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Publizistin über Frauen im Islam„Man muss auch zweifeln dürfen“

Welches innere Korsett trägt die Muslimin? Sineb El Masrar über dicke Frauen, Monobrauen und islamische Angstpädagogik.

Ob Kopftuch oder nicht, sollte frei wählbar sein. Foto: dpa
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: Frau El Masrar, „Emanzipation im Islam“ heißt Ihr Buch. Gibt es eine Emanzipation im Islam oder gibt es nur eine vom Islam?

Sineb El Masrar: Das hängt ganz von den Frauen ab. Für mich ist Emanzipation im Islam möglich. Ich bin bekennende Muslimin und ich habe in meiner Erziehung gelernt, dass Freiheit und die Selbstbestimmung einer Frau kein Hindernis für den Glauben sind.

Sind Sie die Ausnahme oder sind Sie die Regel?

Meine Eltern wären sicher auch nicht begeistert gewesen, wenn ich etwa mit einem nichtmuslimischen Freund nach Hause gekommen wäre, aber sie hätten es nicht verboten oder mich verstoßen. Und so geht es einer Menge junger Frauen. Manche müssen mehr gegen Traditionen kämpfen und manche weniger, aber die Situation eskaliert in der Regel nicht. Es gibt viele muslimische Frauen, die Mütter sind, berufstätig sind, und ihren Kindern ein ganz anderes Frauenbild vermitteln, und die tragen übrigens durchaus auch Kopftuch. Es gibt aber auch Frauen, die in bestimmten Gemeinden aufwachsen, etwa MilliGörüș,oder die aus dem Zentralrat der Muslime oder auch in der Muslimischen Jugend. Da wird ein Frauenbild vermittelt, das das alles nicht zulässt. Und das ist ein Problem. Wer dort dann andere als die erlaubten Bedürfnisse äußert, kann schnell zur Außenseiterin werden.

Wir sprechen heute über das innere Korsett. Was glauben Sie, tragen Sie als Muslimin ein anderes inneres Korsett als ich?

Das ist individuell verschieden. Ich verspüre zum Beispiel kein speziell islamisches Korsett. Natürlich gibt es universelle Korsetts, die sich leider auch in muslimischen Ländern durchsetzen. In Marokko haben die Frauen lange Zeit ihre Fülligkeit als Schönheit zur Schau gestellt, das hat sich in den letzten Jahren leider verändert. Heute eifern Frauen dem westlichen Schönheitsmodell nach. Ein anderes, typisch südländisches Korsett ist, dass Frau immer möglichst hell sein möchte. Selbst im Krämerladen werden diese Aufhellcremes verkauft. Oder im Iran, da galt eine Monobraue lange als Schönheitsideal.

Eine was?

Eine über der Nasenwurzel zusammengewachsene Augenbraue. Wenn man die nicht hatte, wurde die nachgemalt. Manches eigneten die Frauen sich auch wieder neu an, etwa bestimmte Arten, das Kopftuch zu tragen.

Im Interview:  Sineb El Masrar

35, ist Hannoveranerin mit marokkanischen Wurzeln. Nach einer pädagogischen Ausbildung gründete sie 2006 die multikulturelle Frauenzeitschrift Gazelle und war Teilnehmerin der Islamkonferenz der Bundesregierung. Nach „Muslim Girls – wer wir sind, wie wir leben“ erschien nun ihr zweites Buch „Emanzipation im Islam. Eine Abrechnung mit ihren Feinden“.

Und was unterscheidet nun Ihr Korsett von dem der Musliminnen aus einer konservativen Gemeinde?

Sie tragen ein allumfassendes Korsett: Sie sollen nicht frei denken, nicht zweifeln, nicht tragen, was sie wollen. Alles, was sie tun, muss mit einer sehr rigiden Form von Islam zusammenpassen. Sie können ihre Entscheidungen auch nicht revidieren, sie können sich nicht entwickeln. Es geht gar nicht so sehr um Konservatismus. Ich habe selbst sehr konservative Werte. Ich will zum Beispiel auch eine klassische Kleinfamilie gründen und mich länger um das Kind zu Hause kümmern. Aber ich käme nicht auf die Idee, das anderen Frauen vorzuschreiben. Es geht darum, ob jemand eine Degradierung erfährt, wenn sie oder er einen anderen Weg gehen möchte. Wer in einer konservativen bis reaktionären Gemeinde lebt, kann noch nicht mal seinem Sohn eine neue Rolle nahebringen. Der Mann soll der Beschützer der Frau sein und die Frau die Heimhüterin. Das schließt übrigens ein Studium nicht aus. Auch eine Akademikerin muss dann für Haushalt und Kinder sorgen.

Sie nennen es in Ihrem Buch ein „mentales Korsett“. Wie sieht das konkret aus?

Das geht einher mit einem sehr oberflächlichen Gottesbild. Eine Frau ist religiös gesehen nur dann praktizierend, wenn sie sich verhüllt. Das spielt schon in Kinderbüchern eine Rolle: Wenn du etwa in der Schule unverhüllt bist und zufälligerweise bei einem Unfall stirbst, stirbst du als Unverhüllte und das könnte Gott bestrafen. Wer mit so etwas aufwächst, der traut sich später oft nicht zu sagen: Jetzt reicht’s,das will ich nicht. Die verhüllten Frauen kritisieren oft das angebliche westliche Modediktat, dabei ist ihr Kopftuch ebenso ein Kleidungsdiktat. Ich kann mich einem Modediktat jederzeit entziehen, aber die Mehrheit kann nicht einfach, wenn ihr heiß ist, das Kopftuch abnehmen. Das Kopftuch abzulegen wird als Verrat begriffen. Und dieses Korsett führt bei vielen tuchtragenden Frauen dazu, dass sie nach außen lautstark die Islamfeindlichkeit kritisieren, um von diesen patriarchalen Strukturen innerhalb der Gemeinden abzulenken. Sonst müssten sie sich mit der eigenen Familie, mit den Moscheevereinen, mit den Verbänden anlegen, und das wollen sie nicht. Man kann aber nicht so tun, als ginge das einen nichts an, wenn die Verbände dafür sorgen, dass Mädchen oder auch Homosexuelle sich nicht frei entwickeln können.

taz-Sonderausgabe zum Internationalen Frauentag

Seh' ich gut aus? Bin ich nett genug? Wie finden mich andere? Fragen, die das Leben vieler Frauen bestimmen. Oder anders formuliert: das innere Korsett. Damit beschäftigt sich die Sonderausgabe zum diesjährigen Internationalen Frauentag am 8. März. Unter anderen mit Laurie Penny, der Muslimin Sineb El Masrar, der Modebloggerin Katrin Lange, der Autorin Gabriele Häfner, den Soziologinnen Cornelia Koppetsch und Sarah Speck, dem Vollzeitpapa Jochen König und dem AutorInnen-Duo Almut Schnerring und Sascha Verlan. Die komplette Ausgabe finden sie gedruckt am Kiosk oder digital am eKiosk.

Welche Kopftuchträgerin in der Öffentlichkeit ist denn in diesem Sinn für Sie glaubhaft?

Warum gibt es nicht mal eine Aktion, bei der Kopftuchträgerinnen symbolisch ihr Kopftuch abnehmen – aus Solidarität mit den Frauen und Mädchen, die es nicht freiwillig tragen?

Momentan kann ich keine benennen. Nehmen Sie etwa die Juristin, die angeblich wegen ihres Kopftuchs in Neukölln ihr Rechtsreferendariat nicht antreten konnte. Sie hat Frauen dazu aufgefordert, sich symbolisch ein Kopftuch aufzusetzen. Warum gibt es nicht mal eine Aktion, bei der Kopftuchträgerinnen symbolisch ihr Kopftuch abnehmen – aus Solidarität mit den Frauen und Mädchen, die es nicht freiwillig tragen? Aber ich bin mir sicher: Es gibt diese Frauen. Sie sind nur noch nicht sichtbar.

Ein Keuschheitsgürtel gehört auch mit zum Korsett, oder?

Ja, in mehrfacher Hinsicht. Zum Beispiel bleiben geschiedene Frauen oder entjungferte Musliminnen deshalb oft ohne muslimischen Mann. Denn sie dürfen ja nach der klassischen Auslegung keinen Nichtmuslim ehelichen. Hinzu kommt, dass viele dieser unsicheren Männer ihre sexuellen Fertigkeit keinem Vergleich aussetzen wollen. Da geht es auch weniger um die Religion als um die Beschränktheit der Männer, die sie dann aber religiös begründen.

Gibt es im säkularen Deutschland unter den Muslimen eine Entwicklung hin zu einer Liberalisierung oder folgen Sie dem weltweiten Trend zu mehr Fundamentalismus?

Die Saudis verbreiten ihren Wahhabismus, diesen extrem fundamentalistischen Islam, weltweit. Er ist der Nährboden für Extremismus. Auf der anderen Seite sagt eine Mehrheit der Muslime, Religion hat im Staat nichts zu suchen. Es wird interessant, wie laut die liberalen aber auch säkular-traditionellen Stimmen werden. Das Muslimische Forum Deutschland etwa, in dem ich mich auch engagiere, vertritt diese säkularen Positionen. Es wurde auf Initiative des Psychologen Ahmad Mansour gegründet. Vielen Muslimen wie Nichtmuslimen ist die reiche islamische Geschichte kaum bekannt. Es gab etwa Zeiten, in denen Homosexualität kein Problem war. In denen der Westen neidisch und verachtend auf die Sinnlichkeit des Ostens blickte. Meine Einladung lautet deshalb immer: Entdeckt die Geschichte. Ich hoffe einfach, dass wir Verbände wie den Zentralrat der Muslime dazu bringen können, ihr Frauenbild zu modernisieren – übrigens bevor sie sich hinstellen und Flüchtlinge integrieren wollen. Da sollten sie sich erst mal selbst integrieren.

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40 Kommentare

 / 
  • ichdenkmalso -

     

    "mentales Korsett" ist ein prima Begriff -

     

    es lohnt sich darüber nachzudenken.

    • @Justin Teim:

      vor allem im jahr über hundert nach erfindung der psychoanalyse

  • was ich auch noch gern wüßte:

    wie ist das mentale korsett einer schuldirektorin beschaffen, die das gespräch mit einer schülerin mit den worten "Betül, wir müssen über dein scheißkopftuch reden" einleitet?

    • @christine rölke-sommer:

      Ja wie? - ähnlich vernagelt -

      Wie die Direxesse In meinem Veedel - (s.u.;)

      "Nein - es ist nicht daran gedacht -

      Eine AG (!!) für türkisch einzurichten!"

      Zum Glück haben die Eltern ne Alternative & nutzen die auch!

      • @Lowandorder:

        gehört zu den schulerfahrungen der "Juristin, die angeblich wegen ihres Kopftuchs in Neukölln ihr Rechtsreferendariat nicht antreten konnte."

        die juristin heißt Betül Ulusoy - und der skandal an der geschichte war, dass das BA Neukölln die berliner rechtslage wie praxis nicht kannte, sondern glaubte, in Neukölln mache Buschkowsky&Giffey die gesetze. gesetze, welche tuch auf kopf von frau nur auf seiten der bittstellerinnen vorsehen.

        weiteres dazu bei einer freundin unter https://mandolinaforpresident.wordpress.com/2015/05/01/ein-schiff-erreicht-neukolln/ zu lesen.

  • Danke - spannend zu lesen:

     

    Aber - wenn ich das lese -

    "..Ich bin bekennende Muslimin und ich habe in meiner Erziehung gelernt, dass Freiheit und die Selbstbestimmung einer Frau kein Hindernis für den Glauben sind.

    Sind Sie die Ausnahme oder sind Sie die Regel?

    Meine Eltern wären sicher auch nicht begeistert gewesen, wenn ich etwa mit einem nichtmuslimischen Freund nach Hause gekommen wäre, aber sie hätten es nicht verboten oder mich verstoßen.,,"

     

    Dann denke ich -

    Ja - so erlebe ich meinen

    Türkisch Sector (Köln-Ihrefeld) -

    Mit seiner Moschee - vulgo

    DITHIP-Glashaus auch - but -

    " it´s a long way to Tipperary ...." - &

    Massel tov.

     

    (ps - von bis hin zu "Die drei Betrüger"

    Mal ganz abgesehen!)

  • Wir sollten gemeinsame Ziele finden und Forderungen formulieren:

    Keine vollen Zelte,

    keine leeren Häuser

    Wohnungen für alle!

     

    Dementsprechend in allen Bereichen sozialisieren, egalisieren, kooperieren.

  • ichsachmaso, nach einem blick in ihr buch

    die frau hat ein problem mit tüchern

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    A: „Sind sie ein Moslem?“

     

    B: „Sie stellen eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Denn stellten Sie die Frage über mich dem Einen, so antwortete dieser mit ‚Ja‘, und stellten Sie die Frage über mich einem Anderen, so antwortete dieser mit ‚Nein‘. Der Grund liegt darin, dass beide Lügner sind. Denn die Antwort kennt nur einer, und der antwortete nicht. Sie hätten mich auch fragen können, ob ich ein Christ oder ein Jude bin. Sie hätten nur die gleiche Antwort von mir bekommen.“

  • @MOWGLI

     

    (...) Wer Menschen integrieren will, der sollte sich zunächst erst einmal fragen, ob er selbst bereits integriert ist. (...)

     

    Also werter Herr Minister Schäuble, wann hören Sie auf zu schwäbeln? Und das mit einer Selbstverständlichkeit, die sich eine urkölsche Ministerin oder ein breed sächselnder Konzernchef nicht erlauben würde.

     

    Oder werter Herr Exkanzler wann hören Sie auf so fett zu pfälzern? Stimmt, Sie haben ja "irgendwie" aufgehört zu reden - minol-mäßig günstig...

    • @Gion :

      pardon, the most of german konzernchefs jobben in hoch-deutschland und sprechen somit richtiges deutsch, gelle?!

  • Der war gut.

  • "... übrigens bevor sie sich hinstellen und Flüchtlinge integrieren wollen. Da sollten sie sich erst mal selbst integrieren. "

     

    Au weia Frau El Masrar, das gibt bestimmt Mecker von Frau Roth ;-)

  • Islam und Freiheit scheinen unvereinbar zu sein. Das ändert auch das eine oder andere abgenommene Kopftuch nicht. Seltsamerweise waren es immer die Diktatoren ,in vom Islam geprägten Ländern, die den Frauen mehr Freiheiten brachten. So wurde unter Suharto in Indonesien ein sehr moderater Islam gelebt. Jetzt, in der "Demokratie", radikalisiert sich der Islam zusehends.

  • 7G
    79762 (Profil gelöscht)

    Anscheinend sind die Muslimas, die ich persönlich kenne, allesamt völlig untypisch: Alle berufstätig, teilweise alleinerziehend, nur eine einzige trägt Kopftuch, und zwar freiwillig.

    • @79762 (Profil gelöscht):

      Sie artikulieren dies, als wäre es für Sie ein Widerspruch. Dabei ist es nur logisch, die strikten Vorschriften sorgen für eine Isolation der Muslima in ihrem Kulturkreis, die Damen die Ihnen bekannt sind, sind quasi die positiven Beispiele.

       

      Das ist ca. so, als würden sie eine hohe Säuglingssterblichkeit anzweifeln, da sie nur gesunde Säuglinge sehen die leben.

    • @79762 (Profil gelöscht):

      Macht es eine Religion besser, wenn es Menschen gibt, die zwar behaupten einer Religion anzugehören abersich an die Regeln und Vorschriften dieser Religion nicht halten.

      Dann ist es ja auch nicht zu kritisieren dass die katholische Kirche effektive Methoden der Geburtenkontrolle ablehnt. Ich kenne nämlich einen der behauptet er sei Katholik und der hält sich nicht an das Verbot.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Baidarka:

        Was sind denn die Regeln und Vorschriften einer Religion? Das sind die Regeln und Vorschriften eines Apparats, die man so gut wie nie gesichert auf den Gründer der Religion zurückführen kann. Religion hat zudem erst mal nichts mit dem Befolgen von Regeln zu tun, sondern mit dem, was Gott von den Menschen will. Da mögen sich die Radiosender oder die Sprache unterscheiden, in der Gott redet, aber es ist immer nur der eine Gott und er dürfte, wenn er nicht launisch ist, auch stets dasselbe von uns wollen.

        • @849 (Profil gelöscht):

          Was die Regeln einer Religion sind ist meistens eindeutig definiert. Wenn Sie römisch katholisch sind dann definiert dies Eindeutig die obersten Vertreter des röm. kath. Klerus.

          Im Islam sind es die großen Rechtsschulen die den Standard setzen und im Judentum das Oberrabbinat.

          Wenn sie sich den Regeln z.B. der röm. kath. Kirche nicht unterwerfen wollen, dann können sie sich weiterhin als Christ bezeichnen, sind aber nicht mehr Römisch Katholisch.

      • @Baidarka:

        Die Frage ist nicht, ob es die Religion besser macht, sondern ob es die Gesellschaft besser macht. Wer ernsthaft glaubt, man könnte eine Religion abschaffen, der sollte sich darüber klar sein, dass es "Religion" nur als Wort gibt. In der Wirklichkeit gibt es keine Religionen, sondern nur Menschen, die an sie glauben. "Abschaffung von Religion" hieße dann Menschen abzuschaffen und das lassen die sich nicht gefallen.

         

        Religionen werden niemals abgeschafft, sie werden bestenfalls mehr und mehr irrelevant, weil andere Weltbilder mehr erklären und andere Regeln gerechter sind und mehr Freiheit erlauben. Das geht aber nie durch Bekämpfen der Religion (das bedeutet nämlich Bekämpfen der Gläubigen), denn das macht sie nur stärker.

         

        Religionen sind Ansätze zur Welterklärung und Gesellschaftsregelung. Sie werden irrelevant durch bessere Ansätze, nicht durch Bekämpfen derjenigen, die damit groß geworden sind. Das war im Christentum auch nicht anders.

         

        Man bringt auch keine muslimischen Frauen dazu, das Kopftuch abzulegen, indem man ihnen andere Kleidungsvorschriften auferlegt.

  • Ein sehr schönes Schlusswort hat dieses Interview. Wer Menschen integrieren will, der sollte sich zunächst erst einmal fragen, ob er selbst bereits intergriert ist. Nein, nicht in das eigene, mitunter ziemlich einengende Weltbild, sondern in die mehr oder weniger pluralistische Gesellschaft, in der er lebt.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Wohin soll man sich denn in einer pluralen Gesellschaft integrieren?

      • @849 (Profil gelöscht):

        Wie wäre es damit, sich in den Pluralismus zu integrieren: Macht was ihr wollt und lasst alle anderen machen was sie wollen.

         

        Klingt super. Klingt super einfach.

         

        Bedeutet aber auch, dass die Tochter eines Muslims in wilder Ehe mit einen atheistischem Juden leben kann und ihren Lebensunterhalt mit dem Zeichnen von Mohamedkarikaturen verdienen darf. Uneingeschränkt!

         

        Wer das unterschreibt ist voll integriert.

        • @JC Kay:

          Würde ich beinahe unterschreiben. Aber das Wort "Uneingeschränkt" geht mir hier zu weit. Es darf z.B. nicht sein, dass wer auch immer seinen Lebensunterhalt damit "verdient", andere Menschen zu ermorden. Der persönlichen Freiheit sind also dort Grenzen gesetzt, wo diese persönliche Freiheit zum Schaden von Anderen führt.

          Aber sonst ist Dein Beispiel echt ein Traum!

          • @Gipp Siegfried:

            Selbstverständlich. "Leben und leben lassen" beinhaltet vor allem das "leben lassen"

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @JC Kay:

          Das würde ich gerne unterschreiben, aber ich bezweifle rundweg, dass das für die Mehrheit der "Bio-Deutschen" gilt, die sich ohne wenn und aber für vollkommen integriert halten.

        • @JC Kay:

          Integration in eine pluralistische Gesellschaft heißt dann aber auch, dass man strenggläubige Moslems tolerieren muss...

          • @Mustardman:

            da haben Sie Recht. Jeder kann glauben was er will, wann er will, wie er will. Aber eben keinen Schritt weiter. Schon die oben genannte Tochter hat das Recht, sich dem Atheismus, Satanismus oder dem Neuheidenwikkawasauchimmertum zuzuwenden.

             

            Und da darf unserer strenggläubige Moslem nichts machen.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Ganz einfach: In die plurale Gemeinschaft. Das setzt voraus, dass man Andersdenkende respektiert. Die "Anderen" (wie auch immer "anders" hier definiert wird) sind genauso Bestandteil dieser Gemeinschaft wie man selber. Weder mehr noch weniger wert. Und das heisst nicht, dass einem Alles egal ist. Es geht darum, wie es im Artikel heisst: "Aber ich käme nicht auf die Idee, das anderen Frauen vorzuschreiben."

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @Gipp Siegfried:

          In einer pluralen Gesellschaft kann es doch nicht Bedingung sein, irgendwen zu respektieren. Man muss ihn bloß gewähren lassen, solange er nichts tut, was für andere gefährlich oder lästig ist. Das nennt sich Toleranz. Und da fängt das Problem an: sehr viele Menschen haben, auch wenn sie noch so liberal tun, eine genaue Vorstellung davon, was sie nicht tolerieren können. Und dieser Vorstellung ist durch die Ratio schlecht beizukommen. Und leider ist diese Vorstellung von Gruppe zu Gruppe und Individuum zu Individuum zudem sehr verschieden. Und deshalb gibt es nach meinem Dafürhalten diese Integration in eine plurale Gesellschaft deshalb (noch) nicht.

          • @849 (Profil gelöscht):

            Respekt geht über das bloße "gewähren lassen" hinaus und ist meiner Ansicht nach tatsächlich Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben.

        • @Gipp Siegfried:

          Ich glaube bei religiösen Menschen sollte man sich nie der Illusion hingeben sie könnten eine pluralistische Gesellschaft befürworten. Auch Christen beten ohne mit der Wimper zu zucken "Dein Reich komme; Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden ...".

          Wer so etwas betet bittet um die Abschaffung einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft.

          Sie erhoffen sich einen Gottesstaat.

          Auch die anderen monotheistischen Religionen sollte man in dieser Hinsicht mit größter Skepsis betrachten.

          • @Baidarka:

            Nun, ich bin Christ. Und das aus Überzeugung. Und zu "Dein Reich komme": Ja, für mich als Christ ist nicht die Demokratie die beste Herrschaftsform, sondern die Theokratie. Damit meine ich aber Theokratie im eigentlichen Sinn, also die Herrschaft Gottes. Damit meine ich definitiv nicht die Herrschaft selbsternannter Stellvertreter. Gott ist allmächtig, also kann er sehr gut ohne Stellvertreter regieren.

            Wenn ich bete "Dein Reich komme", dann meine ich das auch so. Aber es wäre Gotteslästerung von mir, Gott vorschreiben zu wollen, wann und wie genau das zu geschehen hat. Und so lange Gott entscheidet, sich zurückzuhalten, ist die Demorkatie die nächstbeste Herrschaftsform. Damit kann ich derzeit eine pluralistische Gesellschaft und eine strikte Trennung von Staat und Religion unbedingt befürworten. Und das bleibt so, bis Gott persönlich kommt und die Regierung übernimmt. Er persönlich, und nicht irgend ein Ersatz. Wer versucht, selbst einen Gottesstaat zu errichten, stellt sich selbst über Gott. Exakt dies (und nicht Schokolade oder Eis) wird in der Bibel als Sünde bezeichnet. Damit ist nicht zu spaßen.

            • @Gipp Siegfried:

              Abgesehen davon, dass es den gar nicht gibt: Nein, sein Reich komme nicht! Was für ein diktatorischer Mist ist das denn?!

              Mir völlig egal, wie Ihr Gott so drauf ist. Wenn Sie sich von dem regieren lassen wollen, bitte sehr. Aber was für eine Anmaßung, alle anderen gleich mitregieren lassen zu wollen. Wenn er sich gut benimmt und integriert, bekommt er eine demokratische Stimme, so wie alle anderen Leute auch. Gottesstaat läuft nicht.

              • @Ruhig Blut:

                Nun, wenn es ihn nicht gibt: Wo ist das Problem? Und wenn es ihn gibt: Meine Regierung ist er. Wer das nicht will, muss auch nicht, muss dann aber seinen Mist eben selber machen. Ent oder weder.

                • @Gipp Siegfried:

                  Das Problem sind Leute, die denken, dass es ihn gibt und er dies und jenes will. Und das dann nicht einfach für sich behalten sondern denken, dass dieses und jenes für alle gelten soll. Ein Einmann /-frau-Gottesstaat funktioniert auch nicht. Und eine Diktatur ist nicht besser, wenn sie demokratisch eingeführt wurde.

                  Diese totalitäre Denke, die nicht auf Vernunft sondern dem vermeintlichen Willen einer einzelnen Entität gründet, hat uns Jahrtausende nichts als Elend und Verheerung gebracht. Deshalb muss man den Ansatz ganz grundsätzlich zurückweisen, selbst wenn Ihr Gott nach Ihrer Interpretation vielleicht nur ganz tolle Sachen will. Beim nächsten Interpreten kann das wieder ganz anders aussehen. Und ich persönlich möchte auch keinen noch so guten Diktator.

                  Und ja, ich denke wir müssen unseren Mist selbst regeln. Auf den großen Papa zu vertrauen oder zu hoffen ist was für Kleinkinder.

            • 8G
              849 (Profil gelöscht)
              @Gipp Siegfried:

              Dem letzten Satz stimme ich zu! Für mich sind jene, die wissen, was Gottes Willen ist, Gotteslästerer. Und ich bin nicht nur Christ, sondern - achduliebergott - sogar katholisch! :-)

              • @849 (Profil gelöscht):

                Vorsicht :)

                Gott hat uns zu seinem Willen so Einiges hinterlassen. In sehr vielen Dingen können und müssen wir also wissen, was sein Wille ist. Zum Beispiel hat er seinen Willen sehr explizit formuliert, wenn es um Fragen der Mitmenschlichkeit geht. Bei der Erkennung seines Willens gibt es aber zweierlei zu beachten:

                1. Ich bin nicht perfekt. Also ist meine Erkenntnis des Willens Gottes auch nicht perfekt. Anders gesagt, ich kann mich irren.

                2. Gottes Wille ist es definitiv nicht, dass ich allen, die seinen Willen anders verstehen, den Schädel einschlage.

                Wir sollten also versuchen, seinen Willen bestmöglichst zu verstehen. Und zwar aus den Quellen, die er hinterlassen hat resp. dem, was vertrauenswürdige Personen, die z.B. direkt mit Christus zusammen gelebt haben, hinterlassen haben. Und nicht aus Quellen, die einfach nur behaupten, im Recht zu sein, ohne Beweis. Aber auch nicht von Quellen, die Gottes Willen nur aus Volksmärchen und Hörensagen kennen. Diesen Willen sollten wir für uns persönlich umsetzen. Aber nicht für Andere. Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, dass für verschiedene Menschen verschiedene Vorgaben bestehen. Um z.B. dem umfassenden Gebot der Mitmenschlichkeit zu entsprechen, ist es gar nicht ungewöhnlich, dass verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Gaben und Talenten diese Mitmenschlichkeit unterschiedlich ausüben.

                • @Gipp Siegfried:

                  Es gibt keine der Religionswissenschaft bekannte schriftliche Quelle die mit Jesus in direktem Kontakt standen.

                  • @Baidarka:

                    Ich denke schon. Johannes stand mit Jesus in direktem Kontakt. Aber ok, die Überlieferungen der anderen Apostel sind wahrscheinlich aus einer sekundären Quelle. Trotzdem, wenn man das aufmerksam und komplett liest, schält sich der Kern der Botschaft ziemlich deutlich heraus. Und wenn "Aufklärer", katholische Kirche oder Atheisten Irgendwas über Gott behaupten, kann man das immer sehr gut anhand der Bibel überprüfen und so recht schnell Spreu von Weizen trennen: "Drum prüft aber Alles, und das Gute behaltet".

                    Das bedeutet natürlich: Immer wieder selber prüfen. Sowas ist nie abgeschlossen. Irrtümer vorbehalten.