piwik no script img

EU-Referendum in den NiederlandenAugen zu und durch in Brüssel

Juncker ist traurig, sonst geschieht nichts: Die EU-Kommission redet die Niederlage klein und will am Abkommen mit der Ukraine nicht rütteln.

Herr Juncker ist traurig – ließ sein Sprecher verlautbaren Foto: dpa

Brüssel taz | Am Tag der Niederlage war EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker abgetaucht. Keine Interviews, keine Fotos, kein Statement für die Presse. „Juncker ist traurig“, verkündete sein Sprecher Margaritis Schinas – das war’s.

Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk hielt sich bedeckt. „Das EU-Ukraine-Abkommen wird weiter vorläufig angewendet werden“, teilte er lapidar mit. Den Rest müsse er mit dem niederländischen Premier Marc Rutte besprechen.

So kurz angebunden hatten sich die EU-Chefs schon lange nicht mehr gezeigt. Vor einem Jahr, auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise, hielt Juncker sogar eine hochemotionale Pressekonferenz ab, um vor einem Nein zu dem europäischen Sparpaket zu warnen.

Und noch im Januar hatte der Luxemburger vor einer „großen kontinentalen Krise“ gewarnt, wenn die Niederländer das Ukraineabkommen ablehnen sollten. Nun ist genau das passiert – doch Krisenstimmung soll gar nicht erst aufkommen.

Stattdessen versucht die EU, das „Nee“ der Niederländer kleinzureden. „Dies war eine innenpolitische Angelegenheit“, sagte Juncker-Sprecher Schinas. Dabei hat der Streit über das Ukraineabkommen immerhin den Sturz der alten moskautreuen Regierung in Kiew ausgelöst. Nun könnten die Wunden wieder aufreißen – und genau das wollen die EU-Chefs verhindern. Am umkämpften Abkommen soll deshalb nicht gerüttelt werden.

Unmut macht sich breit

Und wo bleibt die Demokratie? Die EU sei eine „Aggregation von 28 Demokratien“, antwortete Junckers Sprecher. Außerdem habe ja auch das Europaparlament dem Abkommen zugestimmt.

Dies war eine innenpolitische Angelegenheit

Juncker-Sprecher Schinas

Doch nun macht sich unter den EU-Abgeordneten Unmut breit. Der niederländische Regierungschef Rutte sei „vor dem Referendum zu sehr abgetaucht“, sagte der Fraktionschef der Konservativen, Manfred Weber (CSU). Das müsse sich ändern – offenbar fürchtet Weber, dass nun auch die Volksabstimmung in Großbritannien über den EU-Verbleib schiefgehen könnte.

Unzufrieden zeigte sich auch der Chef der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer. „Greinen hilft nichts, die EU wird mit der Ukraine nachverhandeln müssen“, sagte er. Das Europaparlament müsse sich für die Gespräche starkmachen – „sonst ist es überflüssig“, fügte Bütikofer hinzu.

Noch grundsätzlicher wurde der Fraktionschef der Liberalen, der Belgier Guy Verhofstadt. Die EU müsse sich grundlegend reformieren, wenn sie nicht scheitern wolle, sagte er.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Rebecca Harms meinte dazu: „Plebiszitäre Elemente zu europäischer Politik, die so angelegt sind wie die gestrige Abstimmung, können die EU in ihrem Bestand gefährden“.

     

    Ja, ja, im Grunde stört die mächtigen EU-Durchregierer das ganze Demokratiegedöns – am besten komplett weg damit. Allmählich frage ich mich, wer den Bestand der EU am meisten gefährdet?

     

    Macht nur weiter so, Ihr superschlauen Politiker. Irgendwann wird Euch die Bevölkerung Europas unmissverständlich klarmachen, was das Wort „Demokratie“ bedeutet. Vielleicht steht sogar ein neues 1789 steht vor der Tür und wird die selbsternannten Allwissenden hinwegfegen.

  • Reinhard Bütikofer: „Greinen hilft nichts, die EU wird mit der Ukraine nachverhandeln müssen“

     

    Da hat wohl Herr Bütikofer was falsch verstanden? Die siegreiche „NEE“-Fraktion bei der Volksabstimmung will keinen anderen Vertrag, sondern GAR KEINEN Vertrag! Weil ihnen erfolgreich eingeredet wurde, dieses Assoziierungsabkommen sei so gut wie ein EU-Beitritt, und den wollen sie schon gleich gar nicht!

     

    Nun feiern die „NEE“-Sager das Ergebnis als „großartigen Sieg der Demokratie“. Wirklich? 19,52 % aller Wähler (= 32 % Beteiligung x 61 % der abgegebenen Stimmen) bestimmen nun über die Köpfe der restlichen 80,48 % hinweg, wie es weitergehen soll. Ist das wirklich Demokratie?

     

    Nun kann man sagen, Schuld sind zum einen die Nicht-Wähler. Denn es denken noch zu viele Leute: „Lass die da oben ihr Ding machen, wir machen unseres und ansonsten ändert sich ja sowieso nichts“. Zum anderen sind es die Protestwähler, die „denen da oben“ nur mal zeigen wollten, wo der Hammer hängt, aber womöglich gar nicht erreichen wollten, was sie erreicht haben.

  • "Die EU müsse sich grundlegend reformieren"

    Ja, wird sie aber ohne kompletten Neustart nicht schaffen. Insofern ist de Denkzettel der Niederländer ein erster kleiner Schritt.

  • >Die EU sei eine „Aggregation von 28 Demokratien“

     

    Eben, nur leider übergehen viele Regierungen die Demokratie und dabei das Volk gerade wenn es um so etwas Generationen verpflichtendes wie EU-Entscheidungen geht.