piwik no script img

Kommentar Bundeswehr gegen den ISSo nicht!

Kommentar von Martin Reeh

Der jetzt geplante Militäreinsatz riecht nach Aktionismus. Es fehlt ein Friedensplan, der auch die Milizen- und Kurdengebiete absichert.

Kampf gegen den IS: Frankreichs Flugzeuge tragen Bomben nach Syrien. Foto: dpa

V ier Jahre hat sich die Bundesregierung nicht für den Syrien-Konflikt interessiert. Nicht, als Assads Truppen friedliche Demonstranten zusammenschossen und folterten. Nicht als Assads Luftwaffe begann, Fassbomben auf die Zivilbevölkerung zu werfen. Und auch nicht, als der „Islamische Staat“ ein Terrorregime errichtete und Kobanê angriff. Als die USA den Kurden half, stand die Bundesregierung abseits.

Nach Paris, also seitdem klar ist, dass nicht nur Syrer, sondern auch westliche Bürger vom IS-Terror betroffen sind, ist alles anders. Klar ist: Den IS kann man ohne militärische Mittel nicht besiegen. Die Lieferung deutscher Waffen an die kurdischen Peschmerga im vergangenen Jahr war deshalb richtig – und es wäre auch richtig gewesen, hätte sich die Bundesregierung schon damals an Lufteinsätzen zum Schutz Kobanês gegen den IS beteiligt.

Die Beteiligung am jetzigen Einsatz ist nach allem, was wir derzeit wissen, dennoch falsch. Russlands Eingreifen in den Konflikt – auch das ein Nebeneffekt des jahrelangen Wegschauens – hat die Lage entscheidend verändert. An einen Kompromiss mit dem Assad-Regime wird man daher kaum vorbeikommen. Entscheidend ist aber, was mit den Gebieten geschieht, die derzeit in der Hand von Milizen sind, die nicht zum IS gehören - und den Kurdengebieten.

Der Westen sollte als Teil einer Friedenslösung eine Bestandsgarantie für das Assad-Regime in seinen jetzigen Grenzen garantieren. Im Gegenzug sollte er von Putin und Assad eine Nichtangriffsgarantie für die Milizen- und Kurdengebiete einfordern. Davon ist bisher nichts bekannt.

Luftangriffe werden gegen den IS nicht ausreichen

Klar ist ebenso: Luftangriffe werden gegen den IS nicht ausreichen. Wer aber soll die Bodentruppen stellen, um diese Gebiete zu befreien? Die Kurden? Die Türkei? Die Anti-Assad-Milizen? Oder bombt der Westen Assad den Weg nach Rakka frei – und nimmt die anschließenden Folterungen billigend in Kauf? Der Westen hat im Nahen Osten ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil er Diktatoren unterstützt, die Stabilität versprechen, und sich ansonsten für die Region nur interessiert, wenn ihm Terroristen das Thema auf die Tagesordnung setzen. Es sieht nicht so aus, als würde der deutsche Syrien-Einsatz den Westen glaubwürdiger machen.

Vier Jahre hätte die Bundesregierung Zeit gehabt, über einen Militäreinsatz in Syrien nachzudenken. Der jetzt geplante riecht nach Aktionismus. Einem halbherzigen zudem. Die Deutschen stellen die Aufklärer, die anderen die Bomber. Wenn der Einsatz – wie bei einem reinen Luftkrieg üblich – immer mehr zivile Opfer fordern wird, weil die militärischen Ziele längst ausgegangen sind, werden nur Franzosen und Amerikaner die volle Verantwortung übernehmen müssen. Das nennt man im militärischen Jargon feige.

Vieles erinnert an den Afghanistan-Einsatz. Damals hatte Deutschland Osama bin Laden auch solange ignoriert, bis es nach 9/11 nicht mehr ging. Die Scherben des anschließenden Einsatzes kehrt die Bundesregierung gerade zusammen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • also manchmal weiß ich es echt nicht! angst vor terroranschlägen?

     

    ich bin dafür erst mal zu planen, wie es denn nach dem vermeindlichen ende des IS weitergeht? endet das ganze wie im irak mit einer besatzung über ein jahrzehnt und 1 mio. toten irakern? da ist der IS die deutlich bessere wahl. die töten vielleicht nur ein paar zehntausend.

     

    wie wäre es, wenn der westen mal überlegt, was für die menschen am wenigsten leid bedeutet. eine besatzung durch die usa ist es jedenfalls nicht!

  • Frau Merkel sagt schon einmal, wieder pauschalierend großspurig, "jedwede Unterstützung" zu. Hat sie überhaupt noch eine Ahnung davon was sie sagt und tut? Dieses Gewurstel wird, zudem ohne ausreichende Begründung, im besten Fall so gut wie keinen Erfolg haben. Der IS ist genauso zynisch(-attraktiv), so technisch, so modern, so media-savvy wie der Westen vor dessen Karren sich Merkel, von der Leyen und die olivgrünen Grünen (das sind die die im Zweifel alles mitmachen) spannen lassen. Siehe auch: "IS: Nicht Moscheen, sondern Freundeskreise sind die Anwerber - Der Westen muss ein paar Illusionen aufgeben. Sonst überlässt er das "nächste große Ding" Al Furqan Media und Co." http://www.heise.de/tp/artikel/46/46679/1.html

  • Mutig, die Herren und Damen Kriegstreiber...... ein Drei-Fronten-Krieg.... Gegen eine Atommacht und eine ideologisch-motivierte Graswurzelbewegung......

  • "Vier Jahre hat sich die Bundesregierung nicht für den Syrien-Konflikt interessiert."

     

    Wie kommt denn der Autor auf die Idee? Es ist doch von Anfang an deutsches Geld geflossen, um den Krieg anzuheizen.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    wieder so ne peace keeping operation.....

     

    Operation Enduring Freedom hatten wir schon.

    Operation Iraqi Freedom auch....

    Und jetzt: Operation Syria Freedom

  • Daesh daran zu hindern weiter zu expandieren kann durchaus mit Luftangriffen erreicht werden. Alle Probleme in Syrien werden dadurch nicht gelöst. Nichts zu tun und Daesh weiter morden zu lassen wäre allerdings noch schlimmer.

  • Feige ist also eine Bezeichnung aus dem militärischen Jargon. Ich finde es interessant wie sie einen militärischen Eingriff als unausweichlich darstellen, dann ganz nebenbei eine Invasion als einziges hinreichendes Mittel zu diesem Zweck erscheinen lassen, da halt einfach alle möglichen Partner wie Kurden oder die syrische Regierung, pardon, das demokratisch gewählte syrische "Regime" einfach untauglich sein müssen, und nicht verlegen sind sich am Ende dieser eloquenten und trefflichst hergeleiteten Argumentation den eigenen hohen moralischen Standpunkt mit einer frotzelnden Floskel vom Scherbenhaufen im Afghanistan herbeischreiben zu wollen. Herzlichen Glückwunsch. Falls Sie doch noch ein wenig Recherchearbeit aufbringen möchten würde ich Ihnen die Fragestellung ob eine Einflußnahme auf den Nato Bündnispartner Türkei, der gleichzeitig auch sein kleines Bündnis mit ISIS am laufen hat nicht doch ein wenig tauglicheres Mittel wäre, voraisgesetzt natürlich man betracht das vermeiden unnötiger Tötungen von Menschen als sinnvolles Ziel.