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Daniel Bax zum Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der TürkeiBitterer Beigeschmack

Es gab schon bessere Zeitpunkte, die Türkei als Partner so aufzuwerten und zu hofieren

Mehr syrische Flüchtlinge als bisher sollen über verabredete Kontingente auf legalem Weg nach Europa kommen können, statt sich selbst auf eigene Faust auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer und den Balkan zu machen. Und die Türkei erhält mehr Geld, um die Flüchtlinge dort besser zu versorgen. Das ist die gute Nachricht. Doch der Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei hat zugleich einen äußerst bitteren Beigeschmack.

Ausgerechnet in dem Moment, in dem die Türkei in immer autoritärere Verhältnisse abdriftet, macht ihr die EU so viele Zugeständnisse wie seit Jahren nicht – neben lang ersehnten Visa-Erleichterungen etwa einen Neustart der EU-Beitrittsverhandlungen. Und das, während in der Türkei immer mehr kritische Journalisten eingesperrt und kurdische Anwälte auf offener Straße ermordet werden, ungeklärte Bombenattentate das Land erschüttern und Erdoğan gegenüber den Kurden und in Syrien einen gefährlichen Konfrontationskurs fährt. Sagen wir es mal so: Es gab schon bessere Zeitpunkte, die Türkei als Partner so aufzuwerten und zu hofieren. Erdoğan kann sich als Gewinner feiern lassen dafür, dass er den Europäern die Flüchtlinge vom Leib hält. Und was ist eigentlich mit den syrischen Flüchtlingen im Libanon und in Jordanien? Fühlt sich Europa für die nicht verantwortlich, weil sie zu weit weg sind, um nach Europa zu kommen?

Die EU ist zerrissen zwischen einer Mehrheit, die auf Abschottung bedacht ist, und einer Minderheit, die sich ihrer humanitären Verpflichtung zu stellen bereit ist, vorneweg die deutsche Kanzlerin. Die europäischen Öffentlichkeiten sollten Druck auf ihre Regierungen ausüben, damit die Kontingente für syrische Flüchtlinge, an denen sich viele Länder der EU bisher gar nicht erst beteiligen wollen, möglichst großzügig bemessen werden. Und Länder wie Polen, die sich nicht solidarisch an der Aufnahme beteiligen wollen, sollten entsprechend zur Kasse gebeten werden.

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