Kommentar TTIP-Verhandlungen: Weiter unter Verschluss
Abgeordnete können TTIP-Dokumente einsehen. Doch die Transparenz ist mehr Schein. So entsteht kein Vertrauen in die Entscheidungen der Politik.
N ach mehr als zwei Jahren streng abgeschotteter Verhandlungen und medienwirksamer Protestaktionen der Gegner öffnet sich nun die Geheimakte TTIP für alle Bundestagsabgeordneten. Der Widerstand seitens kritischer Abgeordneter und vor allem der Tausender Bürger, die gegen das Freihandelsabkommen auf die Straße gegangen sind, scheint sich also gelohnt zu haben. Doch die neue Transparenz ist mehr Schein als ein echter Erfolg.
Die Parlamentarier werden Hunderte Seiten voll von Fachtermini in englischer Sprache lesen müssen. Und wohl oder übel immer wieder in den Leseraum des Wirtschaftsministeriums zurückkehren. Kaum vorzustellen, dass die komplizierten Passagen, in denen jedes Komma und jeder Gedankenstrich entscheidend sein kann, in kurzer Zeit zu verstehen sind. Denn die Akten dürfen nicht zum Übersetzen oder schlicht zum Verstehen nach Hause getragen werden.
Die Parlamentarier brauchen also einen langen Atem und den Willen dranzubleiben. Zudem ist Tempo angesagt. Schließlich wird in Brüssel und Washington munter weiterverhandelt.
Doch was Gegner eigentlich zu schaffen macht, ist der Ausschluss der Bevölkerung. Nach wie vor bekommen diejenigen keinen Zugang, die sich außerhalb des Parlaments Sorgen um Umwelt- und Verbraucherschutz machen. Denn die Standards, die wir kennen, sind tatsächlich in Gefahr, wenn TTIP so kommt, wie es so manchem Strategen sowohl bei den Amerikanern als auch bei der EU-Kommission vorschwebt. Für die Kritiker bleibt TTIP die Black Box, die garantiert nicht dafür sorgt, dass Vertrauen in die Entscheidungen der Politiker wächst.
Echte Transparenz sieht anders aus. Das wird vermutlich auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wissen. Es wird Zeit, dass er sich nicht länger hinter den Verhandlungsvereinbarungen von EU-Kommission und US-Vertretern versteckt.
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