Geflüchteter Linksradikaler: Hoffnung auf Asyl in Venezuela
20 Jahre lang war ein militanter Linker abgetaucht. Das BKA fand ihn in Venezuela. Doch das Land lehnt eine Auslieferung ab.
Zielfahnder des Bundeskriminalamts (BKA) hatten den von Interpol gesuchten Deutschen vergangenes Jahr in Venezuela aufgespürt. Sicherheitskräfte des links regierten Landes nahmen ihn daraufhin am 11. Juli 2014 in der Stadt Mérida fest. Dort hatte er die letzten Jahre gelebt und in einer Druckerei gearbeitet.
Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft Heidbreder vor, als Mitglied der Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“ an Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Im Oktober 1994 griff die Gruppe das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde an, um gegen die deutsche Unterstützung der Türkei im Kampf gegen die Kurden zu protestieren. Im April 1995 scheiterte ihr Versuch, das im Umbau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau in die Luft zu sprengen. „Die tragende Substanz des Hauptgebäudes sollte so weit zerstört werden, dass aufgrund der statischen Schäden der gesamte Knast hätte abgerissen werden müssen“, schrieb die Gruppe über den geplanten Anschlag, der sich gegen die deutsche Asylpolitik richten sollte. Die Aktion ging schief, weil ein Fahrzeug samt Bombe vorzeitig entdeckt wurde.
Heidbreder sowie Thomas W. und Peter K. tauchten daraufhin ab. Seither fahndet das BKA nach ihnen. Zahlreiche Menschen aus deren Umfeld erhielten über Jahre hinweg Vorladungen zur Vernehmung. Für den Fall der Aussageverweigerung drohte ihnen Beugehaft. Auch Telefone von Rechtsanwälten wurden abgehört. Dennoch kamen die Fahnder den Flüchtigen fast zwei Jahrzehnte lang nicht auf die Spur. Nach Thomas W. und Peter K. suchen sie weiterhin erfolglos.
Die obersten Richter Venezuelas lehnten am Dienstag den Auslieferungsantrag ab, weil das Kriterium der beiderseitigen Strafbarkeit nicht erfüllt sei. Der Vorwurf des Terrorismus habe zum Zeitpunkt der Tat in dem Land nicht existiert, die anderen Straftaten – Brandstiftung und Vorbereitung eines Sprengstoffdelikts – seien nach venezolanischem Recht verjährt.
Tat noch nicht verjährt
Die jetzige Entscheidung fiel erst 15 Monate nach der Festnahme Heidbreders. In der Zwischenzeit saß er im Gefängnis. „Es hat lange gedauert, aber jetzt haben wir einen wichtigen Schritt erreicht“, sagte Anwältin Studzinsky der taz. Nun muss die venezolanische Ausländerbehörde über den Asylantrag Heidbreders entscheiden. Auch das könnte sich über Jahre hinziehen, allerdings wird Heidbreder diese Zeit wohl nicht im Gefängnis verbringen müssen.
Auf eine Verjährung der Taten könnten die Beschuldigten in absehbarer Zeit nicht hoffen, erklärte ein BAW-Sprecher der taz. Da das Verfahren zwischendurch unterbrochen worden sei, kann sich die Verjährungsfrist von 20 Jahren für einen Sprengstoffanschlag bis auf das Doppelte erhöhen.
Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sowie der Grüne Hans-Christian Ströbele hatten sich gegen eine Auslieferung Heidbreders ausgesprochen. Zudem setzte sich ein Unterstützungskomitee für ihn ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal