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Zukunftspläne der Grünen20 Milliarden Euro für Integration

Die Grünen beschließen auf ihrer Klausur einen umfassenden Integrationsplan. Ein neues Ministerium soll sich um Flüchtlinge kümmern.

„Integration gelingt dort am besten, wo die Menschen leben“, betonte Katrin Göring-Eckardt. Foto: dpa

Weimar taz | Die Grünen fordern 20 Milliarden Euro vom Bund, um Flüchtlinge in Deutschland zu integrieren. „Das Jahr 2016 wird die Weichen stellen, ob die Integration gelingt“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Donnerstag. Die Grünen-Fraktion beschloss bei ihrer dreitägigen Klausur in Weimar einen Integrationsplan, der kommunale Integrationscenter, mehr Geld für Bildung und ein Integrationsministerium im Bund enthält.

Mit der Offensive wollen sich die Grünen von CDU und CSU absetzen, die weiter über Obergrenzen streiten. Die Integrationscenter wollen die Grünen in den knapp 300 Landkreisen und 110 kreisfreien Städten ansiedeln. Sie wären Anlaufstationen für Flüchtlinge, Nachbarn und Helfer, könnten selbstständig über ihr Budget entscheiden und würden sich um Alltagsfragen kümmern.

Sozialarbeiter sollen in diesen Centern die Menschen beraten, die Grünen haben aber auch die Kinder und Enkel der Gastarbeitergeneration als Experten für Integration im Blick. Göring-Eckardt betonte: „Integration gelingt dort am besten, wo die Menschen leben.“

Das Integrationsministerium im Bund ist ein Vorschlag, den die Grünen schon früher machten. Die Behörde soll sich nicht nur um Integration kümmern, sondern auch um das Ausländer- und Asylrecht. Das neue Ministerium würde also Kompetenzen bekommen, die im Moment verteilt sind – etwa auf das Innen- oder Arbeitsministerium. Dass die Große Koalition diesen Wunsch spontan erhört, ist so gut wie ausgeschlossen – es wäre ein Projekt für eine grüne Regierungsbeteiligung ab 2017.

Schätzungen zu Mehrausgaben des Bundes

Die Grünen wollen die Bundesmittel für sozialen Wohnungsbau auf mindestens 2 Milliarden Euro im Jahr aufstocken. Sie fordern eine frühkindliche, schulische und hochschulische Bildungsoffensive, also mehr Geld für Räume, Lehrer und Materialien. Der Bund müsse die Länder in den nächsten zehn Jahren mit jährlich einer Milliarde Euro unterstützen, heißt es im Fraktionsbeschluss.

Insgesamt kalkulieren die Grünen in den nächsten fünf Jahren mit Mehrausgaben des Bundes von je 4 Milliarden Euro. Damit sind sie die erste Partei in Deutschland, die eine Schätzung abgibt, wie teuer die Integration der vielen Flüchtlinge wird. „Diese Investition wird sich auszahlen – ökonomisch und gesellschaftlich“, sagte Göring-Eckardt. Die Grünen-Fraktion hatte den Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, eingeladen – er unterstützte ihre optimistische Sicht. 70 Prozent der Flüchtlinge seien erwerbsfähig und in den Arbeitsmarkt integrierbar, von ihnen sei die Hälfte unter 25 Jahre alt.

Die Investitionen sind laut Göring-Eckardt ohne Steuererhöhungen möglich. Die Einnahmen des Bundes seien gut, außerdem spiele der Plan durch konjunkturelle Effekte einen Teil der Kosten selbst ein. Mit moderat-linken Ideen für Steuererhöhungen hatte die Partei bei der Wahl 2013 schlechte Erfahrungen gemacht. Auch im linken Parteiflügel sind viele der Ansicht, dass die Grünen das Flüchtlingsthema nicht mit Steuerpolitik verbinden sollten. „Im Bundeshaushalt gibt es genügend Spielraum“, sagte Sven-Christian Kindler, der Haushälter der Fraktion.

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3 Kommentare

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  • Systematisches Vorgehen gegen wirtschaftliche Schieflagen ist absolut unabdingbar, denn sonst treibt man nicht nur den Rechten, sondern auch den Islamisten immer mehr arme Menschen in die Arme. Denn auch wenn es hier kaum jemand weiß, das ist ein Hauptthema des IS: die sind so populärsozialistisch wie die Nazis es waren. Die Menschenfeinde haben es immer leicht, Gerechtigkeit zu versprechen, wenn andere unter Freiheit scheinbar vor allem die Freiheit des Reichtums verstehen. Freiheit ohne Solidarität und ohne Gerechtigkeit geht nicht.

     

    Aber klar, nachdem praktisch das gesamte Protestpotential sich inzwischen offenbar bei der AfD und Pegida versammelt hat, müssen die Grünen ihre Wählerstimmen schon lange bei den Besserverdienenden suchen und mit denen kann man so etwas wie Steuererhöhungen etc. nicht machen. Scheißsituation.

     

    Aber Bildung und Integration sind ohnehin bitter nötig, auch von den Flüchtlingen abgesehen. So richtig gebildet und integriert sind nämlich viele "Biodeutsche" auch schon lange nicht mehr. Deswegen müssen sie ja auch immer stolzer auf ihr Deutschsein sein, denn viel mehr ist da leider oft genug nicht mehr.

  • Mag sein, dass die Grünen schlechte Erfahrungen mit Forderungen nach Steuererhöhungen haben. Dennoch ist es nicht zu rechtfertigen, dass die ökonomische Ungleichheit weiter anwächst. Die Unzufriedenheit darüber ist die treibende Kraft, die die Leute Pegida, AfD & Co. in die Arme treibt.

     

    Wer also auf Steuererhöhungen verzichten will, soll mir andere Maßnahmen nennen, mit denen er die Ungleichheit eindämmen will. Ein deutlich erhöhter Mindestlohn? Gerne. Dann aber bitte verbunden mit einem Gesetz, dass die Gehälter und Boni der obersten Chefs unserer Konzerne auf einem bestimmten Vielfachen des Gehaltes des am schlechtesten bezahlten Mitarbeiters deckelt. Das 30- oder 50-fache wären sinnvolle Zahlen. Selbst das 100-fache wäre aber immer noch eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand.

     

    In der Schweiz gab es doch vor zwei Jahren oder so eine Volksabstimmung, wo solch eine Regelung mit dem 12-fachen als Grenzwert gar nicht einmal so weit von einer Mehrheit entfernt war. Wann kommen solche Regelungen auch bei uns?

  • Ja, 20 Milliarden beschliessen, aber gleichzeitig abschieben, so sind die Grünen. Mit der Knete bauen sie dann einen vergoldeten Radweg von Berlin nach Tübingen.