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Ex-Verfassungsschutzchef in Thüringen„Eine üble Verleumdung“

Helmut Roewer steht nach seinen steilen Thesen in der Kritik. Thüringens neuer Verfassungsschutzchef sieht einen „Fall für die Staatsanwaltschaft“.

Eskapaden statt NSU-Aufklärung: Helmut Roewer, von 1994 bis 2000 Verfassungsschutzchef in Thüringen. Foto: dpa

BERLIN taz | Es wird ungemütlich für Helmut Roewer. Nach den jüngsten Ausfällen des früheren Thüringer Verfassungsschutzchefs fordert der aktuelle Amtsinhaber Stephan Kramer juristische Schritte zu prüfen. „Über die Aussagen kann man nur entsetzt sein“, sagte Kramer der taz.

Roewer hatte in einem Interview mit Bezug auf die derzeitige Flüchtlingspolitik gesagt, es werde einen „Umsturz“ in Deutschland geben, sobald die Regierung „den Befehl erteilt, gegen das eigene Volk vorzugehen“. Zu den Protesten gegen Pegida in Dresden behauptete er, würden „landesweit bekannte Gewalttäter“ von der „öffentlichen Hand“ herangeschafft. Zum Umgang mit kritischen Journalisten in seiner Amtszeit sagte Roewer: Man überlege sich, „gibt es eine Möglichkeit, denjenigen zu schaden, die dir das antun? Und manchmal gibt es so eine Möglichkeit, die sollte man dann auch wahrnehmen.“

Roewer war von 1994 bis 2000 Verfassungsschutzchef in Thüringen. In seine Dienstzeit fiel das Untertauchen der späteren NSU-Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Amtszeit wenig für das Auffinden des Trios getan zu haben - dafür umso mehr mit Eskapaden aufgefallen zu sein, etwa abendliche Damenbesuche im Amt oder das Auflösen ganzer Referate von missliebiger Angestellter.

Kramer, Thüringer Verfassungsschutzchef seit Dezember und früherer Generalsekretär des Zentralrats der Juden, nannte Roewers jetzige Aussagen „eine üble Verleumdung des deutschen Rechtsstaats und der Demokratie in unserem Land“. Sei er als Verfassungsschutzpräsident tatsächlich gegen kritische Journalisten vorgegangen, wäre das „ein Fall für den Staatsanwaltschaft – oder aber für Mediziner“.

„Ob Herr Roewer all das, was er von sich gegeben hat, wirklich glaubt oder sich nur zynisch ohne Rücksicht auf den von ihm angerichteten Schaden in Szene setzen wolle, vermag ich nicht zu beurteilen“, sagte Kramer der taz. „Auf die leichte Schulter darf man seine Worte weder in dem einen noch in dem anderen Fall nehmen.“

NSU-Opferanwälte üben scharfe Kritik

Auch die NSU-Opferanwälte Yavuz Narin und Mehmet Daimagüler forderten, die Aussagen „strafrechtlich ernsthaft zu prüfen“. Die NSU-Terrorserie, so Narin, sei auch „ein Produkt von Roewers Amtsführung“. Unter dessen Amtsleitung seien neonazistische Strukturen in Thüringen aufgebaut, finanziert und rechtswidrig vor Strafverfolgung geschützt worden. Schon damals sei er gegen Journalisten vorgegangen, die vor Gefahren der rechtsextremen Szene warnten, so Narin. Daimagüler fragte, „wie so jemand überhaupt Verfassungsschutzpräsident werden konnte und wie viele Typen dieser Art es noch in den Behörden gibt“.

Roewer wurde 1994 vom damaligen Thüringer Innenminister Franz Schuster (CDU) nannt. Seit seiner Suspendierung 2000 ist er im Ruhestand und verdingt sich als freier Autor, unter anderem für das rechte Magazin „Compact“. Seine jüngsten Äußerungen machte er im verschwörungstheoretischen Youtube-Kanal „Querdenken TV“.

Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte Roewer darauf „clowneske Auftritte“ vorgeworfen, die nur dazu dienten, „von seiner schlimmen Verantwortung abzulenken“.

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5 Kommentare

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  • "Zu den Protesten gegen Pegida in Dresden behauptete er, würden „landesweit bekannte Gewalttäter“ von der „öffentlichen Hand“ herangeschafft."

     

    Roewer muss doch hier sehr genau wissen wovon er da spricht - auch wenn er mal wieder die Fakten verdreht. Er kennt sich ja aus seiner Amtszeit bestens mit dem Einsatz bekannter Gewalttäter für politische Agitation aus. Es ist mehr als fraglich, ob die NSU-Morde ohne seine Amtshilfe jemals hätten ausgeführt werden können.

  • Wer als oberster Leiter des Thüringers Verfassungschutz öffentlich in der Uniform des Ex-General Ludendorff posiert, den sollte man einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen. Auch seine Äußerung, er sei volltrunken gewesen, als man ihm heimlich die Ernennung zum Chef besagter Behörde in die Jackentasche stopfte, zeugt von einem Kontrollverlust, der diesen Mann als absolut ungeeignet selbst zur Leitung des städtischen Friedhofsamtes macht.







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  • Um so bemerkenswerter ist die Hähme, mit der der neue Thüringer LfV-Chef überschüttet wird, etwa in der FAZ und - ausgerechnet - der rechtsdriftigen „Achse des Guten“. Henrik M. Broder („Überlebensgroß Herr Kramer“) nennt darin Kramer einen “Quereinsteiger” und „genau das, was die Wiener einen “Adabei” nennen und auf Jiddisch “Schwitzer” heisst. Ein Mann für alle Fälle. Eloquent, charmant, professionell. Wenn es sein müsste, würde er ein Tofu-Schnitzel davon überzeugen, es stamme von einem Rind ab.“ Aber schließlich sei es „Wurscht, ob er den Verfassungsschutz in Thüringen führt oder bei der Schalmeienkapelle Löbichau 1962 e.V. die Alt-Schalmei spielt.“ Hier wie in der FAZ wird Kramer schlicht dessen Qualifikation für das Amt in Frage gestellt.

     

    In den Kommentaren zur Broder-Glosse werden präzise Stellenbeschreibungen für das Amt vorgegeben: Dazu bedürfe es „eines klaren Kopfes, mit Nüchternheit, ohne Polemik und nicht nur Gesetzeskenntnis, sondern akademisch gebildeten Verständnisses.“ Woran es dem Kandidaten offensichtlich ermangele, denn schließlich sei er ein „Blender und Hochstapler“, seine Ernennung „eine weitere Episode aus der fast unendlichen Geschichte des Niedergangs dieses Staates, der sich BRD nennt. Ein Staat hört auf, ernst genommen zu werden, wenn er seine eigenen Gesetze, Prinzipien und Ansprüche selbst nicht mehr ernst nimmt, sondern sie der völligen Beliebigkeit einzelner Staatsakteure anheim gibt.“, also wie dem früheren Generalsekretär des Zentralrates der Juden, eine Funktion, die Broder schon mal spitz in Anführungszeichen setzt, wohl damit andeutend, daß es auch damit schon nicht ganz koscher zugegangen sein muß.

     

    Kurz, Kramer sei der falsche Mann für das Amt des LfV-Chefs in Thüringen. Im Gegensatz etwa zu seinem über alle Maßen qualifizierten Vorgänger Helmut Roewer, über den solcherart polemischer und hämischer Gegenwind nach seiner Ernennung und während seiner Amtszeit in der FAZ und der „Achse des Guten“ nicht überliefert sind.

  • Warum verharmlosen alle dieses Thema? Roewers Bemerkung über Journalisten stellt nur die Spitze eines Eisberges dar. „Wie so jemand überhaupt Verfassungsschutzpräsident werden konnte“ lenkt den Blick auf Ex-Innenminister Franz Schulz. Warum heißen Gruppen Rechtsextremer Kameradschaften? Dieser Begriff wurde auch von Studentenorganisationen verwendet, wohl um die Nähe zum Militär auszudrücken.

     

    Roewers selbstbewusstes Auftreten zeigt, dass er durch ein Netzwerk gedeckt wird. Doch niemand will den Zusammenhang mit national gesinnten Burschenschaften sehen. Die einen, weil ihnen so elitäre Kreise kein Begriff sind, die anderen weil ihnen wohl die Traute fehlt. Es könnte ja abträglich für die Karriere sein. Nur, wie soll dann Licht in das Dunkel des NSU kommen?

  • Zu einer solchen Zusammenarbeit mit Nazi-Kriminellen gehören auch die entsprechenden Persönlichkeiten in den Behörden.