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Urteil des BundesverfassungsgerichtsBürger dürfen Polizisten filmen

Macht die Polizei Aufnahmen von Versammlungen, darf ihrerseits gefilmt werden. Nicht nur damit stärkt Karlsruhe das Demonstrationsrecht.

Ein schönes Bild: Polizisten filmen im Mai 2005 in Leipzig eine Demo gegen einen Neonazi-Aufmarsch. Foto: dpa

Hamburg taz | Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer Entscheidung zu einem Fall aus Göttingen die Rechte von Demonstranten gestärkt. Mache die Polizei Aufnahmen von einer öffentlichen Veranstaltung, müsse sie es hinnehmen, ihrerseits gefilmt zu werden, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss, mit dem die Karlsruher Richter der Verfassungsbeschwerde eines 49-Jährigen stattgaben.

Außerdem sei die Polizei nicht ohne Weiteres berechtigt, die Personalien von Demonstranten aufzunehmen, wenn diese die Einsatzkräfte filmten. Das sei ein verfassungswidriger Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, urteilte das Bundesverfassungsgericht nun und hob damit Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Göttingen und des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen in Celle auf.

Der Kläger hatte im Januar 2011 für die Initiative „Bürger beobachten die Polizei Göttingen“ an einer Demonstration gegen DNA-Zwangsabnahmen teilgenommen und war dort von Polizisten kontrolliert und gefilmt worden. Seine Begleiterin machte ihrerseits Aufnahmen der filmenden Beamten, woraufhin auch ihre Personalien überprüft wurden.

Der 49-Jährige hatte gegen seine Identitätsfestellung geklagt. Die Kontrolle wäre nur bei konkreter Gefahr für „polizeiliches Schutzgut“ zulässig gewesen, urteilten jetzt die Karlsruher Verfassungsrichter. Dazu müsste die Polizei etwa Anhaltspunkte dafür haben, dass die Aufnahmen veröffentlicht werden sollten.

„Fertigen Versammlungsteilnehmern Bildaufnahmen von eingesetzten Polizeibeamten an, kann nicht ohne nähere Begründung von einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut ausgegangen werden“, so die Begründung der Richter. „Die bloße Möglichkeit einer strafbaren Verletzung des Rechts am eigenen Bild genügt nicht, um eine Identitätsfeststellung durchzuführen“, schrieben die Richter.

Denn dann unterlasse der „Betreffende aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen auch zulässige Aufnahmen und mit diesen nicht selten einhergehende Kritik an staatlichem Handeln“. „Bürgerrechtsorganisationen, die regelmäßig rechtswidriges Polizeihandeln aufdecken, sind bei manchen Polizeieinheiten nicht gern gesehen und daher immer wieder Adressaten polizeilicher Maßnahmen“, sagte der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam, der den Kläger vertritt.

Für die sei dieses Urteil eine gute Nachricht. Die Entscheidung habe grundsätzliche Bedeutung und stärke die Rechte von Demonstrationsbeobachtern.

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5 Kommentare

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  • Das Problem ist: Dieses Urteil wird nicht umgesetzt.

    Polizisten zu filmen endet heute im Regelfall in der Zelle und mit einer Anzeige wegen Widerstand sowie wegen Persönlichkeitsverletzung des Polizisten

    Von der Tatsache das das Handy oder die Kamera beschlagnahmt wird und man gefesselt auf dem Bürgersteig liegt wenn man das versucht mal ganz abgesehen

    Das wird dann darüber begründet das ja auch Tonaufnahmen gemacht wurden und das Filmen einer Festnahme die Festnahme in jedem Fall behindert so das es eine Widerstandshandlung darstellt.

    Im Endeffekt ist also davon abzuraten, zumindest wenn einem die körperliche Unversehertheit und die Kamera lieb sind.

    Von der Verurteilung und der Vorstrafe mal ganz abgesehen

  • "Mit einer Entscheidung zu einem Fall aus Göttingen hat das Bundesverfassungsgericht die Rechte von Demonstranten gestärkt".

     

    Unser Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht im Namen des Volkes über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.

     

    Es gibt allerdings einige Hürden, damit unser Bundesverfassungsgericht für einen Menschen tätig werden kann. So muss die Verfassungsbeschwerde begründet sein und der Rechtsweg müsste erschöpft sein.

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/_zielgruppeneinstieg/Merkblatt/Merkblatt_node.html

  • Gutes Urteil das letztlich allen hilft.

    • @KarlM:

      Sicher? Wie war es beim Mann im Brunnen? Der offizielle Polizeibericht stellte den Verlauf eklatant anders dar, als es im Passantenvideo zu sehen war, wurde aber trotzdem nicht beanstandet.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Nö, das ist nicht zutreffend. Das Problem liegt da bei Ihnen, Sie verstehen, aus welchen Gründen auch immer, nicht was Sie dort sehen.

         

        Und wenn Fehlverhalten dokumentiert wird, ist das ebenfalls zu begrüßen!