piwik no script img

US-Geheimdienstaktion in NordkoreaChristliche Helfer als Spione benutzt

„The Intercept“ belegt, wie US-Entwicklungshelfer in Nordkorea unwissentlich Informationen für das Pentagon gesammelt haben.

Gerne würde das Pentagon wissen, was in diesen Taschen steckt. Soldaten bei einer Militärparade in Nordkorea. Foto: dpa

Seoul taz | In Nordkorea sind Bibeln manchmal Versuchballons. So Anfang der 2000er Jahre, als Container der Humanitarian International Services Group (HISG), einer evangelikalen US-Missionarsgruppe eintreffen. Eine Gruppe, die in mehreren Ländern arbeitet. Während der strengen Winter gehen die sonst eher paranoiden Behörden des Kim-Regimes bedenkenloser mit ausländischen Hilfslieferungen um.

Was die Grenzer damals übersahen: Unter den Winterjacken sind Gottesbücher versteckt, deren Besitz, geschweige denn Einfuhr normalerweise mit langjähriger Haft geahndet wird. Das Kalkül des Absenders: Bleiben die Bibeln unentdeckt, könne man sie bald durch Militärsensoren und Funkbaken ersetzen.

In monatelanger Recherche hat die von Laura Poitras und Glenn Greenwald gegründete Investigativ-Plattform The Intercept dokumentiert, wie das Pentagon fast zehn Jahre lang unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe in Nordkorea spionierte.

Die Enthüllung zeigt die Verzweiflung der Amerikaner, Zugang zu einem der verschlossensten Staaten der Welt zu erhalten. „Wir hatten nichts in Nordkorea, null“, wurde ein Exmilitär zitiert. Mit Nordkoreas Atomprogramm stieg der Druck, die Informationsbarriere zu durchbrechen – auch, wenn das unschuldige Bürger gefährdete.

Umgerechnet 13,5 Millionen Euro investierte das Pentagon über ein Geflecht aus Anwaltsbüros und Consultingfirmen in das geheime Spionageprogramm, das 2003 unter Präsident George W. Bush gestartet und erst 2012 gestoppt wurde.

Großes Risiko für missbrauchte Helfer

Ziel sei es gewesen, nukleare Unregelmäßigkeiten zu messen und nordkoreanische Militäreinrichtungen zu stören. Auch wurden Kurzwellenradios ins Land geschleust, die im Konfliktfall helfen sollten, abgestürzte US-Piloten zu orten. Das Brisante dabei: Das Gros der HISG-Mitarbeiter wusste nicht, dass sie als Schmuggler eingesetzt wurden.

Dabei waren die Erfolgsaussichten der Mission gering. „Seit den siebziger Jahren war ich in solchen Operationen eingebunden – und nie haben diese funktioniert“, sagte dem Sender CNN der frühere CIA-Mitarbeiter Robert Baer.

Er arbeitet heute als Autor und Sicherheitsexperte: „Wir setzen diese Missionare einer Gefahr aus, ohne Aussicht auf einen Nutzen. Das zeigt, in welch verzweifelter Lage wir uns mit diesem Land befinden.“

In Nordkorea sind immer wieder ausländische Missionare unter dem Vorwurf der Spionage festgenommen worden. Meist waren es Südkoreaner, die ohne rechtsstaatliche Grundlage zu mehrjährigen in NordkoreaHaftstrafen verurteilt wurden.

Im Gegensatz zur US-Regierung unternimmt Südkorea kaum etwas, um sie nach der Verurteilung aus dem Land zu holen – aus Angst, die ohnehin brüchige Beziehung zum Nachbarstaat noch weiter zu gefährden.

Kein Kommentar zu den Enthüllungen

Die US-Regierung und Hilfsorganisationen haben zu den Recherchen keine Stellung nehmen wollen. Beobachter gehen davon aus, dass weitere NGOs aus den USA noch heute in Geheimdienstaktivitäten in Nordkorea verwickelt sind.

Konservative Hardliner stimmen dabei Washingtons moralisch fragwürdiger Methode zu: Nordkorea ließe eben kaum andere Möglichkeiten zu, an Informationen zu gelangen, schreibt etwa der US-Aktivist und Anwalt Joshua Stanton auf seinem Blog OneFreeKorea.

Pjöngjang arbeitet ähnlich: So wurden 2014 zwei Mitarbeiter vom berüchtigten Büro 121, einer Militärspionageabteilung, enttarnt, die unter falscher Identität bei der Unesco in Paris und dem World Food Program in Rom gearbeitet hatten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ethisch ist es sicherlich verwerflich, unwissende Spione zu benutzen. Allerdings ist es prinzipiell eine gute Idee, das nordkoreanische Atomprogramm im Blick zu behalten.

    • @Aaron Kunz:

      Welches Atomprogramm? Sie meinen, das vom Lügendiktator zur Beruhigung der eigenen Bevölkerung behauptete und von der Lügenorganisation CIA eifrig bestätigte "Atomprogramm"?

  • Ihre angebliche "Angst" des südkoreanischen Regierung vor einer weiteren Gefährdung der brüchige Beziehung zum Nachbarstaat Nordkorea nehme ich den Südkoreanern nicht ab. Schließlich finden jährlich gemeinsame US-amerikanisch-südkoreanische Militärmanöver statt, die den Nordkoreanern gegenüber Stärke und Entschlossenheit signalisieren sollen und von diesen als Affront interpretiert werden. Ich frage mich, welchen tieferen Sinn die demonstrierte Stärke haben soll, wenn sie nicht den Schutz der eigenen Bürger befördert.

     

    Meine (natürlich nicht beweisbare) Vermutung geht in eine etwas andere Richtung. Mir scheint, das Interesse der südkoreanischen un der US-Regierung an der Sicherheit der Hilfsorganisationsmitarbeiter hält sich in sehr engem Grenzen. Diese Leute konterkarieren schließlich jene Politik, mit der US-Amerikaner und Südkoreaner den widerspenstigen Nachbarn im Norden seit Jahrzehnten in die Knie zu zwingen hoffen. Wenn die Nordkoreaner dumm genug sind, die missbrauchten Helfer zu bestrafen für die Hinterhältigkeit ihrer Gegner, schlagen Washington und Seoul gleich drei Fliegen mit einer Klappe, und zwar ohne großen eigenen Kraftaufwand. Sie reduzieren a) den Umfang bzw. die Anzahl humanitärer Hilfe bzw. Helfer, sie zeigen b) potentiellen "Abweichlern" in den eigenen Reihen (Sympathisanten aus humanitären Gründen), was sie erwarten kann, und sie lassen c) die nordkoreanische Regierung noch despotischer, unmenschlicher und dämlicher erscheinen als sie sowieso schon aussieht.

     

    Wer jemals asiatischen Kampfsport betrieben hat, der weiß, dass und wie man die Energie eines kräftemäßig überlegenen Gegners (keine andere Möglichkeit, an die gewünschten Infos zu gelangen) zum eigenen Vorteil nutzen kann. Das Einzige, wovor Washington und Seoul also tatsächlich Angst haben (müssen), ist, dass ihr Versagen Konsequenzen hat – und Humanisten womöglich mehr erreichen als jede Armee kalter oder heißer Krieger.

    • @mowgli:

      Stimme zu, die seit 2008 herrschenden kriegstreiberischen und konfrontativen Regierungen in Südkorea haben keine Scheu vor einem Beziehungsbruch zum Norden. Umgekehrt ist Ihnen innenpolitisch und aufrüstungspolitisch viel an einer weiter köchelnden Konfrontation mit den Brüdern im Norden gelegen. Wie die permanenten Großmanöver seit 2009, die Pressekampagnen und die über die UNO lancierte Kampagne belegen.