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Philosoph über neue Technologien„Die Linke hat den Anschluss verpasst“

Armen Avanessian ist Beschleunigungsphilosoph – deshalb redet er schnell. Etwa darüber, warum ihm die Linke zu gestrig ist und warum er Hirnchips toll findet.

Diese linke Technik ... gar nicht so leicht zu verstehen. Bodo Ramelow testet eine Datenbrille Foto: dpa
Alem Grabovac
Interview von Alem Grabovac und Dagmar Morath

Der Beschleunigungsphilosoph – der „Akzelerationist“ – Armen Avanessian lebt in einem Altbau in Berlin-Mitte. Mit seiner Jeans, seinem hellblauen Hemd und den orangefarbenen Turnschuhen sieht er aus wie ein typischer Vertreter der Generation Web 2.0. Das Smartphone und seinen aufgeklappten Laptop lässt er kaum aus den Augen – auch nicht, wenn er spricht. Und Avanessian spricht schnell. Sehr schnell.

taz.am wochenende: Herr Avanessian, würden Sie sich einen Computerchip in das Gehirn einpflanzen lassen, wenn dieser Ihre Denkleistung beschleunigen könnte?

Armen Avanessian: Vielleicht sind die Chips ja schon längst in unseren Gehirnen. Ich denke und schreibe schon schneller, obwohl oder weil ein Teil meines organischen Langzeitgedächtnisses verkümmert, ich aber weiß, wie ich es gemeinsam mit meiner Festplatte bedienen kann. Derrida wurde einmal gefragt, was er sich wünschen würde, wenn er einen Wunsch frei hätte: Seine Antwort war: „Ich würde gerne irgendeine Elektrode in meinem Kopf haben, die es mir ermöglicht, dass ich so schnell schreiben kann, wie ich denke.“

Sie würden sich den Chip also implantieren lassen?

Klar, warum denn auch nicht? Er dürfte natürlich nicht zu mehr Überwachung führen. Ich möchte auch nicht, dass irgendwelche Unternehmen mit meinem Denken einen ökonomischen Mehrwert akkumulieren. Aber wenn diese Chips unsere Denkkräfte und unsere Produktivkräfte auf progressive Art und Weise fördern würden, wären sie doch ein Fortschritt. Es gibt diesen wunderbaren Satz von Spinoza: „Wir wissen noch nicht, was unser Körper kann.“ Akzelerationistisch übersetzt heißt der Satz: Wir wissen noch gar nicht, was der techno-soziale Körper kann.

„Wir erklären, dass sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit.“ Wissen Sie vielleicht, aus welchem Text dieser Satz stammt?

Das klingt mir nach Futurismus.

Richtig. Er stammt aus Marinettis 1909 erschienenem Manifest des Futurismus. Ist der Akzelerationismus eine Art Neofuturismus?

Das ist ein grundlegendes Missverständnis. Im Akzelerationismus gibt es keine Ästhetisierung der Politik. Nirgendwo geht es da um eine Schönheit oder um eine Glorifizierung von Geschwindigkeit. Wir stellen einfach fest, dass wir in einer beschleunigten Wirklichkeit leben, die wir zum Großteil nicht verstehen. Beschleunigung meint eine positive Dynamik, die nicht gleichbedeutend mit mehr Geschwindigkeit ist. Wir sollten uns die technologischen Beschleunigungsgewinne aneignen, um eine andere, eine bessere Gesellschaft aufzubauen.

Im Interview: Armen Avanessian

Der Mensch: Armen Avanessian, 1973 in Wien geboren, ist Philosoph. Er hat Politikwissenschaften, Literatur und Philosophie studiert, als Journalist in Paris und im Verlagswesen in London gearbeitet. Von 2007 bis Anfang 2015 arbeitete er als Literaturwissenschaftler am Peter Szondi-Institut der FU Berlin. Momentan lebt er von Vorträgen, Projekten und Lehraufträgen an Universitäten.

Der Philosoph: Avanessian hat knapp 30 Bücher geschrieben und herausgegeben, viele davon im Merve Verlag, wo er seit 2014 Chefredakteur ist. Mit der Sammelschrift „#Akzeleration“ wurde er bekannt als Vertreter des Akzelerationismus. 2015 zählte ihn das Magazin Wired zu einem der wichtigsten Vordenker des Jahres.

Wie soll das aussehen?

Weshalb nutzen wir zum Beispiel die Algorithmen von Facebook nicht für neue Formen der Zusammenarbeit, der Kommunikation, der politischen Selbstbestimmung? Warum nutzen wir die Möglichkeiten der Automatisierung nicht, um allgemein viel weniger zu arbeiten? Die Linke muss endlich ihren technologischen Analphabetismus überwinden.

Wie meinen Sie das?

Das Problem ist, dass die Linke, auch die linke Theorie, nicht mehr hegemonial ist, dass sie nicht mehr die entscheidenden Stichworte liefert und ihre Überzeugungskraft verloren hat. Sie hat den Anschluss an die modernen Technologien verpasst. Es gelingt ihr nicht, den technologischen Fortschritt aus der Zwangsjacke des Kapitalismus zu befreien. Rückzug und Entschleunigung sind keine Lösungen. Ganz im Gegenteil muss man die Technologien des Kapitalismus nutzen, um soziale und politische Fortschritte zu bewerkstelligen. Die echten Beschleunigungsgewinne des Neoliberalismus haben weder zu weniger Arbeit noch zu weniger psychischem Druck geführt. Darum geht es uns doch.

Die Linke hat versagt?

Die Linke hat die Zukunft aufgegeben. Es gibt kein emphatisches, positives Konzept von Zukunft. Jetzt haben wir die siebzehnte Generation Frankfurter Schule. Die haben den Karren doch vollkommen an die Wand gefahren. Stichworte: Weltklimakatastrophe, Finanzkrise, Aushöhlung der Demokratie. Auch die Linke hat sich von einer bestimmten Gleichung überzeugen lassen: Moderne gleich Kapitalismus gleich Fortschritt und gleich Beschleunigung. Wenn man diese fatale Gleichung akzeptiert, bleibt einem nichts anderes übrig, als auf Entschleunigung zu setzen.

Was ist falsch an Entschleunigung?

Wir brauchen nur aus der Haustür hinauszugehen und dort begegnen uns Tausende von vermeintlichen Entschleunigungsoasen, etwa ein in vielerlei Hinsicht regressiver und folkloristischer Bioboom. Die Problemlösungsansätze in Fragen des Klimaschutzes müssen jedoch von der lokalen Ebene ausgehend ein globales Level erreichen. Es reicht nicht, ein paar Karotten in Brandenburg zu pflanzen. Das mag eine Option für einige wenige besser Situierte sein, hat aber null gesellschaftliche Transformationskraft.

Akzelerationismus

Die intellektuelle Strömung ist noch jung. Sie ist links, kritisiert aber gleichzeitig das kapitalismuskritische Dogma der traditionellen Linken. Nicht mehr Che Guevera ist Revolutionsfigur, sondern Edward Snowden. Fortschritte und Innovationen sollen positiver besetzt, technologische Beschleunigungsgewinne innerhalb der Gesellschaft besser genutzt werden.

Wie sieht denn Ihre Alternative aus? Und was machen Sie anders?

Einer der Kerngedanken der akzelerationistischen Philosophie ist, dass man von einer imaginierten fernen Zukunft auf die Gegenwart schaut. Damit wollen wir Visionen erzeugen. Wir können in einer anderen Gesellschaft leben, wenn wir uns von dem Diktat befreien, dass der Kapitalismus keine Alternative hat. Der Akzelerationismus ist ein Aufruf, ein Manifest, auch ein Appell.

Ein Appell wozu?

Wir müssen uns technologisieren und die Programmierer politisieren. Wir brauchen andere Formen, wir brauchen andere Ideen und andere Widerstandsfiguren. Die neuen Widerstandskämpfer schauen nicht mehr aus wie der Che Guevara mit seinem Rauschebart im Urwald, nein, das sind die Assanges und die Edward Snowdens. Die sind mit einem bestimmten technologischen Wissen ausgestattet, kennen die Distributionskanäle, die sehen aus wie kleine Bürokraten und die haben verstanden, was Widerstand heute bedeutet. Der Edward Snowden hat, soweit es mir bekannt ist, übrigens keine Karotten gepflanzt und auch nicht den Platz vor der Europäischen Zentralbank besetzt.

Was haben Sie gegen die Occupy-Bewegung?

Die Widerstandsformen von Mitte des 20. Jahrhunderts nützen nichts gegen Gegner, die mit avancierten technologischen Mitteln kämpfen. Es bringt nichts, gegen die NSA oder einen hochkomplexen Finanzmarkt auf die Straße zu gehen und Flugblätter zu verteilen. Die Glorifizierung von flachen Entscheidungsstrukturen, die Fetischisierung von Offenheit, Horizontalität und Inklusion seitens der Mehrheit der heutigen Linken hat die Voraussetzungen für ihre Wirkungslosigkeit geschaffen. Da muss man sich doch wenigstens fragen dürfen, ob andere Formen demokratischer Prozesse erfolgreicher sein könnten.

Von welchen Formen sprechen Sie?

Der Akzelerationismus sagt, wenn wir etwas verändern wollen in unserer beschleunigten Gesellschaft, geht es nicht anders, als dass wir die Beschleunigung annehmen und versuchen, sie zu navigieren, ihr eine progressive, sinnvolle Richtung zu geben. Mit einer andauernden Fetischisierung horizontaler Strukturen, etwa nur mit kleinen Versammlungen, ist das nicht zu lösen.

Und wie wollen Sie diese Probleme lösen?

Wir leben doch teilweise bereits in einer postdemokratischen Gesellschaft. Schauen Sie sich die aufgezwungene Austeritätspolitik in Griechenland an. Oder einen Victor Orbán, der in Ungarn die Meinungsvielfalt unterdrückt. Da darf man machtpolitisch nicht naiv sein. Wir müssen eine intellektuelle Infrastruktur aufbauen, welche das vermeintlich alternativlose Narrativ des Neoliberalismus zerstört. Wir könnten zum Beispiel in einer Gesellschaft leben, in der es ein generelles Grundeinkommen gibt. Dies würde unglaubliche Kapazitäten an Kreativität und Intelligenz freisetzen. Warum tun wir das nicht? Ich begreife den Akzelerationismus als ein wichtiges Irritationsphänomen, als eine Art Plattform, die Menschen zusammenbringt, die sich eine andere Zukunft vorstellen können. Mich interessiert am Akzelerationismus die Dynamik, die Bewegung und nicht irgendeine festgefahrene Doktrin.

taz.am wochenende

Willkürliche Wahlen, Bomben in den kurdischen Gebieten, Präsident Erdogan, der um die Macht kämpft. Wohin führt der Weg der Türkei? Rückt sie näher an den Nahen Osten? Was geschieht mit den Kurden? Fragen, die sechs Kulturschaffende aus der Türkei in der taz.am Wochenende vom 26./27. September diskutieren – bei einer Flasche Schnaps. Außerdem: Das Massaker an den Studenten in Mexiko jährt sich am 26. September. Und: Allergien, die Plagegeister der modernen Industrienation. Warum das so ist und was wir über sie wissen. Das alles – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Das klingt sehr vage.

Wir versuchen lediglich Handlungsalternativen aufzuzeigen. Wir sagen, dass das, was die Moderne einmal ausgemacht hat, nämlich ein positives Zukunftsversprechen, was linke Politik, was die Aufklärung einmal ausgemacht hat, dass wir mit unserer Rationalität, mit unserem Wissen, mit einer bestimmten politischen Emphase eine bessere Gesellschaft herstellen können, immer noch möglich ist. Schauen Sie sich doch zum Beispiel einmal das Feld der zeitgenössischen Kunst an. Sie ist vollkommen orientierungslos und wird durch ständig leerlaufende Innovationen bestimmt. In der zeitgenössischen Kunst werden alle Übel der Welt thematisiert, aber der eigene Beitrag zu dieser Ökonomie wird einfach systematisch ausgeblendet.

Worin besteht der Beitrag der Kunst?

Sie ist der Wegbegleiter des spekulativen Finanzkapitalismus, hat ihm die Stichworte gegeben: Individualismus, Erfinde dich ständig neu, sei innovativ, Flexibilitätslogik. Es ist ja praktisch, dass die Kunst keinen bestimmten Gebrauchswert hat, es ist ja praktisch, dass man sie nicht über die investierte Arbeitszeit bestimmen kann. Sie ist ein perfektes Spekulationsinstrument. Die Intellektuellen schreiben am liebsten Katalogtexte, die zeigen, wie kritisch dieser oder jener meist befreundete Künstler ist, um einen Mehrwert zu generieren. Und dann landen sie auf der Art Basel, wo sie eigentlich alle schon immer hinwollten. Das ist doch verlogen.

Jetzt sind die Künstler an allem schuld?

Man kann an ihnen etwas Exemplarisches aufzeigen. Der Mainstream in der Kunstwelt ist mit der Kritischen Theorie aufgewachsen und sein ganzes Selbstverständnis basiert auf Kapitalismuskritik. Mit dieser Haltung bedienen sie die Funktionsweise des kritisch-ästhetischen Kapitalismus, anstatt aus diesem Kreislauf auszubrechen. Sie schimpfen über Gentrifizierung, haben vorher aber andere Leute weggentrifiziert. Nach der Moderne, nach der Avantgarde, nach diversen Kunstbewegungen, die alle eine Zukunft, die alle eine Emphase des Fortschritts hatten, steht jetzt ein selbstreflexives Herumgejammere über die böse Welt da draußen im Vordergrund. Anstatt die gesellschaftlichen Umstände zu manipulieren, erschöpft sich die zeitgenössische Kunst in Selbstmitleid. Verstehen Sie, ich hoffe einfach, dass es etwas Neues nach dem Kapitalismus und nach der zeitgenössischen Kunst geben wird.

Ein paar Kritiker bezeichnen den Akzelerationismus als linke Hipstertheorie. Sie meinen damit einen Hype, der vermutlich so schnell wieder vergehen wird, wie er gekommen ist.

Meine Antwort ist Hyperstition. Das ist eine Mischung von Superstition und Hype. Das sind Fiktionen, die ihre eigene Realität produzieren, und die darüber Bescheid wissen, wie unsere ökonomische und politische Wirklichkeit heutzutage hergestellt wird. Ob und wie diese Fiktionen in den kommenden Jahren andere Realitäten erzeugen werden, wird sich zeigen. Aber ein profanes „Weiter so“ mit dem Klimawandel, der Monopolisierung in der digitalen Welt, den Überwachungsaktivitäten von Unternehmen und Staaten, den Flüchtlingsströmen und den immer wiederkehrenden Finanzkrisen ist bestimmt auch keine Lösung.

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20 Kommentare

 / 
  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    Ludwig Hohl schrieb: "Das Leben will Verwandlung und wird das Beharren der wichtigsten Dinge erreichen."

     

    Da war er wohl etwas zu schnell unterwegs, der Herr Philosoph, um über den Satz hinreichend philosophieren zu können.

  • Die Linke hat den Anschluss verpasst?

    Ja woran denn ?

    Alles beschleunigt sich ?

    Ja was denn ?

    Der subjektiv rasante Wandel einiger Technologien mag ja durchaus auch historisch recht beachtlich sein. Aber über zu schnellen Wandel hat sich wahrscheinlich noch jede Generation beschwert.

    Also die eigene Zeit einfach nicht überbewerten !

    Die wirklich entscheidenden Dinge geschehen auch heute (subjektiv) quälend langsam. Oder verbessert sich das menschliche Zusammenleben etwa so schnell, dass ich es gar nicht mitbekomme ?

    Was sicher stimmt ist, dass die Linke oder besser gesagt unsere ganze Gesellschaft pathologische Angst vor jeder echten Neuerung hat. Das Bestehende erhalten und vielleicht ein wenig gerechter und kuscheliger machen das ist das bescheidene und alternativlose Ziel.

     

    Früher dachte ich die FDP-Wähler wären fett, faul und feige, heute muss ich erkennen, dass dies für (fast) die gesamte Gesellschaft gilt. Wenn selbst die linke (?) taz im möglichen Untergang von VW keine Chancen sondern die Apokalypse sieht - dann siehts mit der Zukunft in der Tat düster aus.

    Leider scheint mir auch Herr Avanessian kein Konzept zu haben wie man diese Gesellschaft aus der absoluten Bewegungslosigkeit befreien könnte. Der Akzelerationismus muss da noch gewaltig üben.

  • Spinner hat es immer gegeben. Da macht dieser merkwürdige Armen Avanessian keine Ausnahme. Was da an Worthülsen wie Patronenhülsen aus einem MG geschleudert wird, ist für Viertelgebildete vielleicht Philosophie, für den echten Intellektuellen digitales Gedankengebrösel, als ob jemand ein Telefongespräch über ein Handy führt, welches sich in einem Funkloch befindet.

     

    Bereits in den beginnenden Achtziger Jahren, als die Computereuphorie ausbrach, wurde gewarnt vor einer Digitalisierung der Geisteswelt. Komplexe Vorgänge als digitale Informationen abzubilden ist um Zehnerpotenzen aufwändiger als durch analoge Inoformationsverarbeitung. Die gedankliche Digitalisierung des Herrn Armen Avanessian muss deshalb immer schneller geschehen, weil er den komplexen kybernetischen Verflechtungen der Welt der Wissenschaften so nicht folgen kann.

     

    Allerdings besitzt er sehr gute verkäuferische Anlagen. Ich würde ihm empfehlen sich als Unternehmensberater nieder zu lassen. Im deutschen Management und in der Politik gibt es genug Trottel, die ihm gläubig zuhören und dafür auch noch bezahlen.

     

    Aber mir soll er einfach nicht auf die Nerven gehen, da ich als Naturwissenschaftler und Linker ein paar wichtigere Probleme zu lösen habe.

  • Na gut, dann sind eben die Sprücheklopfer in ihrer Stammkneipe schneller und neuer.

    Na und?

    Was soll diese irgendwie ins blaue gerichtete "Die Linke hat"?

    Welche Linken?

  • Der Absatz von Beschleunigungstechnolgie wird in jedem Fall den Kapitalismus zuträglich sein, weil Beschleunigung das Wesen des Kapitalismus ist. Karotten-pflanzende Alternativ-Großstädter fahren schön langsam mit dem Fahrrad und entschleunigen den Klimawandel. Oder wäre der auch noch beschleunigungswürdig ?

    • @lions:

      Aber das ist doch anormal.

    • @lions:

      Von wegen "fahren schön langsam mit dem Fahrrad" - ein E-Bike sollte es doch mindestens sein, oder nicht?

      • @Der Allgäuer:

        Da verwechseln Sie die Interessengruppen.

  • Fortsetzung:

     

    Zum anderen halte ich es für einen sehr fragwürdigen Theorieansatz zu sagen "Wir stellen einfach fest, dass wir in einer beschleunigten Wirklichkeit leben, die wir zum Großteil nicht verstehen.", daraus zu folgern "Rückzug und Entschleunigung sind keine Lösungen.", um anschliessend festzustellen: "... wenn wir etwas verändern wollen in unserer beschleunigten Gesellschaft, geht es nicht anders, als dass wir die Beschleunigung annehmen und versuchen, sie zu navigieren, ihr eine progressive, sinnvolle Richtung zu geben.".

     

    Dies ist dann doch ein zu stark in "Wolkenkuckucksheim" verankertes Denken. Nicht überraschend ist, dass Armen Avanessian anschliessend nur in sehr "luftigen" Andeutungen bleibt, wenn es um die entscheidenden Fragen des "Wie weiter?" geht.

  • Ehrlich gesagt, begann mein Unbehagen mit den geäußerten Ideen von Armen Avanessian schon gleich am Anfang des Interviews. Wieviel "idealistisches", oder zutreffender: wieviel "abgehobenes" Denken muss jemand haben, der heute und angesichts der technologischen Möglichkeiten noch sagt, er ließe sich einen Chip in sein Gehirn implantieren, wenn dieser nicht zu mehr Überwachung und zu einer ökonomischen Manipulation genutzt würde. Ist nicht gerade der Name Snowden auch ein Synonym dafür, dass 'anything goes', oder um es deutsch zu sagen "'Geht nicht' gibt's nicht!"?

     

    Gleichwohl, ich stimme mit ihm darin überein: " Es gibt kein emphatisches, positives Konzept" der Linken "von Zukunft.". Und: " Wir brauchen andere Formen, wir brauchen andere Ideen und andere Widerstandsfiguren.". Sowie: " Die Widerstandsformen von Mitte des 20. Jahrhunderts nützen nichts gegen Gegner, die mit avancierten technologischen Mitteln kämpfen.".

     

    Allerdings empfinde ich nun die Theorie des Akzelerationismus nicht als die Fahne, hinter der sich die Linken sammeln könnten.

     

    Zum einen, weil Linke sich nicht jeden Schuh anziehen lassen müssen, in den sie nach Meinung von Armen Avanessian gesteckt gehören. Ich empfinde es als unredlich, der Linken vorzuwerfen, sie habe es nicht geschafft, den technologischen Fortschritt aus der Zwangsjacke des Kapitalismus zu befreien; auch die Frage, warum wir die Möglichkeiten der Automatisierung nicht nutzen, um allgemein viel weniger zu arbeiten, ist doch nicht daran gescheitert, dass Linke technologisch Analphabeten waren oder sind; nur zur Erinnerung, die 35 Stundenwoche wurde in nahezu allen Branchen der Wirtschaft gefordert und es wurde hart darum gekämpft.

     

    Und für völlig "daneben" halte ich es, Linken vorzuhalten, "Die haben den Karren doch vollkommen an die Wand gefahren. Stichworte: Weltklimakatastrophe, Finanzkrise, Aushöhlung der Demokratie.". Hier wird meiner Meinung nach die reale Welt verkannt und die Herrschenden unterschätzt.

    • @Der Allgäuer:

      Um Missverständnisse zu vermeiden:

       

      Der letzte Satz im ersten Absatz sollte doch eher so lauten:

       

      Zeigen nicht gerade Snowden verdienstvolle Enthüllungen, dass 'anything goes', oder um es deutsch zu sagen "'Geht nicht' gibt's nicht"?

  • Mein Gott. Mit so einem inhaltslosen Geblubber gilt man heute als Philosoph? Vielleicht sollte ich mir auch ein Fremdwort suchen, einen "ismus" dranhängen und ab geht die Luzie. Oder ich nehme einen Ismus, den es schon gibt und setze ein "Post" davor. Das kommt auch immer gut.

  • ...

    Auch Digitalisierung und Internet schienen in den 1990er- und 2000er-Jahren vor Allem neue Partizipationsmöglichkeiten zu verheißen und nun ist festzustellen, dass damit eine Totalüberwachung einhergeht von deren Ausmaße sich weder Orwell noch die Stasi erträumen konnten. NSA und ein zunehmend virtueller Finanzkapitalismus sind also zunächst einemal selbst Ergebnis einer technisch ermöglichten Beschleunigung. Hier ist vor Allem festzuhalten, dass dies eine Entwicklung ist, die nicht vollkommen überraschen sollte, weil sie einem bestehenden Muster folgt: Technische Entwicklung erfolgt immer in einem gegebenen, sozialen Kontext und wenn in diesem Herrschaftsverhältnisse existieren, wird der Nutzen der Innovation zwangsläufig assymetrisch in der Gesellschaft verteilt sein. Dies zu übersehen und das Technische mit dem Sozialen zu verwechseln ist wohl der zentrale Irrtum des Akzelerationismus.

    Dem entsprechend hat Avanessian dann auch keine konkreten Lösungsvorschläge anzubieten. Und auch die Idee "andere Formen demokratischer Prozesse" einzuführen, die aber bitte nicht offen und horizontal sein sollen, weil sie das wirkungslos machen würde, wirkt inkonsistent. Man will die Demokratie der Effizienz halber von begründeten, demokratischen Prinzipien befreien und vergisst dabei, dass viele dieser Mechanismen nicht obwohl sondern gerade weil sie in gewissem Maße ineffizient sind als notwendiges Korrektiv.

  • Offensichtlich kommt im Akkezlerationismus vor lauter Beschleunigung die Analyse etwas zu kurz. Aber wie so oft ist es auch hier wohl gewinnbringender aus der Vergangenheit zu lernen als in blinder Fortschrittsgläubigkeit nach vorn zu rasen.

    So wäre zunächst zu klären wie weit die der "traditionellen" Linken gemachten Vorwürfe überhaupt zutreffend sind. Wenn diese aber mit den Schlagworten Che Guevara, Dogmatismus und Frankfurter Schule umrissen wird, scheint dies eher auf Klischees der 60er- und 70er-Jahre zu referenzieren als die zeitgenössische Linke und blendet ebenso sämtliche Theoriebildung in post-modernem und post-strukturalistischem Kontext aus, wie die durchaus vorhandenen, kritischen Diskurse zur politischen Perspektive von urban gardening oder den Occupy-Protesten. Es ist zwar sicher zutreffend, dass die Frankfurter Schule - zu Recht - neben anderen theoretischen Strömungen noch immer stark rezipiert wird. Eine Kritik aber die deren Kultur- und Technikpessimissmus angreift ohne dabei zu sehen oder sehen zu wollen, dass sich diese im Wesentlichen aus der Erfahrung des industrialisierten Massenmordes speiste, ist - vorsichtig ausgedrück - ziemlich schief.

    Auch ein Blick auf die letzten technischen Revolutionen ist eher ungeeignet dazu hoffnungsvoll zu stimmen. So versprach etwa die Entdeckung der Atomenergie unerschöfpliche, saubere Energie, eröffnete aber mit der Wasserstofbombe zu der - bis heute nicht wieder gebannten - Möglichkeit der Menschheit ein Ende zu setzen.

    ...

  • Als einzigen substanziellen Vorschlag konnte ich das Grundeinkommen herauslesen. Heureka. Alles was der Typ über die Kunst sagt, passt wunderbar auf den Akzelerationismus.

  • Was wagt er es anzudeuten das Gentechnik eher ein Weg ist den Welthunger zu besiegen, als auf die Landwirtschaft zu setzen, die zu einer Zeit der Standart war, als alle hungerten!

    Was wagt er!

  • Ein Deldenk und deshalb doppelplusgut!

    Endlich mal wieder ein Linker mit Verstand.

  • Na, wenn Philosoph das sagt, muß es ja stimmen.

  • Einer hat einen Chip im Kopf, der andere einen Pfurz. Mancher wohl auch Chip und Pfurz.

  • "Ich begreife den Akzelerationismus als ein wichtiges Irritationsphänomen, als eine Art Plattform, die Menschen zusammenbringt, die sich eine andere Zukunft vorstellen können." "Wir müssen uns technologisieren und die Programmierer politisieren."

     

    Erschütternd naiv. Wenn sich irgendwo ein paar Hirnchip-Nerds treffen und ihre Science Fiction-Visionen einer besseren Zukunft dank Beschleunigung diskutieren, wird das nicht das Geringste ändern. Bedingungsloses Grundeinkommen ist ja auch nicht gerade eine umwerfend neue Idee. Bin mal gespannt, wann Herr Avanessian sie politisch in die Tat umsetzen wird, nachdem schon die Pratenpartei mit demselben Gelaber gescheitert ist. Nur ein weiterer scheuklappenbewehrter Schaumschläger aus der Informatik-Ecke.