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Neue Tierarten in EuropaDer Hummer muss weg

Krasse Invasion: Wie der amerikanische Hummer Europa bevölkert, Krankheiten verbreitet – und seine Verwandten ermordet.

Auf frischer Tat ertappt: Eine Frau schmeißt einen Hummer ins Meer, angeblich, um ihm das Leben zu schenken Foto: reuters

BERLIN taz Es war das Jahr 1983 in Westdeutschland, da entflohen jene zwölf formschönen, rosafarbenen Chileflamingos ihrer einstigen Heimat und feierten im Zwillbrocker Venn, einem Wald-, Moor- und Feuchtwiesengebiet in Nordrhein-Westfalen, einen echten Bruterfolg. Es schlüpften: Zwei junge Flamingos, und später, weil sie blieben, schlüpften immer mehr.

Seitdem gehören die Chileflamingos zu Deutschland. Niedliche Tiere, zum Träumen schön, ein voller Integrationserfolg. Und dann das Drüsige Springkraut! Einst kam es, 1839, als Import aus dem Himalaja, nun ist es die Freude vieler Gärtner in ganz Europa: quirlständig, eilanzettlich, scharf gezähnt.

Die Geschichtsschreibung botanischer und animaler Ansiedlungen könnte so betulich weitererzählt werden, wären da nicht die Schweden, die EU-Kommission und der amerikanische Hummer, der seine Grenzen nicht kennt. Aber weil das so ist, hat nun in Schweden ein Kulturkampf um den Hummer seinen Ausgang genommen, der sich wie das Umweltprogramm der AfD liest.

Es geht um die Invasion des amerikanischen Hummers, um dessen ungezügelte Vermehrung und die Krankheiten, die er einschleppt. Und natürlich geht es vor allem: um den Schutz des europäischen Hummers. Die Einsicht: Wo ein Tier erscheint, das vorher noch nicht da war, folgen schnell Verdrängung, Konkurrenz und Tod.

Überlebenskampf

Denn die schwedische Regierung, so berichtet der britische Guardian, hat an den Küsten des Landes in den letzten Jahren ganze 30 amerikanische Hummer gezählt, die eigentlich rund um Maine an der amerikanischen Ostküste beheimatet sein sollten. Und wie das mit Meeren so ist: Nun weiß niemand, ob am Meeresgrund schon eine Armada amerikanischer Lobster begonnen hat, die europäischen Artgenossen zu bekämpfen und auch zu verdrängen. Diese sind schließlich kleiner und im Überlebenskampf womöglich unterlegen - und wie das mit Europäern so ist: Wenn es drauf ankommt, verkriechen sie sich in ihren Höhlen.

Um nun also, denn dazu gibt es ja dieses Europa, die Frage ein für alle Mal zu klären, hat die schwedische Regierung am Freitag vergangener Woche die EU-Kommission gebeten, den Fremdhummer als invasive Tierart zu brandmarken und den Import lebendiger Amerika-Hummer in die EU zu verbieten. Der Hummer muss weg.

Denn hinter den vereinzelten Funden der nicht besonders verbreitungsfreudigen Tiere vermuten die Schweden Methode: Schlepper quasi, die die lebendigen Hummer aus den USA mitbringen, um sie in Europas Gewässern anzusiedeln. In Einzelfällen, heißt es aus Schwedens Umweltministerium, seien schon Hummer gefunden worden, die die Plastikbändchen amerikanischer Exportfirmen getragen hätten. Wollen imperialistische Hummerprofiteure so heimlich den europäischen Meeresboden durchsetzen? Das klingt nach Krieg.

Diese Unterstellung und das schwedische Ansinnen macht wiederum die US-Hummerexporteure nervös. Sie könnte ein europäisches Importverbot lebendiger Lobster teuer zu stehen kommen. Weil Gourmets rund um die Welt den Hummer lieber frisch verzehren, wird die Delikatesse – einstmals Essen der Armen – gemeinhin nur lebendig transportiert. Und so laufen sich in den USA bereits die ersten Anwälte und Wissenschaftler warm, um zu beweisen: dass der amerikanische Hummer keine Krankheiten verbreitet. Und dass 30 noch keine echte Invasion bedeutet. Aber darüber lässt sich ja streiten, also: Das kennen wir doch schon aus Sachsen.

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5 Kommentare

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  • man sollte Naturschutz nicht mit Politik vermischen. Das gilt für die nationalistisch gefärbten Heimatschützer, wie auch für den Autor.

    Ein Vergleich mit menschlichen Migrationsbewegungen verbietet sich generell.

    Wenn eine Tierart durch eine andere verdrängt wird und auszusterben droht, ist das sehr wohl relevant.

    Wieso darf man in Afrika das Verschwinden der Nashörner bedauern,

    das Verschwinden von hiesigen Arten aber nicht verhindern?

    Brauchen tun wir beide nicht, aber trotzdem haben sie ein Recht zu existieren.

  • Ach es ist eben so, aus den USA kommt eben nichts mehr gescheites, weder kulturell noch esstechnisch oder biologisch. So ist es eben wenn man turbomäßig reich und Weltmacht werden will. Nichts mehr ist möglich alles implotiert.

  • Huhn oder Ei - was war zuerst? Haben erst die Sachsen den Unfrieden in die Welt getragen? Oder war der Streit schon da, lange bevor sich Sachsen sich wieder Freistaat nennen durfte? Auf sachsen.de heißt es dazu: "Das Land unter der weiß-grünen Flagge gründet seinen Ruf von jeher auf friedlichen Handel und Wirtschaft, Kultur und Geist. Kein Wunder, dass die sächsische Geschichte eher mit den blauen Schwertern des Meissener Porzellans glänzt als mit militärischen Erfolgen." Ob das stimmt, darüber lässt sich sicher prima streiten.

  • "wie das Umweltprogramm der AfD", "Das kennen wir doch schon aus Sachsen"... eine Geschmacklosigkeit und, mit Verlaub, eine Torheit muss ich diesen Artikel nennen, der Natur und Kultur, zwei völlig unterschiedliche Dinge derartig durcheinanderbringt. Im Gegensatz zur Kulturzugehörigkeit eines Menschen ist die Artzugehörigkeit eines jeden Lebewesens genetisch veranlagt und unabänderlich. Von einer Kultur in eine andere kann man integrieren, darüber hinaus tolerieren und akzeptieren. Daher ist nationalistisches Gedankengut als falsch zu bewerten. Eine Tierart dagegen kann keine andere integrieren, darüber hinaus auch allenfalls tolerieren, wenn kein Konkurrenzverhältnis vorliegt. Liegt eines vor, so ist die invasive Art, wenn mit irgendwelchen Überlebensvorteilen begabt, ein Problem für die einheimische und je nach dem, welche ökologische Nische diese besetzt, unter Umständen für das gesamte Ökosystem. Invasionsbiologen, welche diese Probleme aufzeigen, auf eine Stufe mit Nationalisten zu stellen, ist nicht lustig (wie es wenigstens hoffentlich gemeint war), sondern unsachlich, beleidigend und verbietet sich.

  • Bin gern bereit, die Invasoren zu bekämpfen. Sollen ja gut schmecken.