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Zentrum für Politische SchönheitSpäte Rache

Schwerer Hausfriedensbruch oder nur eine Kunstführung? Die Bundestagspolizei knöpft sich das Zentrum vor. Das hat eine Vorgeschichte.

Inzwischen sind die Kreuze längst zurück – der Ärger darum hält an. Foto: dpa

BERLIN taz | Es wäre vielleicht nur eine kleine Anekdote am Rande, wenn sie nicht diese beachtliche Vorgeschichte hätte: Der Bundestag, die Mauerkreuze, die Kunstfreiheit - und der große Streit darum. Und so wird aus einem kleinen Zwischenfall am Deutschen Bundestag ein neues Kapitel in einer der schönsten Kunsterzählungen der vergangenen Jahre: Die Hauspolizei des Bundestags hat nach Angaben des Zentrums für Politische Schönheit Strafanzeige gegen deren Leiter Philipp Ruch gestellt. Der Vorwurf: Schwerer Hausfriedensbruch.

Schwerer Hausfriedensbruch? Was bedeutet das?

Paragraf 124, Strafgesetzbuch: „Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an diesen Handlungen teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Das muss ja ein gefährlicher Samstag gewesen sein.

Dabei sollte am vergangenen Samstag doch programmgemäß eigentlich nur eine kleine Kunstführung stattfinden. So zumindest ist es im Spielplan des Berliner Maxim Gorki Theaters notiert - als „geführte Busfahrt“. Das Zentrum für Politische Schönheit, das in den vergangenen Jahren immer wieder mit großen Inszenierungen und provokanten Aktionen für Furore gesorgt hatte, hatte eingeladen, um mit Kunstinteressierten an die Schauplätze ihrer Aktionen zu fahren. Und ein Schauplatz war nun einmal der Deutsche Bundestag.

Keine Anhaltspunkte für Diebstahl

Dort hatte das Zentrum in einer viel beachteten Aktion Anfang November 2014 zum 25. Jahrestag des Mauerfalls die dort angebrachten Gedenkkreuze zur Erinnerung an die Mauertoten entwendet – und anschließend neu kontextualisiert. Das Zentrum veröffentlichte Bilder, in denen Flüchtlinge vor Europas Außengrenzen weiße Gedenkkreuze hoch hielten. Ein klarer Aufschrei: „Blickt auf die nächsten Grenztoten der Geschichte!“

Gelungen an der Aktion war nicht nur die Botschaft, sondern auch der dezente Hinweis darauf, wie fahrlässig der Deutsche Bundestag sein vermeintlich so wichtiges Denkmal gesichert hatte, wenn es möglich war, die Tafeln am hellen Tag einfach abzuschrauben und mitzunehmen. Es war eine kluge geschichts- und denkmalpolitische Intervention.

Umso ärgerlicher für Bundestagspräsident Norbert Lammert: Zwar hatte die Staatsanwaltschaft seinerzeit Ermittlungen aufgenommen – allerdings auch wieder eingestellt. Weil die Künstler nie die Absicht gehabt hätten, die Kreuze dauerhaft zu behalten, lägen auch keine Anhaltspunkte für einen Diebstahl vor, hieß es. Fazit: Denkmäler ausleihen erlaubt.

Kein Wunder also, dass das gedemütigte Bundestagspräsidium und die bundestagseigene Hauspolizei nicht sonderlich gut auf das Zentrum für Politische Schönheit und dessen künstlerischen Leiter Philipp Ruch zu sprechen sind. Als er am Samstagnachmittag mal wieder zum Bundestag kam, setzte die Polizei ihn fest – und mit ihm laut einer Teilnehmerin rund 30 weitere Personen, die an der Kunstführung beteiligt waren.

Eine besondere Führung

Nach Angaben von Teilnehmern hielt die Polizei die Gruppe über zwei bis drei Stunden eingekesselt, hatte sie sogar eigens aus einem Bus gebeten, in dem die Teilnehmer zuvor gesessen haben sollen. Dann soll sie von allen die Personalien aufgenommen haben. Unter denen sorgte das für Verwunderung – sie hatten gedacht, sich lediglich einer Kunstführung angeschlossen zu haben. Anschließend soll gar die Intendantin des Gorki-Theaters, Shermin Langhoff, selbst am Bundestag erschienen sein, um die Lage zu entschärfen. Als dann anschließend noch der Bus der Gruppe ohne die TeilnehmerInnen abfuhr, weil es dem Busfahrer zu viel wurde, dämmerte den Kunstinteressierten: Es würde eine besondere Führung werden.

Vorausgegangen war der Situation eine kurze Szene, in der Ruch sich einem Eingang des Bundestagsgebäudes genähert hatte – mit einer Nachbildung eines Gedenkkreuzes in der Hand, das er Bundestagspräsident Norbert Lammert überreichen wollte. Spätestens da war für die Hauspolizei Schluss mit lustig.

Sie verwies auf die Bannmeile, die rund um den Deutschen Bundestag gilt und die bewirken soll, dass Parlamentarier sich im unmittelbarem Umfeld des Bundestages frei vom politischen Druck protestierender Menschen bewegen können. Das Zentrum wiederum wundert sich und fragt: Ja, können die denn eine Kunstführung nicht von einer Demo unterscheiden? Das Bundestagspräsidium wollte sich am Dienstag zunächst nicht inhaltlich zum Sachverhalt äußern.

Schwerer Hausfriedensbruch zumindest, soviel steht geschrieben, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden. Kunstinteressierte sind sich sicher: Wenn es diesmal endlich zu einem Prozess kommt, wird er gewiss interessant.

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2 Kommentare

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  • Interessant. Um den Bundestag herum gibt es also eine Bannmeile, die bewirken soll, dass Parlamentarier sich im unmittelbarem Umfeld des Bundestages frei vom politischen Druck protestierender Menschen bewegen können. Wie ist das dann eigentlich mit bezahlten Lobbyisten, die selbst als Abgeordnete im Bundestag sitzen? https://www.lobbycontrol.de/2014/03/lobbyisten-im-bundestag-fragwuerdige-doppelrollen/

     

    Gilt die Bannmeile für die auch? Oder geht von bezahlten Lobbyisten am Ende gar kein Druck aus, sondern ausschließlich von unbezahlten Demonstranten?

     

    Seltsame Logik.

  • Wer sich an einer Kunstführung beteiligt, zu der das Zentrum für Politische Schönheit eingeladen hat, der sollte sich bewusst sein, dass er urplötzlich ein integraler Bestandteil von Kunst sein kann. Genau wie die Hauspolizisten übrigens, die sich haben inszenieren lassen von den Künstlern.