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Protest gegen Polizeigewalt in New YorkUS-Polizei will Tarantino boykottieren

Weil Quentin Tarantino auf einer Demonstration US-Polizisten des Mordes bezichtigte, rufen diese nun zum Boykott gegen ihn auf.

Am 24. Oktober 2015 hatte der Regisseur Quentin Tarantino gegen Polizeigewalt demonstriert. Foto: ap

Berlin taz | Tamir Rice war 12 Jahre alt, als er am 23. November 2014 in Cleveland, Ohio, von einem Polizisten in angeblicher Notwehr erschossen wurde. Zuvor war ein Anruf bei der Polizei eingegangen. „Die Pistole ist vermutlich nicht echt“, hatte der Anrufer über den Verdächtigen gesagt – und dass es sich um einen Jugendlichen handelte, berichtete die New York Times, die eine Aufnahme jenes Notrufs zitiert. Von diesen Details habe der feuernde Polizist angeblich nichts gewusst, hieß es später. Warum die Details nicht weitergegeben wurden? Ist bis heute nicht bekannt.

Diesen und einen weiteren Fall schilderte Regisseur Quentin Tarantino Ende Oktober bei einem Protestmarsch gegen willkürliche und rassistische Polizeigewalt in New York. Er war nur einer von vielen Rednern. Die Demonstranten wiesen auf 250 ähnlich geartete Todesfälle hin, die seit den 1990er Jahren auf das Konto von Polizisten gehen.

Den Polizisten ist dieses Thema unangenehm. Wer will schon, dass Verfehlungen der eigenen Truppe derart pietätlos durchs Megaphon geplärrt werden? Außerdem: Die Jungs machen einen harten Job, ein Leben auf Messers Schneide, im unermüdlichen Einsatz für Recht und Ordnung. Da kann schon mal was danebengehen. Und das ist der Dank?

Ein Wort macht die Polizeiverbände in diversen US-Bundesstaaten besonders wütend: Tarantino hatte die Polizisten, die am Fall Rice und einem weiteren beteiligt waren, in seiner kurzen Ansprache „Mörder“ genannt. „Ich bin ein Mensch mit Gewissen“, sagte der Regisseur. „Und wenn man glaubt, dass es sich um Mord handelt, dann muss man aufstehen und sich dagegen wehren.“

Ein so eindeutiges Label ging den Polizisten zu weit: Sie haben dazu aufgerufen, Tarantinos neuen Film „The Hateful Eight“ – und alle seiner zukünftigen Projekte – zu boykottieren. Verkehrte Welt, könnte man denken. Sind die pflichtbewussten Gesetzeshüter doch sonst eher darauf bedacht, Blockaden aufzulösen, als welche zu initiieren. Gleichzeitig kann man ihnen dankbar sein. Selten war es so einfach, weltweit für die Wahrheit einzustehen. Tarantinos „The Hateful Eight“ läuft am 28. Januar 2016 in den Kinos an.

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4 Kommentare

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  • Der Schlusssatz scheint wenig durchdacht, fast ein wenig lemminghaft. Nur weil ein paar kritikunfähige Polizisten meinen, ihren Unwillen an Tarantinos Film auslassen zu müssen, macht das aus dem Besuch dieses Films noch lange keinen politischen Unterstützungsakt. Einem kommerziell tätigen Menschen sein politisches Engagement kommerziell zu vergelten, korrumpiert darüber hinaus ein wenig seinen Idealismus. Am Ende heißt es noch, er hätte bei der Demo ja bloß Werbung machen wollen...

     

    Davon abgesehn hat sich noch jeder Tarantino-Film als solcher anzuschauen gelohnt. Insofern braucht's gar keine hehre Ideale, um da reinzugehen...

    • @Normalo:

      Das Kino, wie wir es kannten, gibt es bald schon nicht mehr. Unter diesem Gesichtspunkt hat Tarantino nur einen einzigen Film gedreht: Jackie Brown.

      Und vergleicht man "Inglourious Bastards" mit Melvilles " L'Armée des ombres", dann ist Tarantino im Ganzen gesehen überdreht, selbstverliebt, an Mätzchen orientiert. Und seine Zitatwut ist hoffnungslose Altmodelei.

      Melville noch führte "le silence de la mer" dem ein Buch von Vercors, der "Bibel" der Resistence zugrunde lag, einer Gruppe von Widerstandskämpfern vor und hätte, wenn ihr Urteil abschlägig gewesen wäre, nicht gezögert, den Film zu vernichten. Dagegen ist der Protest der Polizei nur willkommene Werbung. Wie gesagt, ein Film.

  • Ausgerechnet Tarantino?

     

    Der mit der fragwürdigen Ästhetisierung von Schusswaffen?

     

    Na DER wirds wissen.

    • @KarlM:

      Fragwürdige Ästhetisierung der westlich geprägten Menschheit- Na die werden es wissen....