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Kommentar Biofleisch-SkandalKein Fleisch ist besser als Biofleisch

Manfred Kriener
Kommentar von Manfred Kriener

Die Vorwürfe gegen die Herrmannsdorfer Landwerkstätten treffen die Biobranche ins Mark. Ihr Heiligenschein flackert nun.

Auch ohne Fleisch noch lecker? Bio-Hamburger. Foto: ap

S kandale im Bio-Stall beunruhigen und irritieren den Verbraucher ganz besonders. Weil dessen Vorstellungen vom Streichelzoo weit entfernt sind vom Alltag in der ökologischen Tierhaltung. Gutes Fleisch von gesunden, artgerecht gehaltenen Tieren: Das ist die Überschrift, das haben wir im Hinterkopf abgespeichert mit entsprechenden Bildern von Kälbchen Peter im kuscheligen Strohbett.

Die Branche unternimmt wenig, um das schöne Märchen zu korrigieren. Und mit jedem Horrorbild aus der konventionellen Tierhaltung, mit dem ständigen Rapport von Antibiotika-, Hormon- und Pestizid-Verbräuchen in den „normalen“ Mastanlagen und Höfen strahlt der Heiligenschein der Bios ein wenig heller.

Vorbei! Mit dem Druck, den die Branche neuerdings von der selbstbewussten Veganer- und Veggie-Bewegung bekommt, haben sich die Koordinaten verschoben. Biofleisch ist zwar besser als Billigfleisch aus der Turbomast, aber noch besser ist jetzt gar kein Fleisch.

So gibt es jetzt auch kein Pardon für die Herrmannsdorfer Landwerkstätten, wenn die Soko Tierschutz dort den Skandal ausruft und eine hohe Verlustrate bei Ferkeln sowie Hormon- und Antibiotikagaben moniert.

Vom Tierarzt verordnet

Der Verbraucher schüttelt sich und muss zur Kenntnis nehmen: Ja, auch im Biostall werden kranke Tiere mit Antibiotika versorgt. Ja, bei schweren Geburten wird das Hormon Oxytocin verabreicht. Und das alles auch noch legal – vom Tierarzt verordnet.

Bei den Herrmannsdorfern entfalten die Vorwürfe doppelte Wucht, denn sie sind die ideologische Vorhut der Bioszene. Bücher, Fernsehauftritte und unzählige Interviews mit dem Seniorchef Karl Ludwig Schweisfurth (“Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst“) haben den Betrieb stets als sakrosankt erscheinen lassen. Jetzt muss man einräumen, jahrelang den falschen Tierarzt beschäftigt zu haben.

Statt selbstgefälliger Paraden auf der Nürnberger Biofach muss die Branche ihre Tierwohl-Initiativen mit Nachdruck verstärken.

Und im ersten Halbjahr des Vorjahres ist jedes dritte Ferkel krepiert. Der Fall wird der gesamten Biobewegung Dampf machen. Er zeigt exemplarisch die anhaltenden Probleme mit der Tiergesundheit auch im Biostall. Statt selbstgefälliger Paraden auf der Nürnberger Biofach muss die Branche ihre Tierwohl-Initiativen mit Nachdruck verstärken.

Ulrich Schumacher, Fachreferent bei Bioland, bescheinigt der Öko-Tierhaltung „schlechte Produktivität, Festhalten an überkommenen Haltungsmethoden wie der Anbindehaltung (von Kühen), Schwachstellen bei der Tiergesundheit, Nischendasein und Diskussionsbedarf bei Transport und Schlachtung“. Und das ist noch freundlich formuliert.

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Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
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30 Kommentare

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  • Ein Bio-Siegel ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber Transparenz ist durch nichts zu ersetzten. Daher kaufe ich bei Seiten wie http://www.crowdbutcher25.de wo man einen genauen Eindruck über die Haltung der Tiere bekommt.

  • Selbst das Deutsche Ärtzeblatt hat mittlerweile bemerkt, das die Diabetes-Epideme zu der größten Herausforderung unseres Krankheitsverwaltungssytems in den nächsten 30 Jahren wird. Und das liegt an einer Agrar- und Lebensmittelindustrie, welche Gewinne einfährt und die Kosten an das Gemeinwesen externalisiert. Nicht nur Zucker, auch die gesättigten Fettsäuren. Wenn man nur drei- bis viermal Fleisch essen würde im Monat, wie man das noch vor Fünfzig Jahren gemacht hat, wäre alles im Lack und dann gäbe es die Auswüchse der Massentierhaltung nicht. Aber es gibt ja Ministerpräsidenten, die fahren zur grünen Woche nach Berlin, lecker essen und Bierchen zischen dazu, und gleichzeitig die Werbetrommel rühren für ihr Agrarland. Da liegt der Hase im Pfeffer. Die liebe Industrie + Politik + mediale Aufbereitung. Und der dicke Bürger mit Diabetes ist ja selbst schuld. Die dicken Kinder auch?!

  • Vegetarisch ist auf jeden Fall besser. Nur ein bischen Fleisch auch. Es gibt aber wichtigere Probleme als Bio-Kriteleien.

  • Dieser vermeintliche Skandal ist doch gar keiner. Die Probleme der Tierhaltung in der Biolandwirtschaft sind doch längst öffentlich. Der Hype um das "bessere" Bio ist ein Politikum, sonst nichts. Jetzt wird halt mal zur Abwechselung die Bio-Sau durchs Dorf getrieben mangels anderer Skandälchen. Sollte man nicht überbewerten.

  • Abgesehen vom Leiden der Tiere in der Tierhaltung gibt es vor allem ökologische Gründe einen übermäßigen Fleischkonsum abzulehnen. Die Landwirtschaft ist der größte Treiber von Habitatzerstörung und Verschmutzung des Oberflächen- und Grundwassers. Schaut man sich an, was im Amazonasbecken geschieht, wird schnell klar, dass wir den Regenwald aufessen. Und das ist nur ein besonders eindrucksvolles Beispiel. Auf der ganzen Welt, wird viel zu viel Fläche für eine vollkommen übermäßige Fleischproduktion, ob jetzt konventionell oder bio spielt da eine untergeordnete Rolle, verschwendet. Ohne Fleischkonsum wäre die Welt schöner.

  • Arme Hohepriester der political correctnes, die so ein Skandälchen gleich wieder hyperventilieren und grundsätzlich werden lässt! Leute, "perfekt" gibt's nicht, wenn Menschen im Spiel sind, und der unsinnige Anspruch eines perfekt ruhigen Gewissens, weil man ALLES IMMER "richtig" macht, ist nur ein Weg in ein frühes Grab (bzw. ein Plätzchen im FriedWald...). Macht Euch mal locker!

     

    Ob man's glaubt oder nicht, abseits des gutmenschelnden Perfektionismus gibt es auch noch normale Leute. Die freuen sich - ganz ohne diese inhumane Schwarz-Weiß-Denke -, wenn ein Anbieter GRUNDSÄTZLICH Qualität und Tiergerechtigkeit vor Masse und Gewinnoptimierung stellt und davon tatsächlich leben kann. Denen bricht auch nicht gleich eine Welt zusammen, wenn sich herausstellt, dass auch dieser Vorreiter des Guten udn Richtigen nicht perfekt ist.

     

    Viel bedenklicher ist eigentlich die unkrtische Blauäugikeit, mit denen die Strafpredigten berufsmäßiger Skandalaufdecker übernommen werden. Ihr Lieben, diese freundlichen Mitmenschen LEBEN davon, ihren Zielgruppen möglichst grausige Misstände vorzuführen - nicht mehr und nicht minder, als die böse Industrie davon lebt, dass ihren Kunden die Opfer, die sie dem Gott der Endpreisoptimierung bringen, nicht zu sehr in die Augen stechen. Wenn denen die Skandale ausgehen, ist die Welt vielleicht etwas besser geworden, aber sie haben keinen Job mehr. Es wäre angebracht, auch auf der Seite mal ein kritisches "Cui bono?" einzustreuen...

  • Für die katastrophale und perverse Verbrauchstierfabrikation ist auch Bio keine Lösung.

  • Der Mensch ist schon von Gebiss und Verdauungstrakt her kein Fleischfresser. War er nie. Fleisch ist ihm nie gut bekommen. Erst die Nutzung des Feuers und die Zutat verschiedener Kräuter und Gewürze machte Fleisch halbwegs genieß- und verdaubar.

     

    Übrigens ist auch die besonders bei Fleischessern beliebte Theorie, die prähistorische Entwicklung des menschlichen Gehirns sei auf Fleischnahrung zurückzuführen, völliger Unfug.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Sollten tatsächlich nicht im Besitz von Gebiss und Verdauungstrakt eines Allesfressers sein, wie jeder Andere menschliche Bewohner dieses schönen Landes, dann sollten Sie ihren Körper aber dringend der Wissenschaft für Studienzwecke zur Verfügung stellen.

      Möglicherweise stellen Sie ja das bislang erfolglos gesuchte 'Missing Link" dar. Das würde manches erklären.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Für was hat der Mensch eigentlich Eckzähne?

      • @Simon Rieper:

        Damit der Mensch rohes Obst abbeissen kann. Allesfresser können übrigens ihr eigenes Vitamin C im Körper erzeugen, Pflanzenfresser nicht. Das ist nur einer von vielen Punkten, mehr finden Sie im youtube Kanal von meat your future.

        Zur Evolution des Menschen die ohne Fleisch geschah hier ein guter Artikel http://www.theflamingvegan.com/view-post/Vegan-Mythbusting-2-Eating-Meat-Gave-Our-Ancestors-Bigger-Brains

        • @Joachim1960:

          Also diese These lassen Sie bitte mal von Ihrem Zahnarzt überprüfen. Aber bitte nicht wundern, wenn dieser sich vor Lachen erst mal ausschüttet.

      • @Simon Rieper:

        ....für was der Gorilla ? und das sind wenigstens welche.

  • @taz-Mod

    Warum wurde mein Beitrag kommentarlos gelöscht ?

    Erstens ist der erkennbar ironisch, des weiteren wird Oxytocin als Wehenmittel in der human- Geburtshilfe tatsächlich auch verabreicht und letztendlich produziert es der Körper selbst.

    • @lions:

      Sorry, nehm alles zurück. War bloß der falsche Artikel !

      • @lions:

        Ist mir auch schon passiert... xD

        • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Ach scheiß auf die Paranoia !

  • Ist das wirklich ernst gemeint weiter unten mit den Pflanzen?? Wollen wir mal einen Spaziergang durch die schöne Natur machen und uns anschauen, wer da wen aus welchen Gründen frisst? In jedem Spinnennetz im Keller spielen sich täglich kleine Tragödien ab, jede zweite Hauskatze kommt täglich stolz mit einem halben Vogel im Maul heim.

     

    Danach gehen wir nach Afrika zu den Antilopen....

     

    Aus welchem Grund ist die Erde vor langer Zeit entstanden? Wie konnten sich Lebewesen entwickeln? Nur aus einem Grund: Weil es was zu fressen gab, nämlich Pflanzen und Tiere.

     

    Was wir bis heute daraus gemacht haben, ist extrem pervers! Warum darf z. B. mit Nahrung spekuliert werden?

     

    Und die Bio- Bauern können alle erzählen, was sie wollen: Auch bei ihnen kommt erst der Profit und dann die Moral.

    • @Wuff:

      "Ideologien wie der Veganismus nerven zumindest mich kolossal...."

       

      Weil sie Ihr Schnitzel in Frage stellen. Aber ich denke mal, dass der Intellekt Fragen besser beantwortet als der Gaumen.

  • Pflanzen sind auch Lebewesen, die nicht gefressen werden wollen, ihre "Gefühlswelt" ist uns nur fremder als die von Tieren. Ob es uns passt oder nicht: Leben ist nur auf Kosten anderen Lebens möglich. Egal was wir essen, sollten wir uns dessen bewusst sein und möglichst schonend mit unserer Mitwelt umgehen. Ideologien wie der Veganismus nerven zumindest mich kolossal, besonders wenn sie zunächst freundlich anbiedernd daherkommen wie manche Missionare besonders strenger (früher mit dem heute verpönten Wort Sekte bezeichneter) Religionsgruppen.

    • @Joba:

      Dieses Veganabashing kann ich nicht verstehen. Entscheident ist ob ein lebewesen leidet und dies gilt es, insofern man dem Menschen Empathie zuspricht, zu unterbinden. Ich denke Veganer leisten da guten Verzicht. Da nehm ich das Missonierungsgehabe einiger weniger gern in kauf. Einfachere wäre es wenn alle einfach Fleisch bewusster konsumieren. Dann bräuchte man diese Gequake nicht...

      • @FriedrichH:

        das ist kein veganbashing, sondern leider teilweise eine tatsache. meine tochter ist veganerin und hat mitunter große probleme, nicht in den extremismus abzurutschen. manchmal würde sie sogar vegetarier in ein erziehungsheim abschieben und diese art mit der eigenen überzeugung umzugehen kann ich zwar verstehen, aber nicht unbedingt willkommen heißen. fakt ist, dass die veganer ziemlich viel richtiges denken und tun, aber das darf dann bitte nicht an der diskussion mit dem eigenen innen im bezug zum außen scheitern - das ist dann der weg der arbeit, toleranz, verständigung und veränderung.

        • 9G
          970 (Profil gelöscht)
          @michael bolz:

          Im Fach "Generalisieren" waren Sie wohl auch der Klassenstreber, oder?

      • @FriedrichH:

        Da bin ich ganz bei Ihnen. Mir geht es nicht um übermäßigen Fleischverzehr oder zu ignorierendes Tierleid. Nur Pflanzen leiden auf ihre Weise ebenso und sie tauschen Botschaften untereinander aus. Letzte Konsequenz absoluter Empathie wäre, gar nichts mehr zu essen und freiwillig zu verhungern:

        • @Joba:

          Wer sich um das Wohlergehen von Pflanzen sorgt, hat einen Grund mehr, vegan zu leben. Ohne den Umweg über die "Nutz"-Tiere würden wir viel weniger Pflanzennahrung verbrauchen. Der vage Hinweis auf die Gefühlswelt der Pflanzen und darauf, dass Leben eben immer auf Kosten anderer geht, taugt insofern überhaupt nicht als Argument, dass Veganismus nicht ethisch geboten wäre.

        • @Joba:

          Wer sich um das Schmerzempfinden von Pflanzen sorgt, muss vegan leben. Isst man die Pflanzen nämlich direkt, statt sie zuerst Tieren zu füttern, um dann die zu essen, leiden erheblich weniger von ihnen (Um in Ihrem Argument zu bleiben.). Weil auch insgesamt mit veganer Ernährung weniger wertvolle Ressourcen verschwendet werden, können Sie damit auch gleich (z.B.) einen Beitrag gegen den Welthunger leisten. Ernährung ist keine Privatsache, weil sie ganz erhebliche Auswirkungen auf andere hat.

        • @Joba:

          Man sollte über alle Tierethik nicht vergessen, dass es noch ganz anders gelagerte Argumente gibt, warum ein vernünftigerer Fleischkonsum angebracht ist. Tierhaltung in dem Ausmaß, in dem es heute betrieben wird, ist schlicht nicht nachhaltig. Es belastet natürliche Ressourcen und die Atmosphäre (Treibhausgase) in einem unvernünftigen Ausmaße.

           

          In der aktuellen Situation ist Veganismus sicherlich eine angemessene Form des Widerstands gegen diese Fehlentwicklung.

          • @user21617:

            Sie benennen die wahren Probleme. Zu denen gehört aber auch die industrialisierte Pflanzenzucht mit ihrem Gifteinsatz, die zum Artensterben in Flora wie Faunabeiträgt und mit Gentechnik sogar irreversibel in die natürlichen Abläufe eingreift. Deshalb ist allenfalls Veganismus aus Ökolandwirtschaft eine Alternative. Fleischessen oder nicht ist aus meiner Sicht nicht die entscheidende Frage.

  • Diese ganze Biobranche wurde schon immer überbewertet! Ich hab das auch selber erlebt wie angebliche Bresse-Biohühner nicht tierartgerecht gehalten werden! Ich hatte mal 5 Bressehühner von einem Biohof gekauft. Der Hahn und 2 Hennen war völlig zerrrupft bis aufs Fleisch! Das kommt nur vor, wenn man die Tiere viel zu dicht in einem engen Raum hält!

     

    Bei mir hatten die Hühner wirklich Auslauf und wurden artgerecht gehalten. Hatten einen angemessenen großen Stall und ihr Federkleid war nach der Mauser auch nicht zerrpuft und angepickt!

     

    Heute wird soviel betrogen, weil jeder nur noch schnelles Geld machen will! Verkommene Gesellschaft ist das nur noch!

  • "Bio" ist zwar nice to have, aber letztlich ist nur eine strenge Reduktion der Fleischproduktion und Tierfabrikation zielführend.