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Debatte Hass in DeutschlandDas ist nicht mein Land

Kommentar von Jagoda Marinić

Die öffentliche Debatte dominieren die Angstbesetzten und die „Besorgten“. Wo ist das andere, wo ist mein Deutschland geblieben?

Deutsch ist es in Kaltland Foto: zettberlin/photocase.de

A ls die Hashtag gewordenen Nachrichten aus #Clausnitz bei mir ankamen, fiel mir ein Satz ein, den Angela Merkel noch im September 2015 geäußert hat: „Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“

Ich habe seither oft nachgedacht über diesen Satz, nicht zuletzt, weil er für eine Politikerin ihres Rangs nicht klug war, weil er Gräben reißt, weil er dazu führen könnte, dass jeder, der nicht in Zuständen lebt, die er sich wünscht, wie ein beleidigtes Kind auf den Boden stampfen und „Das ist nicht mein Land“ schreien könnte. Letztlich ist es kein Satz für eine funktionierende Demokratie, deren Politiker auch dafür da sind, die Menschen von ihrem Tun zu überzeugen und einen Konsens zu finden.

Und doch kriege ich diesen Satz nicht aus dem Kopf. Es gibt Tage, Bilder und Ereignisse wie die in Clausnitz, da wird klar: Wenn man jetzt nicht Haltung zeigt, wird wieder etwas gestern noch Undenkbares zur Normalität. Diese Republik wird mir in ihrer Sprachgewalt, Brachialgewalt und Diskursgewalt von Tag zu Tag etwas fremder. Genauer betrachtet ist es aber gar nicht die Republik, nicht mein Alltag, der doch um so vieles reicher ist als das, was ich in der Diskussion über Deutschland erfahre.

Es ist das Deutschland, das sich derzeit den meisten Platz in den Medien und dem öffentlichen Leben sichert, das mir zunehmend fremd wird. Mich zurückkatapultiert in eine Zeit, die ich überwunden glaubte. Die einen haben Angst vor Überfremdung. Ich habe Angst, dass diese Angst vor Überfremdung, wie sie sich derzeit äußert, mich entfremdet, weil sie nur die Angstbesetzten in den Mittelpunkt stellt.

Jagoda Marinić

ist Autorin und leitet das Interkulturelle Zentrum Heidelberg. Im Frühjahr erscheint bei Hoffmann und Campe ihr Band „Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?“ Sie twittert zum Zeitgeschehen unter @jagodamarinic.

Konsequent vorbeiregiert

Ich arbeite tagtäglich mit Menschen, die sich für eine humane Politik einsetzen. Dann komme ich nach Hause, schalte den Fernseher an und sehe, wie sich in der Öffentlichkeit Pegidisten breitmachen, die AfD sich durch die Republik hetzt. Talkshows sind eine Wiederbelebungsmaßnahme für in Vergessenheit geratene Politiker wie Edmund Stoiber, die von dem Land, das mein Land war und ist, nichts wissen wollen und auch nichts wissen mussten. Weil sie konsequent an all denen vorbeiregiert haben, die man heute Menschen mit Migrationsgeschichte nennt.

Es sind sechzehn Millionen Menschen und eben nicht ein paar Hansel. Eine Julia Klöckner ist es nicht, ein Stefan Aust ist es nicht, auch ein Augstein ist es nicht. Beide Augsteins nicht, sorry. Wo ist eigentlich mein Land in der Darstellung von Deutschland?

Mitten in der Europakrise sind die gebildete zweite und dritte Generation, die Brücken bauen könnten, unsichtbar. Stattdessen reden hierzulande immer dieselben. Besorgte Bürger etwa

Ich bin aufgewachsen in einem Stuttgarter Vorort, meine Kindheitsfreunde hießen Giovanni, Maria, Sara, Carmine – und später, im Gymnasium, hießen sie dann Stephanie, Sybille, Marco, Felix. Wenn ich bald meinen Wahlzettel für die Landtagswahl abgebe, werde ich wählen können zwischen Winfried, Theresia, Nils, Guido und so weiter. Das ist selbst für meine urprungsdeutschen Freunde ein Problem, weil an diesen Namen auch abzulesen ist, dass nicht einmal meine Generation Macht hat. Ganz zu schweigen von meinen Kindheitsfreunden aus dem Mittelmeerraum und Osteuropa.

Deutschland macht von diesen Ressourcen keinen Gebrauch. Mitten in der Europakrise sind die gebildete zweite und dritte Generation, die Brücken bauen könnten, unsichtbar. Stattdessen reden hierzulande immer dieselben. „Besorgte Bürger“ etwa.

Wirklich besorgte Bürger

Seit Pegida hat das Wort „besorgt“ im Diskurs das Wort „rassistisch“ ersetzt. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied und an dem müsste jeder, der besorgt ist, sein Besorgtsein überprüfen.

Echte „Besorgte Bürger“ sind Humanisten, sie sorgen sich nicht nur um den eigenen Vorgarten, sondern um das Ganze. Sie machen sich um sich selbst Sorgen, aber eben auch um die Menschen auf der Flucht. Sie verlangen von ihren Städten, Politikern und ihrer Regierung eine humanitäre Politik für alle.

Rassistische Bürger meinen, sie hätten aufgrund des Zufalls, der ihnen per Geburtsort einen privilegierten Pass beschert hat, mehr Rechte auf ein Leben in Frieden als andere. Für sie ist die Würde des Menschen nicht für alle unantastbar. Wenn Letzteres nicht Teil des Denkens der „besorgten Bürger“ wäre, dann wären die Umfragewerte der AfD nach dem Thema Schießbefehl auf die der FDP der letzten Jahre gesunken.

Rassistische Bürger meinen, sie hätten mehr Rechte vor Gott und dem Gesetz als andere. Die Menschenrechte gelten jedoch universell. Um es vorwegzunehmen: Das heißt nicht, dass alles und jeder hier Schutz finden kann, das heißt aber, dass verantwortlich umzugehen ist mit Menschen, die hier Schutz suchen. Es heißt auch, dass man sich nicht aus der globalisierten Welt, von der man wirtschaftlich profitiert, in humanitären Fragen aus der Verantwortung stehlen kann.

Was Dunja Hayali sagt

Clausnitz ist auch eine Warnung davor, es Bürgern einfach zu machen, sich als besorgt darzustellen. Es Politikern einfach zu machen, ihre Wähler als besorgt darzustellen. Der Besorgte muss an seinen Wertmaßstäben, die er für alle ansetzt, gemessen werden. Alles anderen muss man endlich beim Namen nennen.

Seit Jahren beobachte ich, wie auf Podien das Wort „Rassismus“ sorgsam vermieden wird, weil es ja in Deutschland so aufgeladen sei. Gerade dann aber kann man nicht zulassen, dass rassistisches Denken zur Sorge umgedeutet wird. Es gibt Sorgen und es gibt Rassismus. Beides voneinander zu unterscheiden, würde Menschen wie die, die sich in Clausnitz grölend vor einen Bus mit Flüchtlingen gestellt haben, klarmachen, dass sie nicht die besseren Bürger sind, die für Ordnung sorgen. Oder um es mit der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali zu sagen: „Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist“.

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26 Kommentare

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  • "Wenn ich bald meinen Wahlzettel für die Landtagswahl abgebe, werde ich wählen können zwischen Winfried, Theresia, Nils, Guido und so weiter."

     

    Mit oder ohne Migrationsgeschichte kann man "Winfried" heißen. Wie ja auch nicht jeder Politiker mit Namen "Guido" italienische Wurzeln hat. Allenfalls kann der Name etwas darüber aussagen, als was sich die Eltern der Person identifiziert haben, als sie den Namen auswählten.

     

    Wenn man unbedingt Menschen nach Vornamen beurteilen will, dann besser nach denen, die sie ihren Kindern geben, als nach ihren eigenen.

  • Jawohl, das ist längst nicht mehr mein Land, das die rechtsgerichteten kriminellen Strukturen und Umtriebe nicht mehr in den Griff bekommt und vielleicht auch gar nicht will.

     

    Es ist ja nicht nur das braune Gesindel und dessen politische Helfershelfer, die ein Problem darstellen. Es ist auch der ungebrochene Trend, demokratischen und solidarische Strukturen der kapitalistischen Seuche zu opfern und die naturgegebenen Bedürfnisse auf den Kopf zu stellen und zu ignorieren.

     

    Ich bin Anfang 1949 geboren, also im Jahr, in dem auch die BRD geboren ist und das GG getauft wurde. Wenn ich mir die Entwicklung in den letzten 20 Jahren ansehe, dann schäme ich mich nur noch. Mit diesem Land kann ich mich nicht mehr identifizieren. Da bleibt mir noch noch der enge Horizont der Heimat.

     

    Das Dumme ist nur, daß man nirgendwo hin mehr flüchten kann auf dieser kapitalistisch, nationalistisch oder egomanisch eingestellen Welt.

  • »Wo ist das andere, wo ist mein Deutschland geblieben?«

     

    Es gibt es noch, das andere Deutschland, lebendig wie immer. Nur berichtet leider niemand darüber. Offensichtlich bringt es mehr Klicks und ist es günstiger, immer noch Pegida-Artikel am Tag mehr zu schreiben, als zu erwähnen, dass letztes Wochenende viele *tausende Menschen* für Frieden und gegen Abschottung auf der Straße waren:

    https://www.lichter-fuer-syrien.de/

     

    Mich macht die Ignoranz der überregionalen Presse fassungslos... Kein Wort dazu, nur in den lokalen Medien! Und dann beschwert man sich über die fehlende Zivilgesellschaft und beklagt die menschenfeindlichen Pegida-Demos, die die Medien großgeschrieben haben und noch befeuern, ohne die Gegenbewegung auch mit nur einem Wort zu erwähnen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Enttäuschung, Trauer...

    Geht mir auch so.

  • Es ist genau die gleiche Thematik und der gleiche sozialpsychologische Vorgang wie mit dem Krieg in Syrien:

    den Syrern wird nicht geglaubt, Assad wird geglaubt.

    Der Staatsterror der Niederschlagung der Massenproteste wird negiert und ignoriert und von vielen Kommentarschreibern gar gefordert: Assad solle jetzt alles Terrain von den Terroristen zurückerobern.

    Also blanke Unkenntnis der Region und dessen was in Syrien vor sich geht -

    obwohl es tausende Syrer in ihren Videos hochgeladen haben, obwohl es duzende informative Bücher und Webseiten gibt, die erklären welche Prozesse dort stattfinden.

    "Hass" übersetzt sich in die Forderung: die Regierung oder irgendwer soll blindwütig irgendwo draufschlagen, damit es uns schützt. Vor etwas was unverstanden bleibt.

  • "Um es vorwegzunehmen: Das heißt nicht, dass alles und jeder hier Schutz finden kann..."

    Wer darf nicht?

  • "Wo ist das andere, wo ist mein Deutschland geblieben?"

     

    Es war wohl nur eine nette Idee, hatte tatsächlich niemals eine reale Chance. Die Nazis haben damals ganze Arbeit geleistet. Mit dem Kriegsende war der ganze Spuk eben längst nicht vorbei. Als Deutscher, der hier aufgewachsen ist, blieb auch mir dieses Land bis heute fremd. Es konnte auch nie meine "Heimat" sein, denn derartige Begriffe dienten und dienen nach wie vor leider nur perverser Instrumentalisierung von Menschenmassen. Rassismus entsteht aus unreflektiertem Nationalismus - und das nicht nur in Deutschland.

  • @XENOPHAN :

    ""Aber wenn Sie die Sache der Humanismus wirklich ernst nehmen, sollten Sie versuchen dieses Rassistenpack zu verstehen (und bitte bitte Verständnis nicht mit Zustimmung verwechseln !).

    Vielleicht kommt Ihnen dann ja eine Idee wie die 40+X% dieser Gesellschaft, die ausgestossen wurden (und noch stumm sind) wieder eingebunden werden können - und zwar bevor ihnen ein(e) Rattenfänger(in) einreden kann, für sie zu reden"

    Humanismus ist keine Kategorie , mittels der im bestehenden Gesellschaftssystem grundlegend noch etwas zum Besseren gewendet werden könnte , geschweige eine (Wieder-)Einbindung des abgehängten Drittels der Bevölkerung bewirkt werden könnte.

    Die kapitalistische Unbrauchbarkeit großer Teile der Welt und ihres Menschenmaterials , nämlich die unrentabel gewordene Arbeitskraft von Milliarden Menschen zu verwerten , wird in der globalisierten Weltwirtschaft nicht vor den Grenzen Deutschlands halt machen .

    D a s ist das Problem . Und : dass von den als "Überflüssige" aus dem System ausgestoßenen Milliarden keine erkennbare Bewegung zur Überwindung des (Weltvernichtungs-) Systems ausgeht .

    • @APOKALYPTIKER:

      Ich glaube nicht, dass der Kapitalismus unser eigentliches Problem ist - der Kapitalismus ist auf Dauer nicht überlebensfähig - wird ganz von alleine untergehen.

      Das wirkliche Problem ist den Untergang des K. zu überleben - den Übergang in eine andere Gesellschaftsform hinzubekommen.

      Leider scheint es in dieser Gesellschaft noch nicht mal den Minimalkonsens zu geben über eine andere Gesellschaftsform nachzudenken.

      Und wo es keine konstruktiven Vorstellungen gibt führt das dumpfe Gefühl, dass irgendwas schief läuft bei vielen eben in Bewegungen wie Pegida u.ä.

      • @Xenophan:

        "Und wo es keine konstruktiven Vorstellungen gibt"

        --------

        Ist es nicht, das eher nicht "dumpfe" sondern eher deutliche "Gefühl", sprich, ein analytisch nachvollziehen zu können glaubender Intellekt bei diesen Pegida-Jüngern, dass ihre Prediger und sonstigen Redner eben doch "konstruktive Vorstellungen" ausrufen?

      • @Xenophan:

        ... bin völlig Ihrer Meinung .

    • @APOKALYPTIKER:

      ... was selbstredend keine Entschuldigung für den Clausnitzer Pöbelmob abgibt , gleichgültig , ob es sich dabei um Abstiegsgefährdete und/oder dauerhaft Prekarisierte handelte . Sie mit Verbrechern gleichzusetzen , wie Ministerpräsident Tillich das in einer Äußerung getan hat , ist allerdings m.E. nicht "political correct", so verabscheuenswürdig deren Tun auch war .

      • @APOKALYPTIKER:

        Zumindest handelt es sich bei diesen doch aber um "Störer der öffentlichen Ordnung", welche von der anwesenden Polizei in die Schranken hätten gewiesen werden müssen. Vom einfachen "Platzverweis" über die "vorläufige Ingewahrsamnahme" bis hin zu Anklagen wegen "Landfriedensbruch", "Widerstand gegen die Staatsgewalt" und "Hetze gegen schutzbedürftige Minderheiten" hätten die Ordnungskräfte dort über ein breit gefächertes Instrumentarium verfügt.

         

        Leider zeigt sich aber gerade die Führungsebene der sächsischen Polizei als hoffnunglos inkompetent, überfordert und mehr oder weniger offen mit den Staatsfeinden paktierend.

         

        Das kann so nicht länger hingenommen werden. Es muss endlich Schluss sein mit den Lippenbekenntnissen nachgelagerter Empörung, die immer nur ergebnislos verpufft, weil es erkennbar an Mut, Engagement und Durchsetzungsvermögen mangelt, dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen - auch und gerade GEGEN die dortige Polizei.

        • @cursed with a brain:

          Angeblich hat wohl Lutz Bachmann selbst im Fernsehen/Radio (?) gesagt, dass er sich sicher sei, dass 50% der Polizei hinter PEGIDA steht.

          http://www.tagesschau.de/inland/opferberatung-sachsen-101.html

           

          Es war auch Ende 2014/Anfang 2015 schon sehr auffällig, wie selbstverständlich Bachmann bei der Dresdner Polizei tagein tagaus eingegangen ist und auch Kaffee getrunken und Zeitung gelesen hat.

           

          Auch habe ich auf einem - durch eine Gruppe von Nazis "beobachteten" - Postplatzkonzert im Sommer beobachten können, wie diese sich irgendwann provozierend auf den Heimweg machten und dabei am einzigen Polizeiauto auf dem Platz langsam rechts und links vorbei liefen und mit den eingesetzten Versammlungs-Polizisten noch freundschaftlich plauderten und sich beim Abschied sehr freundlich grüßten.

        • @cursed with a brain:

          Ja , so ist es .

  • Weg ist es. Sogar die freundlichen Bemühungen des "anderen Deutschlands" haben nicht selten einen Unterton ... http://diekolumnisten.de/2016/02/23/integration-gescheitert-presse-gescheitert/

  • Wenn man als Humanist um das Ganze sich sorgt, und mehr als 35 Jahre Deregulierung, Privatisierung und Entsolidarisierung, in denen der Matthäus-Effekt [https://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4us-Effekt] immer mehr zum bestimmenden Kriterium für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird, in Erinnerung sich ruft, muss man zum Schluss kommen:

     

    Das Ganze ist das Unwahre.

     

    Das Unwahre deshalb, weil die Verlierer der Entsolidarisierung nicht mehr berücksichtigt werden und im gesellschaftlichen Diskurs keine Stimme mehr haben.

     

    Das wütende "Wir sind das Volk" ist, so hässlich es auch ist, folgerichtige Konsequenz. Noch kann ich es mir leisten, mich davon zu distanzieren.

    Wie lange noch?

  • Man sollte sich nicht vertun, dieses Land hat diese Demokratie geschenkt bekommen, nachdem es mit der ganzen Welt einen Krieg angefangen und verloren hat. Viele Deutsche tolerieren Demokratie und Freiheit, solange sie nicht stören, aber sie lieben sie nicht. Sie wollen auch nicht ihre Interessen nüchtern und organisiert vertreten, sie wollen dass jemand sie uneigennützig für sie vertritt.

     

    Die Sehnsucht nach dem wohlmeinenden Diktator oder Monarch hat in Deutschland mehr Tradition als die arbeitsame (und mühselige) Demokratie und Teilhabe.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Mustardman:

      In Frankreich heimst die FN momentan über 30% ein. Merkwürdig, was in dem Land der Menschenrechte momentan geschieht. Anscheinend sehnen sich die Franzosen nach einer Diktatorin. Irgendwie lässt sich dies nicht so richtig aus der Tradition erklären. Oder?

  • Das Gute im Bösen ist doch, Deutschland ist fast genauso rassistisch wie seine Nachbarländer. Es kommt nur für jedes Gemeinwesen darauf an, die traurige Seite der Normalität, der aktuellen Kommunikationskultur anzupassen. Das will z.B. heißen sich nicht der digitalen Hysterie zu ergeben!

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Das ist auch nicht mein Land. Wir dürfen auch nicht Deutschland aus Sachsen reduzieren. Mir wird es schlecht , wenn meine Arbeitskollegen (alle Akademiker) über die Flüchtlinge äußeren. Mir macht richtig Angst, wenn ich die Hetze gegen Flüchtlinge höre. das erinnert mich vor dem 2.WK die Hetze gegen Juden. Ich würde gerne aber kann ich leider nicht die TAZ hat auch diese Hetze gegen Fremde auch mitgemacht. Ich schäme mich für die Deutschen fremd.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    „Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist“.

     

    In Woody Allens "Love and Death" versammeln sich die russischen Dorftrottel zu ihrem landesweiten Kongress unter dem Banner "Welcome Idiots". Das darf einem eine zaghafte Warnung zur Reichweite solcher Gesten sein, die natürlich im Klub stets eifrig beapplaudiert werden.

     

    Und das Problem wird bleiben, dass es eben nicht nur Bürger, sondern damit auch Wähler sind. Es wird wenig helfen, denen das richtige Etikett anzuheften. Die haben die ihren. Und sie werden wählen gehen, mehr als je zuvor. Darauf braucht es eine Antwort, eine politische.

     

    Wenn ich z.B. sehe, wie wir allesamt Frau Merkel für ihre Flüchtlingspolitik abfeiern, während die mit der Türkei eine Schutztruppe für die EU anheuert, die sich im Krieg gegen ihre Bürger befindet, dann sind uns doch selbst die Maßstäbe für Recht und Unrecht abhanden gekommen. Wir sind doch selbst aufgerufen, endlich ein Konzept für eine faire, verantwortungsbewusste, glaubwürdige und (das wird in jedem Fall schmerzen) realisierbare Flüchtlingspolitik vorzulegen. Etwas, das sich gegenüber den "besorgten" Bürgern auch vertreten lässt. Damit würden wir auch die Drift eines noch erreichbaren Teils davon Richtung AfD aufhalten. Es ist diese unsere Planlosigkeit und mangelnde Glaubwürdigkeit, die die Milchmädchenrechnungen der AfD zur Politik verklärt.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Der „besorgte“ sich nicht nur zu den Verlieren fühlende, sondern teilweise tatsächlich abgehängte Bürger argumentiert halt momentan so: „Wenn ich bei mir im Betrieb mich umhöre, wird viel auf die Flüchtlinge geschimpft, gerade in Bezug auf die finanzielle Situation. Viele haben auch Kinder, und die sagen ganz klar: Für unsere Kinder wird eh nicht so viel getan. Aber die Flüchtlinge, die kriegen jetzt hier einen schönen neuen Bau dahingestellt oder einen renovierten Bau. Da muss immer alles tippi toppi für die sein, die müssen eine anständige Lebensqualität haben, und das bleibt für uns auf der Strecke.“ Quelle: ARD Monitor vom 04.02.2016, http://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/sozialer-sprengstoff-100.html

    Bei der Polizei in Clausnitz scheinen ähnliche Ansichten vorzuherrschen. Was ist zu tun? Den Leuten sagen, stellt euch nicht so an, anderen geht es wirklich schlecht und eure Armut ist nur relativ. Flüchtlinge werden nicht vorgezogen, doch die Menschenrechte verpflichten uns ihnen zu helfen. Ich befürchte, das hält momentan niemanden von diesen Menschen ab, die AfD zu wählen und auch keine moralinsauren und ach wie sind wir doch betroffen Kommentare in der taz.

    Festzuhalten bleibt, dass die Sozial- und Steuerpolitik der SPD und Grünen, die vermögenden und oberen Einkommensschichten zu entlasten und die mittleren und unteren Einkommensschichten zu belasten, sich nun rächt. Die Zeit der sozialen Wohltaten ist vorbei, wurde nicht nur von der INSM, sondern auch von SPD und Grünen verkündet. Die Renten/Transfereinkommen stagnier(t)en und gegen Hartz 4 Empfänger hetzt die Blödzeitung bis heute. Der kleine Mann wählt nicht mehr links, sondern rechts, wie dies bereits in Frankreich geschieht. Die Wahlerfolge der FN belegen dies. Danke an die SPD und die Grünen für eure jahrelange asoziale Politik.

  • "Wenn ich bald meinen Wahlzettel für die Landtagswahl abgebe, werde ich wählen können zwischen Winfried, Theresia, Nils, Guido und so weiter."

    Und Gökay, Marlen, Meri, Hidir, Donate, Nicole, Erdal, Silvano http://www.landtagswahl-bw.de/kandidaten-der-parteien.html

    Also mal abgesehen davon, dass Ihre These nur "Ursprungsdeutsche"-was immer das sein soll) stünden zur Wahl nicht ganz korrekt ist, stellt sich mir die viel wichtigere Frage ob die, die zur Wahl stehen wirklich willens und fähig sind etwas zu ändern.

     

    Letztlich ist diese Frage aber irrelevant, da die jetzt zutage tretende Menschenfeindlichkeit meiner Meinung nach ihre Ursache nicht in der Kategorie Ursprungsdeutsch oder nicht hat sondern in sozialen Kategorien. Sie können mich leicht widerlegen indem Sie nachweisen, dass es mehr Kandidaten aus den unteren sozialen Schichten gibt als "Nichtursprungsdeutsche".

     

    Sie sollten sich der Frage zuwenden warum ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung (keineswegs nur ursprungsdeutsche wie ich immer wieder feststellen muss) zu derart menschenfeindlichen Ansichten (und inzwischen auch Handlungen) gekommen ist (oder getrieben wurde ?). Könnte es sein, dass diese Menschenfeindlichkeit nur das Spiegelbild der Menschenfeindlichkeit der selbsternannten Eliten ist ? Nur eben mit etwas primitiveren, offensichtlicheren Mitteln zum Ausdruck gebracht ? Zu unser allem Glück sind diese Mittel aber längst nicht so effektiv wie die der Eliten.

    Es ist ebenso leicht, wie verständlich, wie aber eben auch arrogant, sich selbst für humanistisch zu erklären. Aber wenn Sie die Sache der Humanismus wirklich ernst nehmen, sollten Sie versuchen dieses Rassistenpack zu verstehen (und bitte bitte Verständnis nicht mit Zustimmung verwechseln !).

    Vielleicht kommt Ihnen dann ja eine Idee wie die 40+X% dieser Gesellschaft, die ausgestossen wurden (und noch stumm sind) wieder eingebunden werden können - und zwar bevor ihnen ein(e) Rattenfänger(in) einreden kann, für sie zu reden.

  • Mein Deutschland versinkt gerade im Orkus der Finanzmärkte, in schleichender Entsolidarisierung, in einem Talkshowmeer von immergleichen Experten, die der Worthülse abhängig sind. Deutschland ein Beamtenstaat unter der Kontrolle wie Droge des Kapitals. Da bleibt für Kultur und humanistisches Handeln nicht für alle ein Plätzchen.

  • Rassistische Bürger meinen, sie hätten aufgrund des Zufalls, der ihnen per Geburtsort einen privilegierten Pass beschert hat, mehr Rechte auf ein Leben in Frieden als andere

     

    sehr gut gesagt!