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Kommentar ZwangsprostitutionNicht nur eine Frage der Moral

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die neue Gesetzesverschärfung gegen Menschenhandel ist der richtige Weg, um gegen Zwangsprostitution vorzugehen.

Hier gibt es keine Zwangsprostitution – das Zimmer ist Teil einer Museumsausstellung Foto: dpa

F älle wie jener in Berlin, bei dem vier Männer zwei Frauen gezwungen haben sollen, als Prostituierte zu arbeiten, sind in jeglicher Hinsicht zu verurteilen. Ebenso wie Zwangsarbeit, Arbeitszwang unter menschenunwürdigen Bedingungen und Menschenhandel.

Es ist absolut richtig, Zuhälter von Zwangsprostituierten sowie Männer, die „wissentlich und willentlich“ mit Zwangsprostituierten Sex haben, zu bestrafen. Und es ist richtig, dass die Gesetzesverschärfungen, die das Kabinett in dieser Richtung am Mittwoch beschlossen hat, unter anderem im Strafgesetzbuch anzusiedeln. Und nicht, wie das früher mal geplant war, in Gesetze zu schreiben, die das Prostitutionsgewerbe an sich regeln.

Auch wenn Gegnerinnen und Gegner des Sexgewerbes gern anders argumentieren: Zwangsprostitution sowie andere Formen des Menschenhandels sind eine Frage des Strafrechts, nicht der Moral. Beides wird gern mal miteinander vermengt. Vor allem, weil das Rotlichtmilieu kein Bereich ist wie jeder andere auch. Man muss das Prostitutionsgewerbe nicht unbedingt super finden, um zu erkennen, dass zwischen Sexkauf sowie -verkauf und Zwangsprostitution ein himmelweiter Unterschied besteht.

Ja, es gibt Frauen (und Männer), die freiwillig ihr Geld mit ihrem Körper verdienen. Viele von ihren wenden sich im Übrigen entschieden gegen Zwangsprostitution und würden Menschen, die das betreiben, anzeigen. Schließlich geht es um ihren eigenen Berufsstand, der nicht in jedem Fall frei ist von Kriminalität.

Und ja, es gibt Freier, die der Polizei melden würden, wenn sie im Bordell auf Frauen träfen, die möglicherweise gegen ihren Willen dort sind. Natürlich müssen die Freier einen Blick für Unrecht entwickeln, sensibilisiert sein für Frauen, die gezwungen werden, mit fremden Männern Sex zu haben. Wenn diesen Freiern Straffreiheit zugesichert wird, so wie das jetzt geschehen soll, könnte Zwangsprostituierten tatsächlich geholfen werden.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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12 Kommentare

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  • Mein Kommentar gestern wurde gesperrt.

     

    Ich habe TAZ & Simone gefragt, woran Freier denn eine Zwangsprostition beim Bordellbesuch erkennen können.

     

    Da Simone hier ein repressives, und berechtigt anzuzweifelndes Gesetz verteidigt, muss sie ja eine fundierte Grundlage für ihre Bewertungen zum Thema "erpresste Prostiution" haben.

     

    Also, Simone, worauf beruht Deine angebliche Expertise?

     

    Bist Du jemals in einem Bordell zu Gast gewesen und kannst daher auch tatsächlich bestätigen, das "Zwangsprostitution" äusserlich erkennbar ist?

  • Wir bekommen mit dem neuen Prostituiertenschutzgesetz ein äußerst miserables Gesetz. Macht aber nichts, dafür können sich die dafür hauptsächlich zuständigen Abgeordneten in dem Wahn sonnen, sie würden mit der Gesetzesverschärfung gegen die Zwangsprostitution gutes tun. Das sie dabei von der Gegenseite verarscht wurden, lass ich mal unerwähnt.

    • @Christian Schatz:

      Außerdem machen sie sich bei allen Verklemmten der Nation beliebt, die langfristig auf ein vollständiges Prostitutionsverbot hoffen, damit sie nicht mehr die einzige Gruppe sind, die eine fade Zwecksexualität leben - und das sind gewaltige Stimmenanteile.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Was hat es mit Verklemmtheit zu tun, gegen Prostitution zu sein? Oder würden Sie umgekehrt allen sexuell (über die reine Zwecksexualität hinaus) aufgeschlossenen Personen unterstellen, Prostitution in Anspruch zu nehmen?

         

        Prostitution entmenschlicht die Dienstleistenden zu reiner Ware, vereinnahmt intimste Bereiche, körperlich wie psychisch. Diese Erniedrigung ist ein brutaler Angriff auf die Menschenwürde. An der tatsächlichen völligen Freiwilligkeit der Prostitution ist in den allermeisten Fällen zu zweifeln: So häufig ist Masochismus nicht.

         

        Man mag offen sein für allerlei "Versautes", aber es gibt Bereiche, da hört der Spaß auf, und wenn jemand dennoch Gelüste in solche Richtungen empfindet, muss er sich zügeln. Dafür hat der Mensch Hirn und Empathie-Fähigkeit.

         

        Dass ich nicht nach einem vollständigen Prostitutionsverbot schreie, hängt einzig daran, dass ich fürchte, es könnte Prostitutionsopfer in den Untergrund und damit in noch schlimmere und gefährlichere Situationen drängen. Nicht, weil ich an Prostitution irgendetwas gutes sähe.

  • ein gesetz an der praxis vorbei...

     

    zurecht will man den menschenhandel und die daraus resultierende zwangsprostitution verhindern. der gegner sind also zuhälter, menschenhändler und die organisierte kriminalität.

     

    fragt sich, warum man den zwangsprostituierten von seiten des staates nicht großzügige zeugenschutzprogramme anbietet, damit sie - und der staat - eine reale chance haben, kriminelle auch tatsächlich hinter gitter zu bringen und die zeuginnen gleichzeitig vor repression schützt.

     

    die zahl der kunden, denen man tatsächlich den vorsatz "wissentlich und willentlich" die elende lage von frauen ausgenutzt zu haben, beweisen kann, wird sich auf jahre im einstelligen bereich bewegen. das ist noch nicht einmal symbolpolitik. zukunftsfähiges totes recht.

     

    wenn die justiz dem organisierten verbrechen das leben schwer machen will, muss sie auch die voraussetzungen schaffen.

     

    ein umfassendes zeugenschutzprogramm für zwangsprostituierte würde helfen. fragen sie den kriminalkommisar ihres vertrauens.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Dieses Gesetz wird an der Versklavung tausender osteuropäischer Frauen nicht das Geringste ändern. Ich möchte den Mann sehen, der seinen Verdacht der Polizei meldet und damit offenbart, dass er gerade im Puff war.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Sie unterschätzen das Moralbewußtsein freier Freier. Klar, der sexuell unfreie Ehemann, der heimlich ein Ventil für seinen angestauten Frust sucht, wird sich nicht outen - denn was, wenn es zu Hause und in der Nachbarschaft bekannt wird? Ich hingegen hätte nicht das geringste Problem damit, wenn ich dadurch einer Frau aus ihrer Zwangslage helfen kann.

       

      Sie sehen also: Das wahre Problem liegt in der Verpartnerschaftlichung der Sexualität und den gesellschaftlichen Zwängen.

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Das wahre Problem ist, dass viele Frauen aus Osteuropa gezwungen werden für Geld ihren Körper zu verkaufen und dass das den meisten Kunden völlig egal ist, solange der Preis stimmt. Hat ein Bordellbesucher wirklich ein Moralbewusstsein?

        • @86548 (Profil gelöscht):

          Ein eingeschränktes Moralbewusstsein, würde ich sagen.

           

          Eingeschränkt, denn sie ziehen nicht die Konsequenzen daraus, sie verdrängen Dinge oder reden sie sich schön (was ja irgendwie schon Ausdruck eines schlechten Gewissens sein mag)

           

          Sie verdrängen, dass nicht jede Zwangslage unmittelbarer Zwang durch einen Zuhälter ist, sondern auch durch finanzielle und soziale Notlagen, ferner Süchte und psychische Nöte.

           

          Sie verdrängen, dass nicht jede Prostituierte, die dem Freier gegenüber so aussieht, als machte sie ihren "Beruf" gerne, ihn auch wirklich gerne ausübt. Denn wen eine Notlage zur Prostitution zwingt, den drängt sie auch dazu, die Freier zufrieden zu stellen und sie nicht vor den Kopf zu stoßen.

           

          Die Freier verdrängen gänzlich, wie schwer sie sich gegen die Menschenwürde schuldig machen.

           

          Es gibt kaum Menschen, bei denen Moralempfinden und moralisches Handeln nicht ein wenig auseinandergehen. Bei Freiern jedoch klafft beides zu weit auseinander. Für Vergewaltigungen - auch wenn sie nicht in Gesetzbüchern als solche kodifiziert sind - gibt es keine Entschuldigung.

  • Ich vermisse nach wie vor zwei Erklärungen. 1. Woran der Freier erkennen soll, dass die Prostituierte unter Zwang handelt. 2. Wie man ihm nachweisen soll, dass er es wusste. Sofern die Prostituierte es ihm nicht sagt und auch nicht grün und blau geprügelt ist, durfte beides ziemlich unmöglich sein.

    • @tim tim:

      Sie reden hier von Ralitäten. Haben Realitäten bei Merkels Truppe jemals eine Rolle gespielt?

  • Gesetzte sind kein Selbstzweck, sondern dafür sorgen, dass geschieht, was die Allgemeinheit für gut, und nicht geschieht, was sie für böse befindet. Dieses Befinden nennt sich Moral. Angesichts dieses engen Zusammenhanges finde ich den Ausspruch "eine Frage des Strafrechts, nicht der Moral" reichlich verfehlt. Natürlich werden Gesetze ihrem Zwecke nicht immer gerecht. In diesem Falle tun sie es jedoch so gut als möglich.