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Kommentar Japanischer WalfangKeine Konjunktur für Wale

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Nach zwei Jahren macht Japan wieder Jagd auf die Meeressäuger. Zu „Forschungszwecken“. Warum uns das alle was angeht.

Dieser Wal ist nicht mehr sicher vor japanischen Jägern. Foto: ap

W as, nur gut 300 tote Wale? Es ist ja nicht ganz leicht, das zuzugeben. Aber: Falls Sie bei der Geschichte über das Auslaufen der japanischen Trawler zur Wiederaufnahme der Waljagd nach zwei Jahren Pause so ähnlich denken, müssen wir reden. Und zwar grundsätzlich.

Ja, vielleicht war es aufregender, als sich Brigitte Bardot 1976 mit Robbenbabys fotografieren ließ, um gegen das Gemetzel zu protestieren. Es ist auch vielleicht spannender, wenn Aktivisten nachts in Hühnerfabriken eindringen, um die unwürdigen Haltungsmethoden aufzudecken. Dagegen klingen Wale im antarktischen jwd irgendwie nach 80er Jahre. Haben Sie auch das Gefühl, Sie wüssten alles über die größten Säuger der Welt?

Der Wal, zugegeben, hat derzeit keine gute Konjunktur. Ähnlich dem Bären, dem Hai. Und vielen anderen. Das ist schade – und ungerecht. Achtung, Pathos: Alle Kreaturen dieser Welt verdienen unser Mitgefühl, vor allem, wenn sie nur für ein bisschen Reibach mehr abgemetzelt werden.

Es darf im Falle der Wale gern ein gutes Maß Wut dabei sein. Sie waren bereits Anfang der 1930er Jahre eine der ersten Tierarten überhaupt, die unter internationalen Schutz gestellt wurde – damals gab es nur noch 100 Buckelwale, aber 40.000 andere getötete Wale im Jahr.

So gehen wir den japanischen Schlachtern auf den Leim – sie hoffen auf wenige Schlagzeilen

Und: Ist der Fall der japanischen Fischer, die zu „Forschungszwecken“ harpunieren, nicht besonders dreist? Insbesondere auch deshalb, weil dabei ein Urteil des Den Haager Internationalen Gerichtshofs missachtet wird. Aber hallo Greenpeace, guten Morgen, Peta und WWF – warum erregt nicht mal ihr euch über das Sterben der Wale?

So gehen wir alle den japanischen Schlachtern auf den Leim. Sie hoffen nämlich auf möglichst wenige Schlagzeilen – und laufen deshalb sogar früher als geplant aus. Erst internationaler Druck führte 1986 dazu, dass die Internationale Walfangkommission das Töten der Wale für kommerzielle Zwecke verboten hat.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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2 Kommentare

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  • Was will dieser Kommentar dem Leser sagen? Dass wir uns mehr über den Walfang empören sollten? Gerade die im Kommentar angeführten Buckelwale haben sich wieder ganz gut erholt und zeigen, dass der Walschutz zumindest für manche Arten eine Erfolgsgeschichte ist. Dass diese nicht so viel Empörung hervorruft wie die Bestandsdezimierungen in den Jahrzehnten davor finde ich ehrlich gesagt verständlich. Solange es nur wenige Länder sind, die Walfang auf Arten betrieben, die nicht in ihrem Bestand gefährdet sind, kann ich die Empörung nur bedingt teilen.

  • Ja klar, mehr vom immer Gleichen war schon immer die aller beste Lösung für alle Probleme dieser Welt!

     

    Wäre ich einer dieser "japanischen Schlachter[]", die angeblich für "Forschungszwecke" töten (wofür auch sonst?), würde ich wohl nicht auf "möglichst wenige Schlagzeilen [hoffen]", sindern auf möglichst viele – und zwar auf Schlagzeilen über Käfighühner, Robbenbabys, Klimakiller, Flüchtlingsströme, resistente Krankenhauskeime, abgeschossene Jagdflieger, Terroristen in Fußballstadien und auf Rockkonzerten, eckige Klammern, die Schädlichkeit von Zucker oder Nikotin, Pleitegriechen, Harz-IV-Schwindler, Ehrenmorde, reißende Wölfe, Deutschlands neuesten Supertrottel...

     

    Die taz hat einen "Ehrenkodex" und lässt keine überlangen Kommentare zu, sonst könnte ich hier endlos weiter machen. Die Aufmerksamkeitsökonomie (man kann sie auch Gefühlsindustrie nennen) verdient nicht schlecht daran, dass Menschen keine Prioritäten mehr erkennen können, wenn sie so richtig wütend sind, entsetzt, gekränkt, enttäuscht oder verliebt. Weil sie dann nicht im Stande sind zu fragen: "Wem nützt der Scheiß?". Sie wissen bloß noch: "Mir ganz sicher nicht!".

     

    300 tote Wale? Gebrochene Gesetze? Betrogene Betrüger? Sind keine Nachricht mehr. Sie haben sich schon längst "versendet", wie man das wohl nennt. "Hund beißt Briefträger", reißt schließlich auch niemanden mehr vom Sitz.