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Debatte zur FlüchtlingspolitikVier zu eins im Parlament

Die SPD schließt sich der Kritik der Opposition an CDU-Senatoren an

Im Zentrum der Kritik Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus, die am Donnerstag durch die SPD verstärkt wurde: Der Innensenator und CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel. Foto: Foto: dpa

Ein Linkspartei-Landesvorsitzender, der die CDU-Chefin lobt. Eine Vier-Parteien-Opposition, in der auch die SPD ihren Koalitionspartner kritisiert ‑ der Flüchtlingsstrom sorgt auch im Abgeordnetenhaus für neue Verhältnisse. Dort sagte am Donnerstag Linksparteichef Klaus Lederer über Angela Merkel: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal positiv Bezug auf die Kanzlerin nehme.“ Die hatte tags zuvor gesagt, Abschottung – wie es viele ihrer Parteifreunde fordern – sei eine Illusion.

„Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrer Parteichefin“, hielt auch die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill der CDU vor. Merkel beziehe „Stellung gegen die Stammtische“, sagte die Türkei-stämmige SPDlerin mit dem alten preußisch-polnischen Adels-Namen. Auch den Sozialsenator Mario Czaja kritisierte sie, weil er eine Grenze bei der Aufnahmefähigkeit für Flüchtlinge sehe. „Ich glaube, dass das nicht stimmt“, sagte Radziwill.

Der Tenor bei der Opposition war: Henkel mache seine Arbeit nicht, Czaja bekomme die Registrierung der Flüchtlinge nicht auf die Reihe, und Justizsenator Thomas Heilmann verstoße mit seinen jüngsten Vorschlägen zu schnelleren Verfahren gegen das Grundgesetz. „An diese drei Typen kann die Kanzlerin nicht gedacht haben, als sie gesagt hat: Wir schaffen das“, sagte Canan Bayram (Grüne).

Innensenator Henkel konterte, Czaja habe „mehr für die Willkommenskultur getan als Sie mit Ihren Sonntagsreden.“ Er betonte, was tags zuvor auch Grünen-Chefin Bettina Jarasch der taz sagte: Dass das Asylrecht Schutz vor politischer Verfolgung gewährt, nicht aber vor wirtschaftlicher Not. „Wir können verfolgten Menschen Schutz bieten, aber nicht allen Menschen eine neue Heimat“, sagte Henkel und kündigte deutlich mehr Abschiebungen an.

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3 Kommentare

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  • Grünen-Chefin Bettina Jarasch und ihr Glaubensgenosse Henkel scheint zu befürchten, dass "ihre" Deutschen (wieder mal) zu einem "Volk ohne Raum" werden könnten, falls der Staat allen, die hier "eine neue Heimat" suchen, auch eine bietet per Gesetz.

     

    Vielleicht sollte Infratest dimap, die Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung mbH, ja einfach mal eine weltweite Umfrage starten auf Kosten deutscher Steuerzahler. Könnte doch sein, es trägt zu einer Beruhigung der überhitzten Gemüter bei, wenn sich herausstellt, dass Deutschland so attraktiv, wie seine Führer auf Grund ihrer überragenden Leistungen glauben, gar nicht ist. Zumindest nicht für Leute, die nicht täglich bombardiert oder misshandelt werden.

     

    Hier ist schließlich nicht nur das Wetter schlecht. Nicht gut sind auch die Chancen, vom Tellerwäscher zum Millionär zu werden. Für den amerikanischen Traum ist Deutschland wohl tatsächlich zu klein. Die Elite-Dichte ist hier schon ausgesprochen hoch, die Pyramieden haben jetzt schon zu viele Etagen. Für neue Alphatiere ist da wahrscheinlich wirklich grade nicht viel Raum.

  • Eine Linke, die den Namen verdient, muss die Grundrechte schützen und erweitern wollen und den staatlichen Repressionsapparat behindern und einschränken, damit er nicht eines Tages offen terroristisch wird - die gesetzlichen Mittel sind seit der Legalisierung eines Notstandsregimes alle vorhanden - was sich auch beim Elmau-Zirkus und bei den Einwanderern zeigt.

    Die Eroberung des Staates ist ein Phantom, seine Auflösung ist angesagt, will man nicht wieder im Staatsterror enden. Konkret zur Lage gilt: 1. Alle Fremden haben Besuchsrecht. Keine Zäune - weder ums Elmaugedrisse, noch um die EU oder Bayern. Das Kantische Besuchsrecht eben. 2. Grenzkontrollen dienen nur der Registrierung der Einreisenden. 3. Staatliche Zwangsbewirtung von Ausländern finden nicht statt. 4. Bleibe- und Einbürgerungsrecht haben alle Besucher nach einem Jahr, wenn sie für sich sorgen können oder ein Bürger deren Unterhalt garantiert. 5. Auslandseinsätze des Militärs werden sofort beendet. 6. Der Militärhaushalt wird jährlich um 10 % gekürzt. 7. Das BAMF wird aufgelöst. 8. Die dadurch frei werdenden Mittel werden bedingunslos an Städte und Gemeinden entsprechend den dort vorhandenen unbefristeten Arbeitsplätzen verteilt. 10. Das Asylrecht ist wiederherzustellen. Abgelehnte Asylbwerber tragen die Kosten des Verfahrens, haben aber die gleichen Rechte wie die anderen Besucher. Wetten, daß eine solche Politik den aufgebrachten Rechten den Wind aus den Segeln nehmen würde? Aber was viel wichtiger ist: sie würde den Einwanderern helfen, und zugleich deren Zahl im Selbstlauf beschränken, wenn denn die Rede von den Wirtschaftsflüchtlingen nicht nur Propaganda ist.

    • @Gottfried Scherer:

      Gut gebrüllt, Löwe. Sie vergessen leider, dass die Welt nicht am Jägerzaun endet.

       

      Ich habe Kant nicht persönlich gekannt. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass die Leute recht haben, die ihn für einen Stuben-Gelehrten hielten (und noch halten), für einen Nur-Theoretiker, der zu abstrakt gedacht hat, um in der Politik (und bei den Frauen) Erfolg zu haben.

       

      Kants Theorien sind vernünftig. Die Menschheit ist es leider nicht. Einen wie Kant musste das nicht stören. Eine "Linke, die den Namen verdient", aber schon. Es bedeutet nämlich eine ganze Menge Ärger und vor allem sehr viel (schlecht bezahlte) Arbeit. Arbeit, die ganz offensichtlich niemand gerne machen möchte.

       

      Ich rede hier von einer Stärkung des Völkerrechts und/oder einer "Harmonisierung" der nationalen Rechte. Würde Deutschland im Bestreben, Klassenprimus zu sein, vorpreschen, würde es das labile Gleichgewicht zerstören, in dem sich die Völker und vor allem ihre diversen Führer mehr oder weniger kommod eingerichtet haben zur Zeit. Im Ansatz konnten wir das grade schon erleben. Ich finde, dass die Merkel-“Panne“ nicht vertieft gehört.

       

      Was Sie vorschlagen, muss entweder überall auf der Welt zeitgleich gelten, oder gar nicht. Wenn Deutschland Vorbild sein will, muss es jedenfalls verdammt aufpassen, dass es sich nicht übernimmt. Es sei denn, es wollte Kants wirklich gute Ideen für weitere 220 Jahre in der Versenkung verschwinden lassen.