piwik no script img

Bombenentschärfung in Berlin-KreuzbergNach neun Minuten ist der Zünder raus

Die zweite Fliegerbombe in Kreuzberg machte weniger Probleme als die erste am Sonntag. Dafür murrten einige Anwohner.

Und raus ist der Zünder: Die vier Polizeifeuerwerker nach der Arbeit am toten Objekt. Foto: dpa

Die Schlusszene spielt in der Baugrube: Vier Polizeifeuerwerker in grünen Overalls posieren für die Pressefotografen. Vor ihnen im Sand die entschärfte Fliegerbombe. Ein rostiger, 250-Kilo-Stahlkörper, der aussieht wie eine Robbe ohne Kopf. Einzelbilder gibt es nicht. Man sei ein Team. „Wir kommen zusammen, wir gehen zusammen, wir fahren zusammen zur Hölle“, sagt einer. Alle vier lachen.

Ganze neun Minuten dauerte es diesmal, bis die ferngesteuerte Hochwasserdruckschneideanlage den Zünder aus dem Mantel der Bombe geschnitten hatte. Um 14.18 Uhr knarzte die Erfolgsmeldung durch die Polizeifunkgeräte. Die Sperrungen im Radius von 500 Metern rund um die Baustelle in der Lindenstraße können aufgehoben werden. Das ist eine Rekordzeit.

Am Sonntag, als schon einmal eine amerikanische Fliegerbombe in dieser Baugrube entschärft wurde, konnte die Bevölkerung erst nach neun Stunden in ihre Wohnungen zurück. Am Freitag vergehen nur fünf Stunden. Aber diesmal hat die Bombe auch nur einen Zünder. Und: Polizei, Rotes Kreuz und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg kennen bei der Evakuierung der 11.000 Menschen die Schwachstellen.

In der Sperrzone befinden sich zwei Seniorenwohnhäuser. Rund 200 alte Leute leben dort. „Das ist viel für ein Gebiet dieser Größe“, sagt Sozialamtsleiterin Ines Heuer-Sehlmann. 60 Menschen sitzen im Rollstuhl oder stützen sich auf einen Rollator. Es erfordert besondere Transportkapazitäten, diese Menschen ins Rathaus Kreuzberg zu bringen. Über 100 Alte und Schwache überbrücken dort wie schon am Sonntag die Zeit, bis die Bombe entschärft ist. Die Bettlägrigen und Pflegebedürftigen werden ins Urban-Krankenhaus gebracht. Asyl fand dort auch ein stark Übergewichtiger, der nur liegend in einem Spezialbett mit einem Sonderfahrzeug der Feuerwehr transportiert werden kann. Am Sonntag hatte dieser Fall die Evakuierung deutlich verlängert.

Manche wollen nicht raus

Aber nicht alles ist beim zweiten Mal einfacher. Eine alte Dame mit grauer Wollmütze, die im Seniorenwohnhaus in der Charlottenstraße wohnt, wird von ehrenamtlichen Helfern des Roten Kreuzes zum Kleinbus geführt, der sie ins Rathaus bringen soll. Am Wagen angekommen, dreht sich die Frau um und läuft wieder zurück ins Haus. Es bedarf einiger Überredungskunst, sie zum Mitkommen zu bewegen. Einmal ja. Aber nun schon wieder? Einige Seniorinnen hätten das partout nicht einsehen wollen, erzählt eine Sozialarbeiterin. „Ich habe den Krieg überstanden, dann überstehe ich wohl auch eine alte Bombe“, so die Haltung.

Die zwei Blindgänger lagen in nur 20 Meter Abstand in der Erde – eine Besonderheit, sagt einer der Polizeifeuerwerker. 2014 haben sie in Berlin 57 Tonnen Kampfmittel geborgen. Angst? Nein. „Das ist Berufsrisiko. Das hat man vorher mit sich abgemacht.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!