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Kommentar Polizisten fotografierenDer Staat muss transparent sein

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht erlaubt, dass Demo-Teilnehmer Polizisten filmen. Das ist faktisch eine Bild-Vorratsdatenspeicherung der Polizei.

Nicht nur die Polizei filmt, sie muss sich auch Fotos von Seiten der Demonstranten gefallen lassen Foto: dpa

W er Polizisten bei der Arbeit filmt oder fotografiert, muss deshalb nicht mit Repressalien rechnen und nicht einmal seine Personalien angeben. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Göttingen entschieden, der die Macht der Bilder weiter demokratisiert.

Ursprünglich war die zunehmende Überwachung durch staatliche und private Videokameras angstbesetzt. Sie galt als Ausdruck eines präventiven Überwachungsstaats. Es galt: Wer Straßen und Plätze anlasslos filmt und die Bilder sogar speichert, betreibt nichts anderes als eine Vorratsdatenspeicherung.

Dennoch hat sich die zunehmende Bildgebung im positiven Sinne als zwiespältig erwiesen. Immer wieder fangen Überwachungskameras auch ein, wie Polizisten rechtswidrig Gewalt anwenden. In den USA entstand so sogar eine große Diskussion über Rassismus bei der Polizei.

Auch die zunächst als Modellversuch geplanten Helmkameras für Polizeibeamte werden eine dialektische Wirkung haben. Eigentlich sollen sie Polizisten vor Übergriffen schützen, indem zum Beispiel Personenkontrollen aufgezeichnet werden. Aber vermutlich werden die Kameras genauso Bürger vor Übergriffen von Polizisten schützen oder diese zumindest gelegentlich besser aufklärbar machen.

Präventive Polizeikontrolle

Früher stand bei Gewalteskalation mit Polizeibeteiligung regelmäßig Aussage gegen Aussage, und Polizeizeugen galten – warum eigentlich? – als besonders glaubwürdig. Jetzt gibt es aber immer häufiger Bilder, die die Versionen des polizeilichen Korpsgeist widerlegen.

In diesen Kontext passt es, dass das Bundesverfassungsgericht nun auch die privaten Kameras der Bürger als präventives Mittel der Polizeikontrolle zulässt. Da heute fast jedes Mobiltelefon eine Foto-Funktion hat, sind Kameras auch in Bürgerhand allgegenwärtig.

Dabei hat Karlsruhe das Filmen der Polizei nicht nur aus konkretem Anlass für rechtmäßig erklärt, etwa wenn ein Polizist mutmaßlich illegal handelte, sondern generell. Es könnte ja sein, dass Bürger die Bilder später einmal als Beweis vor Gericht benötigen.

Damit hat Karlsruhe faktisch erlaubt, dass Bürger – ins Blaue hinein – eine Bild-Vorratsdatenspeicherung der Polizei anlegen. Das muss man dennoch nicht ablehnen, schließlich wird hier der Polizist nicht als Bürger, sondern als Teil der Staatsgewalt überwacht. Es geht also nicht um die Person, sondern um ihre Rolle. Bürger müssen nicht transparent sein, der Staat schon.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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6 Kommentare

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  • Super Vorsatz: Der Staat muss transparent sein!

    Das muss erst recht für unsere Abgeordneten gelten! 670 Politiker im Bundestag treffen Entscheidungen "frei und unabhängig" nur ihrem Gewissen verpflichtet?

    Hinter ihnen stehen Interessen, 3700 Lobbyisten und üppige Spender.

    Wir, die Wähler, brauchen qualifizierte Informationen wer Entscheidungen beeinflusst! Nur dann können wir "unsere Vertreter" wieder wählen. Der letzte Satz im Text gilt allgemein:

    "Es geht also nicht um die Person, sondern um ihre Rolle. Bürger müssen nicht transparent sein, der Staat schon."

  • Gilt das nur für Demonstrationen oder auch für jeden anderen Polizeieinsatz (z.B. Kontrollen an Bahnhöfen)?

    • @smallestmountain:

      Ja, man dürfte sich wohl mit Stativ gleich vor Wachen, Kriminalkommissariate stellen, und Einen nach dem Anderen ablichten.

      Es sind schließlich "Polizisten im Dienst". Irrelevant, ob die Uniform tragen, Zivil oder sogar Anzug.

      Die angedachte "Bild-Vorratsdatenspeicherung" wäre dann z.B. eine Datenbank ("Lichtbildkartei" hießen die Fotosammlungen von Verbrechern bei der Polizei) potentieller Straftäter im Dienst.

       

      Also eine Sammlung aller Polizisten einer Dienststelle. Kleine Wachen, Kriminalpolizei, LKAs, BKA etc..

      Und jeweils vermerkt zum Bild die Dienststelle.

      Wenn nun auf einer Demo jemand zuschlägt, und es gibt ein Foto, wäre es denkbar es mit allen Fotos zu vergleichen.

      Ich weiß, dass es rund 300.000 Polizisten sind. Zum einen müssten hunderte oder tausende Freiwillige jeweils eine überschaubare Anzahl an Fotos machen, zum Anderen kann man Software wie "Picasa" von Google nutzen um auch aus 300.000 Fotos eine Person raussuchen zu lassen.

      Es mag sein, dass es dann auch "100" Ergebnisse gibt, aber dann schaut man selbst nach.

      Außerdem wäre natürlich auch die (anhaltende) Aktion an sich ein Symbol.

       

      Außerdem könnte jeder fotografierte Polizist einen Wiki-Eintrag (in einem extra dafür eingerichteten Wiki) auf einer (dafür registrierten) Webseite erhalten.

      So haben Besucher die Möglichkeit den Namen des Polizisten und andere Daten anzugeben.

      Außerdem können Sie Erfahrungen mit dieser Person schildern...

  • Schon mal rechtlich gewürdig, daß Polizisten Teil eines „öffentlichen Aufzugs“ nach KunstUrhG sind?

     

    Und damit (außer in sehr persönlichen Nahaufnahmen) berichterstattend gefilmt werden dürfen? — Und: JEDER der will ist Berichterstatter. Ein „Journalistenprivileg“ existiert nicht, falls es das jemals tat.)

     

    Sie demonstrieren natürlich nicht, gehören aber nun mal zum öffentlichen Aufzug dazu.

     

    ( Wäre ja auch noch schöner, daß wiein der Englischen und Spanischen (google: „ley mordaza“) Ex-Demokratie es Polizistenfotografierverbote sogar für Presse gäbe...)

     

    Fehlt mir alles so ein bisschen, in den (Agentur)meldungen.

  • "Dabei hat Karlsruhe das Filmen der Polizei nicht nur aus konkretem Anlass für rechtmäßig erklärt, etwa wenn ein Polizist mutmaßlich illegal handelte, sondern generell. Es könnte ja sein, dass Bürger die Bilder später einmal als Beweis vor Gericht benötigen."

    Und - o Wunder der Technik - oft genug ist genau dann an genau der entscheidenden Stelle irgendein technisches Problem und die entscheidende Szene ist leiiiiider nicht dabei... oooooh....

    • @Da Hias:

      Warum sollte ein filmender und fotografierender Bürger Material zensieren, dass er/sie selbst gegen die Polizei nutzen will?

      Das schöne ist doch, dass man das Material gleich dnach unverfremdet bei YouTube, Flickr etc. hochladen darf.