht los.“ Finanzkrise!

    2008 mit der Banken Rettung zerstören wir Europa. Deutschland sei Exportweltmeister" unter Missachtung der makroökonomischen Grundsätze des ausgeglichen Aussenhandels. Wir haben die Exporte an die Griechen selbst finanziert, wohl wissend, dass sie die 300 Mrd Schulden durch ihre Oliven nie werden zurückzahlen können.

    Der deutsche Steuerzahler (die ohne Panama Hut) wird dafür zu haften!

    Das ist der Schluss aus dem Gedicht von Günter Grass 2012 "Europas Schande":

     

    "Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure, doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.

    Verfluchen im Chor, was eigen Dir ist, werden die Götter, deren Olymp zu enteignen Dein Wille verlangt.

    Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land, dessen Geist Dich, Europa, erdachte."

  • Danke & -

    Chapeau vor allen -

    Die mit zivilgesellschaftlichen Mitteln

    Diesen menschenverachtenden

    Asozialneoliberalen Rechtsbrechern -

    kurz - Politikastern in der EU et al -

    Entgegentreten & Handeln &

    Diesem - sorry - politPack -

    Nicht Europa überlassen ~> iSv -

    "Etwas besseres als den Tod

    Finden wie überall!"

    (&nicht wenige nicht einmal das!((

    Denn - Solidarität - allein -

    Nur kann die Antwort sein.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Griechenland wird seit seinem Eintritt in die EU im Jahr 1981 massiv mit europäischem Geld, Zahlungszielverlängerungen, Zinssenkungen und Schuldenschnitten (den von 2012 haben viele vergessen) unterstützt. Ist das nicht auch Solidarität?

      Das nächste Griechenlandpaket wird es übrigens im Herbst geben. Wetten wir?

  • alleine Deutschland braucht pro Jahr mindestens 500 000 Einwanderer netto um den demografischen Wandel aufzuhalten. viele Kleinstädte würden sich freuen nur jährlich wenigsten 20 Familien dauerhaft zuzögen. Atuelles Beispiel Hetstett ( Sachsen - Anhalt).

    einwohner 1990 20 000

    einwohner 2015 14 600

     

    nach Aussage des Bürgermeisters Tendenz stark fallend..., bald 11000

    • 9G
      913 (Profil gelöscht)
      @tomas:

      Immer wenn ich das Wort vom 'Demographischen Wandel' höre, frage ich mich, was denn aus den guten alten Ängsten vor der Überbevölkerung geworden ist.

      • @913 (Profil gelöscht):

        ihre Frage kann ich ihnen nicht beantworten, habe mich den "Ängsten zur Überbevolkerung" nicht beschäftigt und habe auch keie Angst davor...,

    • @tomas:

      Kleinstädte freuen sich nicht. Menschen freuen sich. Zum Beispiel, wenn sie da, wo sie verwurzelt sind, eine Zukunft für sich sehen können. In Sachsen-Anhalt sehen viele Menschen diese Zukunft nicht. Wieso sollten also die Geflüchteten sie sehen? Weil alles besser ist als Bomben und staatliche Verfolgung?

       

      Mag sein. Nur: Keine Bomben gibt es anderswo in Deutschland auch. Und das Versprechen einer Zukunft gibt es gratis obendrauf. In Sachsen-Anhalt können Bürgermeister sich zwar etwas wünschen, versprechen können sie aber nichts. Nicht einmal, dass die Neubürger von denen, die schon da sind, wohlwollend aufgenommen werden. Man würde ihnen ganz zu recht nicht glauben.

       

      Zahlen sind stumm. Für manche Leute ist auch das ein Grund zur Freude. Wenn sie nämlich reden könnten, die Zahlen, würden sie sich ja womöglich selbst erklären.

       

      Übrigens: Hettstedt schreibt man mit zwei „t“.

      • @mowgli:

        danke für ihre Berrichtigungen, ..Menschen freuen sich., und auch danke für die Rechtschreibhilfe von ihnen..., aber meinen Rechtschreibfehler bei Aktuelles ist ihnen nicht aufgefallen, schlechte Leistung